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Er zuckte zusammen, als der Sakristan wütend die Stimme hob. Wie um seine Verlegenheit zu verbergen, bot er Sharpe noch eine Portion luftgetrockneten Fisch an und hob zu einer langen Erklärung über die Fischsorten an, die an der galicischen Küste gefangen wurden.

Aber keine noch so lebhafte Debatte über die schmackhaften Meerestiere konnte über die Tatsache hinwegtäuschen, dass sich Vivar und Alzaga auf einen erbitterten Wortwechsel eingelassen hatten. Sie versteiften sich auf gegensätzliche Standpunkte, bei denen es, das war offensichtlich, um Sharpe persönlich ging. Das sah so aus, dass Vivar ein Argument anführte und dabei auf den Engländer zeigte, während Alzaga es widerlegte und dabei hohnlächelnd in seine Richtung blickte. Leutnant Davila konzentrierte sich auf das Essen. Er hatte nicht die Absicht, sich in die heftige Auseinandersetzung einzumischen. Pater Borellas dagegen gab seine Versuche auf, Sharpe abzulenken, und erklärte sich widerstrebend bereit, das Gesagte zu erklären.

»Pater Alzaga verlangt von Don Blas, nur spanische Soldaten einzusetzen.« Er sprach so leise, dass der andere es nicht hören konnte.

»Spanische Soldaten, wozu?«

»Das muss Ihnen Don Blas selber erklären.« Borellas hörte einen Moment lang zu. »Don Blas sagt, um spanische Infanterie zu finden, müsste er einen Generalkapitän überreden, und sämtliche Generalkapitäne halten sich versteckt. Außerdem würde ein Generalkapitän zögern oder behaupten, er brauche die Genehmigung der galicischen Junta, und die Junta ist aus La Coruña geflohen, also müsste er sich an die Zentraljunta in Sevilla wenden. Und ein bis zwei Monate später könnte der Generalkapitän sagen, er könne möglicherweise Männer zur Verfügung stellen, aber dann würde er darauf bestehen, einen seiner Lieblingsoffiziere mit dem Oberbefehl der Expedition zu betrauen. Und bis dahin, sagt Don Blas, wäre es ohnehin zu spät.« Pater Borellas zuckte mit den Schultern. »Ich denke, Don Blas hat recht.«

»Zu spät wofür?«

»Das muss Ihnen Don Blas selber erklären.«

Vivars Worte klangen jetzt unerbittlich. Er führte mit der Hand abrupte, heftige Gesten aus, die den Widerstand des Priesters zu dämpfen schienen. Als er geendet hatte, schien Alzaga, wenn auch widerstrebend, zumindest teilweise nachzugeben, und dieses Zugeständnis veranlasste Blas Vivar, sich Sharpe zuzuwenden. »Würde es Ihnen sehr viel ausmachen, Ihren Werdegang zu schildern, Lieutenant?«

»Meinen Werdegang?«

»Langsam? Einer von uns wird dolmetschen.«

Sharpe zuckte verlegen mit den Schultern. »Ich bin geboren am ...«

»Das meinte ich nicht«, sagte Vivar hastig. »Ihre Laufbahn als Soldat, Lieutenant. Wo war Ihre erste Schlacht?«

»In Flandern.«

»Fangen Sie damit an.«

Zehn unbehagliche Minuten lang sprach Sharpe über die Schlachten, an denen er teilgenommen hatte. Als Erstes erzählte er von Flandern, wo er einer der unseligen Zehntausend des Herzogs von York gewesen war, aber auf dem nebligen Schlachtfeld kaum etwas vom Feind gesehen hatte. Dann breitete er mit etwas mehr Selbstvertrauen seine Abenteuer in Indien aus. Der Saal mit seinen Säulen, nur erhellt vom Kiefernholzfeuer im Kamin und von billigen Binsenlichtern, war wohl ein ungewöhnlicher Ort, um von Seringapatam, Assaye, Argaum und Gawilgarh zu sprechen. Doch die anderen hörten aufmerksam zu, und selbst Alzaga schien fasziniert von den eigens für ihn übersetzten Schilderungen ferner Schlachten auf unfruchtbaren Ebenen. Louisa folgte mit leuchtenden Augen seiner Erzählung.

Als Sharpe seine Beschreibung des stürmischen Angriffs auf die Lehmmauern von Gawilgarh beendet hatte, herrschte einen Moment lang Schweigen. Im Kamin flammte Harz auf. Alzaga brach mit seiner rauen Stimme das Schweigen und Vivar übersetzte. »Pater Alzaga sagt, ihm sei zu Ohren gekommen, Tippu Sultan habe ein Uhrwerksmodell von einem Tiger besessen, der dabei ist, einen Engländer zu zerfleischen.«

Sharpe blickte dem Priester in die Augen. »Ein Modell in Lebensgröße, ja.«Wieder übersetzte Vivar. »Dieses Modell hätte er zu gern gesehen.«

»Ich nehme an, es befindet sich jetzt in London«, sagte Sharpe.

