Выбрать главу

Schütze Cooper durchschnitt die Fußfessel an Lieutenant Sharpes Maultier und zog das störrische Tier die Straße entlang. Murray versetzte dem Tier mit seinem Degen einen Hieb aufs Hinterteil, dass es einen Satz vorwärts tat.

»Warum lassen Sie es nicht laufen?«, rief er Sharpe zu.

»Weil ich es, verdammt noch mal, nötig brauche.« Sharpe wies Cooper an, das Maultier von der Straße weg den nördlichen Hügel hinauf zu führen, um das Schussfeld für Dunnetts Kompanien frei zu machen.

Die Grünjacken waren auf Schützenlinie gedrillt, eine lockere Formation, die den Männern ermöglichte, in Deckung zu gehen, oder sich als Scharfschützen dem Feind zu stellen. Doch auf diesem Rückzug bildeten die Männer in Grün ebenso dichte Reihen wie die Rotröcke und benutzten ihre Gewehre, um Salven abzuschießen.

»Formiert euch! Formiert euch!«, brüllte Sergeant Williams den Leuten aus Murrays Kompanie zu.

Die Franzosen rückten vorsichtig bis zur Brücke vor. Sie waren vielleicht hundert Mann stark, eine berittene Vorhut, die entsetzlich müde und schwach aussah. An sich hätte bei diesem Wetter und auf diesen steinigen Gebirgsstraßen kein Pferd in den Kampf geführt werden dürfen, doch der Kaiser hatte diese Franzosen ausgeschickt, um das britische Heer endgültig zu vernichten, daher würde man die Pferde notfalls zu Tode reiten, wenn das zum Sieg verhelfen konnte. Ihre Hufe waren in Lumpen gewickelt, damit sie auf den eisglatten Straßen besseren Halt fanden.

»Schützen! Schwerter aufgepflanzt!«, befahl Dunnett. Die langen Schwertbajonette wurden aus den Scheiden gezogen und auf die Mündungen der geladenen Gewehre aufgesetzt. Der Befehl war wahrscheinlich unnötig. Die Franzosen machten nicht den Eindruck, als hätten sie einen weiteren Angriff vor, doch aufgepflanzte Bajonette waren Vorschrift, wenn man Kavallerie gegenüberstand, also erteilte der Major den Befehl.

Sharpe lud seine Büchse. Captain Murray wischte Feuchtigkeit von der Klinge seines schweren Kavalleriedegens, der ebenso wie das Gewehr des Lieutenants eine Schrulle war. Offiziere der Rifles hatten eigentlich einen leichten Säbel zu tragen, doch Murray zog den Reiterdegen mit der geraden Klinge vor, der allein mit seinem Eigengewicht einem Mann den Schädel spalten konnte.

Die feindlichen Dragoner saßen ab. Sie ließen ihre Pferde an der Brücke zurück und bildeten eine Gefechtsreihe, die sich zu beiden Seiten der Straße ausbreitete.

»Die wollen nicht mitspielen«, sagte Murray vorwurfsvoll, dann drehte er sich in der Hoffnung um, einen Blick auf die britische Kavallerie zu erhaschen. Doch es war nichts zu sehen.

»Rückzug nach Kompanien!«, rief Major Dunnett. »Johnny! Führen Sie Ihre beiden zurück!«

»Fünfzig Schritt, los!« Murrays beiden Kompanien zogen sich stolpernd die vierzig Yards zurück, begleitet von Lieutenant Sharpe und seinem Maultier. Dann bildeten sie eine neue Linie quer über die Straße. »Vordere Reihe auf die Knie!«, brüllte Murray.

»Immer laufen wir davon.« Der das sagte, war Schütze Harper, ein hünenhafter Mann. Er war ein Riese von einem Iren in einem Heer klein gewachsener Männer und ein berüchtigter Unruhestifter. Er hatte ein breites, flaches Gesicht mit sandfarbenen Brauen, die jetzt vom gefrorenen Schneeregen weiß waren. »Warum kehren wir nicht um und erwürgen die Hundesöhne? Die müssen, verdammt noch mal, was zu essen in ihren verdammten Tornistern haben.« Er drehte sich um und hielt Ausschau nach Westen. »Und wo zum Teufel bleibt unsere verdammte Kavallerie?«

»Schnauze! Augen geradeaus!« Es war Sharpe, der den Befehl gab.

Harper bedachte ihn mit einem frechen, verächtlichen Blick, ehe er sich wieder umdrehte, um zu beobachten, wie sich Major Dunnetts Kompanien zurückzogen. Die Dragoner waren als dunkle Schemen in einiger Entfernung zu erkennen. Ab und zu wurde eine Muskete abgefeuert, und der Wind wehte einen Streifen grauen Rauchs herüber. Ein Schütze wurde ins Bein getroffen und fluchte auf den Feind.

