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»Ich habe das Ungeziefer mit dem Bügeleisen vertrieben«, sagte sie fröhlich und hob eine Naht am Kragen an, um ihm zu beweisen, dass die Läuse tatsächlich mithilfe des zerbrochenen Säbels ausgerottet worden waren, den sie als Bügeleisen verwendet hatte.

»Ich danke Ihnen.« Sharpe nahm den Rock entgegen und sah, dass sie den Kragen gewendet, die Ärmel ausgebessert und die schwarzen Aufschläge geflickt hatte. Bei seiner Hose ließ sich das ursprüngliche Grau ohnehin nicht wieder herstellen, daher hatte sie Flicken aus braunem Wollstoff auf die schlimmsten Risse aufgesetzt. »Sie sehen aus wie ein Harlekin, Lieutenant.«

»Wie ein Narr?«

Ihre Unterhaltung fand am Abend jenes Tages statt, an dem Harper Vivar von der Nutzlosigkeit überzeugt hatte, die Freiwilligen auszubilden. Sharpe ging, wie an den vorangegangenen Abenden auch, mit Louisa auf der Festungsmauer spazieren. Diese Momente waren ihm teuer. Während die Angst vor der Niederlage in ihm heranwuchs, bot jedes Gespräch, für das er sich Zeit nahm, vorübergehend Hoffnung. Er liebte es, ihr vom Feuerschein erleuchtetes Gesicht zu betrachten, liebte die Sanftheit, die gelegentlich ihre Lebhaftigkeit dämpfte. Als sie sich jetzt gegen die Brustwehr lehnte, war sie in sanfter Stimmung. »Glauben Sie, mein Onkel und meine Tante werden in Santiago sein?«

»Möglich.«

Louisa war in den Mantel eines Cazadors gehüllt und trug eine eng anliegende Kappe. »Vielleicht wird meine Tante mich nicht wiederhaben wollen. Vielleicht empfindet sie mein schreckliches Betragen als so skandalös, dass ich aus Haus und Gemeinde verstoßen werde.«

»Halten Sie das für möglich?«

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Louisa nachdenklich. »Manchmal habe ich den Verdacht, dass ich es mir wünsche.«

»Wünschen?« Sharpe war überrascht.

»Dem größten Abenteuer der Welt vorbehaltlos ausgesetzt zu werden? Warum denn nicht?« Louisa lachte. »Als Kind, Lieutenant, hat man mir weisgemacht, es sei gefährlich, die Dorfwiese zu überqueren. Dort könnten mich die Zigeuner holen. Und sollten jemals Soldaten im Dorf erscheinen ...« Sie schüttelte den Kopf, um die enorme Gefahr anzudeuten, die ein derartiges Ereignis in den Augen ihrer Umgebung war. »Nun stecke ich mitten im Krieg und befinde mich ausschließlich in Gesellschaft von Soldaten!« Sie lächelte über ihre missliche Lage, dann bedachte sie Sharpe mit einem Blick, in dem sich Neugier und Zärtlichkeit vermengten. »Don Blas sagt, Sie seien der beste Soldat, dem er je begegnet ist.«

Sharpe fand es seltsam, dass sie Vivars Vornamen benutzte. Dann nahm er an, das Kompliment entspreche einer Gepflogenheit der Hidalgos. »Er übertreibt.«

»Wörtlich hat er gesagt«, Louisa sprach langsam, und Sharpe spürte, dass sie ihm eine Botschaft übermittelte, »wenn Sie mehr Vertrauen in sich selbst hätten, wären Sie der beste Soldat überhaupt. Wahrscheinlich hätte ich Ihnen das nicht sagen dürfen?« Er fragte sich, ob diese Kritik berechtigt war. Louisa, die sein Schweigen fälschlich als Betroffenheit interpretierte, entschuldigte sich.

»Ich bin sicher, dass es der Wahrheit entspricht«, sagte Sharpe hastig.