Der Priester musste die Herausforderung wahrgenommen haben, die diese Worte enthielten, denn er sagte etwas, das Vivar nicht übersetzte.

»Was war das eben?«, erkundigte sich Sharpe.

»Ach, nichts«, sagte Vivar ein wenig zu lässig. »Wo haben Sie nach Indien gekämpft, Lieutenant?«

»Pater Alzaga hat gesagt«, verblüffte Louisa die Anwesenden, indem sie die Stimme hob, womit sie zugab, dass sie offenbar Spanisch verstand, was sie bislang für sich behalten hatte, »dass er heute Nacht für die Seele von Tippu Sultan beten wird, weil Tippu Sultan viele Engländer abgeschlachtet hat.«

Bis jetzt hatte Sharpes Verlegenheit darüber angehalten, von seiner Laufbahn erzählen zu müssen, doch der Hohn des Priesters focht seinen Soldatenstolz an. »Und ich habe Tippu Sultan getötet.«

»Tatsächlich?« Pater Borellas Stimme klang schrill vor lauter Staunen.

»Im Tunnel hinter dem Wassergraben in Seringapatam.«

»Hatte er denn keine Leibgarde?«, fragte Vivar.

»Sechs Mann«, sagte Sharpe. »Ausgesuchte Krieger.« Er sah den Anwesenden in die Gesichter und wusste, dass er nicht mehr zu sagen brauchte. Alzaga verlangte nach einer Übersetzung und grunzte, als er sie vernommen hatte.

Vivar hingegen freute sich über Sharpes Leistungen und lächelte dem Schützen zu. »Und wo haben Sie nach Indien gekämpft, Lieutenant? Waren Sie letztes Jahr in Portugal?«

Sharpe berichtete, wie er auf der Rückkehr von Indien nach England in die Schlacht von Trafalgar geraten war, was Vivar ein gequältes Lächeln abrang, dann hatte man ihn in Shorncliffe zum Quartiermeister der 95th Rifles gemacht, weil Major Dunnett, damals noch Captain, Offiziere, die aus den Mannschaftsdienstgraden aufgestiegen waren, wie die Pest hasste. Dass er auch als eine Art Geheimagent dabei gewesen war, als die britische Flotte Kopenhagen bombardiert und schließlich die dänische Flotte gekapert hatte, verschwieg er. Stattdessen berichtete er von den portugiesischen Schlachtfeldern von Rolica und Vimeiro, wo Sir Arthur Wellesley, ehe er nach England zurückbeordert wurde, die Franzosen niedergemacht hatte. »Auch dort war ich nur Quartiermeister«, sagte er, »aber ich habe einige Kämpfe miterlebt.«

Wieder herrschte Schweigen, und Sharpe, der den feindseligen Priester beobachtete, merkte, dass er eine Art Prüfung bestanden hatte. Alzaga ergriff mit deutlichem Widerwillen das Wort, und seine Worte sorgten dafür, dass Vivar wieder lächeln konnte.

»Sie müssen verstehen, Lieutenant, dass ich für mein Vorhaben den Segen der Kirche brauche, und wenn Sie mir helfen sollen, muss auch das von der Kirche genehmigt werden. Der Kirche wäre es lieber, wenn ich spanische Soldaten einsetzen würde, aber das ist leider nicht möglich. Nach einigem Zögern akzeptiert nun Pater Alzaga, dass Ihre Erfahrung im Kampf uns ein wenig zugutekommen wird.«

»Aber was ...«

»Später.« Vivar hob die Hand. »Sagen Sie mir zunächst, was Sie über Santiago de Compostela wissen.«

»Nur, was Sie mir erzählt haben.«

Daraufhin erzählte Vivar, dass vor tausend Jahren Schäfer Myriaden von Sternen in einem Nebelschleier gesehen hätten, der über dem Hügel hing, auf dem nun die Stadt erbaut sei. Die Schäfer hätten Theudemirus, dem Bischof von Iria Flavia, von ihrer Vision berichtet, und er habe sie als Zeichen des Himmels erkannt. Er habe befohlen, den Hügel auszuheben, und in seinen Eingeweiden habe man das lang vergessene Grabgewölbe Santiagos, des heiligen Jakob, entdeckt. Seitdem sei die Stadt als Santiago de Compostela bekannt, als St. Jakob vom Sternenfeld.