Sharpe schätzte, dass noch etwa zwei Stunden bis Mit tag blieben. Der Rückzug unter Feuer würde am frühen Nachmittag ein Ende nehmen. Dann musste er vorauseilen, um einen Viehstall oder eine Kirche zu finden, wo die Männer die Nacht verbringen konnten. Er hoffte, dass ein Verpflegungsoffizier mit einem Sack Mehl auftauchen würde, das mit Wasser vermischt und über einem Feuer aus Kuhfladen geröstet als Abendmahlzeit und Frühstück herhalten musste. Mit etwas Glück würde ein Pferdekadaver sie mit Fleisch versorgen. Am nächsten Morgen würden die Männer mit Magenkrämpfen aufwachen. Wieder würden sie sich zu Kolonnen formieren. Sie würden losmarschieren, dann würden sie kehrtmachen, um sich dieselben Dragoner vom Leib zu halten. Dragoner, denen es im Augenblick wenig auszumachen schien, die Schützen ziehen zu lassen.

»Die sind heute nicht besonders tatendurstig«, murrte Sharpe.

»Sie träumen von daheim«, sagte Murray wehmütig. »Von Eintopf mit Huhn und Knoblauch, herbem Rotwein und einem drallen Mädchen im Bett. Wer will schon in einer elenden Einöde wie dieser verrecken, wenn das alles zu Hause auf ihn wartet?«

»Wir ziehen uns in Kolonnen von halber Kompaniestärke zurück!« Überzeugt, dass der Feind es nicht riskieren würde, näher heranzukommen, schickte Major Dunnett sich an, seinem Gesprächspartner einfach den Rücken zu kehren und davonzumarschieren. »Captain Murray, Ihre Männer zuerst, wenn ich bitten dürfte.«

Doch ehe Murray noch einen Befehl erteilen konnte, rief Sharpe eine eindringliche Warnung aus: »Achtung, Kavallerie von hinten!«

»Das sind doch unsere, Sie Dummkopf!« Dunnett verbarg seine Verachtung für den Quartiermeister nicht

.»O mein Gott!« Murray hatte sich umgedreht, um die Straße zu überblicken, auf der die vier Kompanien ihren Rückzug bewerkstelligen mussten. »Hintere Reihe kehrt! Major Dunnett! Das sind Froschfresser!«

Gott allein wusste, wie das geschehen konnte, aber hinter ihnen war ein neuer Feind aufgetaucht. Es blieb keine Zeit, sich zu fragen, woher er gekommen sein mochte, es galt nur noch, kehrtzumachen und sich den drei Schwadronen zu stellen. Die französischen Kavalleristen ritten mit offenen Mänteln heran, unter denen die mit rosa Aufschlägen versehenen grünen Röcke zu erkennen waren. Sie hatten die Säbel gezogen. Angeführt wurden sie seltsamerweise von einem berittenen Jäger, einem Offizier, der die grüne Jacke, die scharlachrote Pelisse und die schwarze Pelzmütze der kaiserlichen Garde trug. Neben ihm ritt auf einem großen Rotschimmel eine ebenso merkwürdige Gestalt: ein Mann in einem schwarzen Reitmantel und glänzend hellen Stiefeln.

Dunnett starrte den neuen Feind entgeistert an. Einzelne Schützen luden hastig ihre Büchsen. Sharpe kniete nieder, stützte seine Büchse ab, indem er den Tragriemen um den linken Ellbogen schlang, und gab einen Schuss auf den Gardeoffizier ab.

Er verfehlte ihn. Schütze Harper lachte höhnisch.

In den feindlichen Reihen ertönte eine Trompete. Ihr schriller Klang verhieß den Tod.

Der Gardeoffizier hob den Säbel. Der Mann im Zivilmantel neben ihm zog einen langen schlanken Degen. Die Kavallerie beschleunigte zum Trab und Sharpe konnte das Trommeln der Hufe auf dem gefrorenen Boden hören.

Das Dragonerregiment ritt immer noch in Schwadronen, die nach der Farbe ihrer Pferde zu unterscheiden waren. Die erste Schwadron saß auf Rappen, die zweite auf Braunen, die dritte auf Füchsen. Ein solches Arrangement war zu Friedenszeiten durchaus üblich, doch äußerst selten im Feld, wo sich die Vorschrift wegen der Remonten bald nicht mehr einhalten ließ. Die Trompeter saßen auf Grauschimmeln, ebenso der Mann, der die Standarte mit dem kaiserlichen Adler auf der Stange mitführte. Das kleine Fahnentuch hob sich farbenfroh vor den tief hängenden Wolken ab. Noch heller glänzten die Säbel der Dragoner, wie Klingen aus fahlem Eis.