»Sind Sie gern Soldat?«

»Ich habe immer davon geträumt, einen Bauernhof zu besitzen. Gott weiß warum, denn ich verstehe nichts von diesem Gewerbe. Vermutlich würde ich die Rüben verkehrt herum einpflanzen.« Er blickte auf die Lagerfeuer im tiefen Taclass="underline" winzige Funken von Wärme und Licht in der weiten kalten Finsternis. »Ich habe mir vorgestellt, ein paar Pferde im Stall zu haben, einen Bach zum Angeln ...«, er unterbrach sich, zuckte mit den Schultern, »... und Kinder.«

Louisa lächelte. »Ich habe immer davon geträumt, in einem großen Schloss zu leben. Dort sollte es Geheimgänge geben, Verliese und geheimnisvolle Reiter, die des Nachts mit Botschaften eintreffen. Ich hätte es sicherlich vorgezogen, zu Zeiten der Königin Elizabeth zu leben. Katholische Priester im Gebüsch und Spanier im Ärmelkanal! Aber diese alten Feinde sind inzwischen unsere Freunde, nicht wahr?«

»Selbst die Priester?«

»Sie sind nicht die Ungeheuer, für die ich sie gehalten habe.« Sie schwieg eine Sekunde lang. »Aber wenn man zu streng nach einem Glaubensbekenntnis erzogen ist, wird man zwangsläufig neugierig auf den Feind, ist es nicht so? Und uns Engländern hat man immer beigebracht, die Katholiken zu hassen.«

»Mir nicht.«

»Aber Sie wissen, was ich meine. Sind Sie denn nicht neugierig auf die Franzosen?«

»Eigentlich nicht.«

Louisa runzelte die Stirn. »Ich bin jedenfalls neugierig auf die Katholiken. Derzeit hege ich sogar eine höchst unprotestantische Zuneigung zu ihnen. Ich bin sicher, Mister Bufford wäre empört.«

»Wird er je davon erfahren?«, fragte Sharpe.

Louisa zuckte mit den Schultern. »Ich werde ihm meine Abenteuer schildern müssen, nicht wahr? Und ich werde gestehen müssen, dass die Inquisition mich nicht gefoltert oder versucht hat, mich auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.« Sie starrte hinaus in die Nacht. »Eines Tages wird mir das alles wie ein Traum vorkommen.«

»Wirklich?«

»Ihnen natürlich nicht«, sagte sie wehmütig. »Mir dagegen wird es eines Tages schwerfallen zu glauben, dass sich alles so abgespielt hat. Ich werde Mrs Bufford aus Godalming sein, eine höchst respektable, langweilige Dame.«

»Sie könnten doch hierbleiben«, sagte Sharpe und fand, dass er sehr tapfer sei, so etwas zu äußern.

»Könnte ich?« Louisa wandte sich ihm zu. Zu ihrer Linken war ein Glühen zu erkennen, wo einer der Schützen an seiner Pfeife zog, doch sie achtete nicht darauf. Sie wandte sich ab und zog ein unsichtbares Muster auf der Brustwehr nach. »Wollen Sie damit sagen, dass das britische Heer in Portugal bleiben wird?«

Die Frage überraschte Sharpe, der geglaubt hatte, auf eine intimere Gesprächsebene vorgedrungen zu sein. »Das weiß ich nicht.«

»Ich glaube, die Lissaboner Garnison ist längst aufgelöst«, sagte Louisa mit tonloser Stimme. »Und wenn nicht, was für einen Nutzen hätte so eine kleine Garnison, wenn die Franzosen gen Süden marschieren? Nein, Lieutenant, der Kaiser hat uns eine tüchtige Lehre erteilt, und ich fürchte, wir werden nicht noch einmal wagen, unser Heer aufs Spiel zu setzen.«

Sharpe fragte sich, woher sie ihre festen Überzeugungen zu Fragen der Strategie hatte. »Als ich sagte, sie könnten hier bleiben, habe ich gemeint ...«, begann er linkisch.

»Verzeihen Sie mir, ich weiß«, unterbrach Louisa ihn rasch. Dann herrschte zwischen ihnen ein ausgesprochen verlegenes Schweigen, ehe sie erneut das Wort ergriff. »Ich weiß, was Sie sagen wollten, und ich bin mir der Ehre nur allzu bewusst, die Sie mir erweisen, aber ich will nicht, dass Sie etwas von mir verlangen.« Sie sprach ihre förmliche Ablehnung mit sehr kleinlauter Stimme aus.

Sharpe hatte sagen wollen, dass er bereit sei, ihr alles in seiner Macht Stehende zu bieten. Das mochte nicht viel sein. Was das Geld anging, war es nichts, doch in Bezug auf sklavische Anbetung alles. Er hatte es nicht gesagt, doch Louisa hatte sein zusammenhangloses Gerede richtig verstanden, und nun fühlte er sich peinlich berührt und zurückgewiesen.