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»Er könnte sich veranlasst sehen, ihr den verdammten Kopf abzuhacken«, sagte Sharpe brüsk.

»Es würde mir leidtun, wenn es dazu käme«, sagte Vivar langsam. »Sehr leid.«

»Wirklich?« Zum ersten Mal hatte die Stimme des Spaniers eine echte Gefühlsregung verraten. Sharpe starrte Vivar an und wiederholte seine vorwurfsvolle Frage: »Wirklich?«

»Warum denn nicht? Natürlich kenne ich sie kaum, aber sie erscheint mir als höchst bewundernswerte junge Dame.« Vivar hielt inne, offenbar um Louisas Tugenden zu überdenken, dann zuckte er mit den Schultern. »Zu schade, dass sie eine Ketzerin ist, aber besser eine Methodistin als ein Ungläubiger wie Sie. Wenigstens ist sie auf halbem Wege in den Himmel.«

Sharpe empfand einen Anflug von Eifersucht. Es war nicht zu übersehen, dass Blas Vivar sich mehr für Louisa interessierte, als er bisher geglaubt oder für möglich gehalten hatte.

»Nicht, dass es darauf ankäme«, sagte Vivar lässig. »Ich hoffe, dass sie am Leben bleibt. Und wenn sie stirbt? Dann werde ich für ihre Seele beten.«

Sharpe erschauerte in der Kälte und fragte sich, wie viele Seelen wohl Gebete brauchen würden, wenn die nächsten zwei Tage verstrichen waren.

Vivars Truppe schleppte sich durch einen kalten Nieselregen, der gegen Ende des Tages seinen Höhepunkt erreicht hatte.

Sie folgten Gebirgspfaden, die sich über kahle Ausläufer schlängelten und durch wilde Täler führten. Einmal passierten sie ein Dorf, das die Franzosen geplündert hatten. Kein Gebäude war intakt, kein Mensch zu sehen, kein Tier am Leben geblieben. Vivars Männer sagten nichts, als sie an den verkohlten Balken vorbeikamen, von denen langsam der Regen tropfte.

Sie waren lange vor Mittag aufgebrochen, denn sie mussten vor Einbruch der Dunkelheit viele Meilen zurücklegen. Vivars Cazadores waren vorn. Eine Schwadron berittener Kavalleristen patrouillierte vor der Marschkolonne das Land. Hinter dieser Vorhut kamen jene Cazadores, die ihre Pferde führten. Dahinter marschierten die Freiwilligen. Die beiden Priester ritten direkt vor Sharpe und seinen Rifles her, die die Nachhut bildeten. Die Truhe reiste mit den beiden Priestern. Man hatte die kostbare Fracht auf einem macho festgebunden, einem Maultier, dessen Stimmbänder durchschnitten waren, damit es nicht schreien und den Feind warnen konnte.

Sergeant Patrick Harper freute sich, in den Kampf ziehen zu können. An seinem abgewetzten Ärmel leuchteten die weißseidenen Streifen. »Den Burschen geht es gut, Sir. Meine Jungs sind entzückt, wahrhaftig.«»Sie alle sind Ihre Jungs«, sagte Sharpe. Damit meinte er, dass Harpers besondere Verpflichtung über die Gruppe irischer Soldaten hinausging.

Harper nickte. »So ist es, Sir, wahrhaftig.« Er warf einen raschen Seitenblick auf die marschierenden Grünjacken und war eindeutig der Meinung, dass es keines weiteren Ansporns bedurfte, um ihre Schritte zu beschleunigen. »Sie werden froh sein, gegen die Schweinehunde antreten zu können, wahrhaftig.«

»Einige werden sich doch sicher Sorgen machen?«, fragte Sharpe in der Hoffnung, Harper über einen angeblichen Vorfall zu Anfang der Woche auszuhorchen, doch der Sergeant ging wohlgemut über seine Andeutung hinweg.

»Man bekämpft diese verfluchten Froschfresser nicht, ohne sich Sorgen zu machen, Sir, aber denken Sie nur, wie groß die Sorgen der Franzosen wären, wenn sie wüssten, dass die Rifles kommen. Noch dazu irische Rifles!«

Sharpe beschloss, ihn direkt zu fragen. »Was ist zwischen dir und Gataker vorgefallen?«

Harper warf ihm einen durch und durch unschuldigen Blick zu. »Nichts, Sir.«

Sharpe drang nicht in ihn. Er hatte gehört, dass Gataker, ein schlauer und gerissener Mann, sich gegen ihre Einbeziehung in Vivars Plan ausgesprochen hatte. Die Grünjacken seien nicht dazu da, Privatfehden auszutragen, hatte er angeführt, vor allem solche, bei denen mit einiger Sicherheit die meisten von ihnen umkommen oder verwundet würden. Sein Pessimismus hätte sich leicht ausbreiten können, aber Harper hatte ihm rücksichtslos Einhalt geboten, und Gatakers blaues Auge war mit einem Sturz von der Treppe im Torhaus erklärt worden. »Ungeheuer dunkles Treppenhaus«, mehr hatte Harper nicht dazu gesagt.

Es waren genau diese raschen Lösungen, um derentwillen Sharpe die Beförderung des Iren betrieben hatte, und sie hatte sich augenblicklich bezahlt gemacht. Harper hatte ohne Aufhebens die Befehlsgewalt übernommen, und wenn seine Autorität eher auf seine starke Persönlichkeit zurückzuführen war als auf die seidenen Streifen an seinem rechten Ärmel, umso besser. Captain Murrays letzte Worte hatten sich bestätigt. Mit Harper an seiner Seite hatte Sharpe nur halb so viele Probleme.

Die Schützen marschierten in die Nacht hinein. Es wurde dunkel wie im Hades, und obwohl gelegentlich ein Granitausläufer noch schwärzer aufragte als die umgebende Finsternis, kam es Sharpe so vor, als würden sie blind durch ein einförmiges Land ziehen.

Aber es war das Land der Freiwilligen von Blas Vivar. Unter ihnen gab es Hirten, die diese Hügel so gut kannten, wie Sharpe in seiner Kindheit die Gassen um St. Giles in London gekannt hatte. Diese Männer waren nun als Führer über die gesamte Kolonne verteilt und wurden mithilfe der Zigarren, die Vivar an seine kleine Streitmacht verteilt hatte, dazu ermuntert, ihren Dienst auszuüben. Er war sicher, dass es so tief in den Bergen keine Franzosen gab, die den Tabak hätten riechen können, und die kleinen glühenden Punkte dienten als winzige Leuchtfeuer, um die Marschierenden zusammenzuhalten.

Trotz der Führer und der Zigarren verlangsamten sich in der Nacht ihre Schritte, und sie wurden noch langsamer, als der Regen die Pfade schlüpfrig machte. Die zahlreichen Wasserläufe waren angeschwollen, und Vivar bestand darauf, dass jeder von ihnen mit Weihwasser besprüht wurde, ehe die Vorhut sie überquerte. Die Männer waren müde und hungrig, und in der Dunkelheit machten ihnen ihre Ängste zu schaffen, die Ängste von Männern, die in einen ungleichen Kampf ziehen und in denen Besorgnis schwelt, die leicht in pures Entsetzen umschlägt.

Zwei Stunden vor Morgengrauen hörte der Regen auf. Es war windstill. Der Frost machte das Gras brüchig. Die Zigarren waren aufgeraucht, aber mit ihrer Nützlichkeit war es ohnehin vorbei, denn die letzten Täler vor der Stadt waren in Nebel gehüllt.

Als der Regen aufhörte, gab Vivar den Befehl zum Anhalten.

Er zog nicht weiter, weil Gefahr bestand, dass die Franzosen in den Bergdörfern um die Stadt stark bemannte Wachtposten stationiert hatten. Die Flüchtlinge aus Santiago de Compostela wussten nichts von solchen Vorsichtsmaßnahmen, aber Vivar wollte sichergehen, indem er befahl, jedes Ausrüstungsteil festzuzurren, das eventuell rasseln oder klappern könnte. Musketen und Gewehrgurte, Feldflaschen und Kochgeschirr, alles wurde umwickelt. Als sie endlich weitermarschierten, kam es Sharpe dennoch vor, als würde die Truppe genügend Lärm veranstalten, um die Toten aufzuwecken: Hufe klapperten auf Stein und eisenbeschlagene Stiefelabsätze stampften die gefrorene Erde. Doch kein französischer Vorposten durchbrach die Finsternis mit einer Salve Musketenfeuer, das die ferne Stadt gewarnt hätte.

Nun gingen die Schützen voran. Vivar folgte mit seiner Kavallerie, aber die Grünjacken übernahmen die Führung, weil sie die erfahrenen Infanteristen waren, die in vorderster Linie angreifen sollten. Die Kavallerie war nicht in der Lage, eine befestigte Stadt zu überfallen. Nur die Infanterie konnte so etwas wagen, und diesmal mussten sie es ohne geladene Schusswaffen tun. Sharpe hatte widerstrebend eingewilligt, dass seine Schützen den Angriff allein mit dem Schwertbajonett ausführen würden.

Ein Steinschloss war eine gefährliche Sache. Selbst wenn der Hahn nicht gespannt war, konnte es vorkommen, dass die Waffe schoss, falls die Spitze des Feuersteins an einem Zweig hängen blieb, sich verschob und dann wieder loskam. Jeder Schuss, und sei es aus Versehen, würde die französischen Wachen alarmieren.