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»Der Karren! Der Karren!« Sharpe riss seinen Degen von dem Mann los, der vergessen hatte, seine Waffe zu laden. Harper stieß mit dem Gewehrkolben auf den letzten Franzosen ein, dann rief er den Schützen zu, sie sollten den Karren aus dem Weg räumen. »Zieht, ihr Halunken! Zieht!« Die Grünjacken warfen sich gegen die Räder und langsam schob sich der Karren quietschend ins Freie, wo die Franzosen sich die Schusslinie frei geräumt hatten.

Die meisten französischen Wachsoldaten waren über die vor ihnen liegende Straße geflohen. Es handelte sich um eine schmale, gepflasterte Straße mit einem Rinnstein in der Mitte. Links und rechts zweigten andere Straßen ab, dort entlang, wo einst die Stadtmauer gestanden hatte. Überall strömten Franzosen aus den Häusern und einige blieben stehen, um auf die Rifles zu schießen. Eine Pistolenkugel prallte vom Gitter des Fensters direkt neben Sharpes Kopf ab.

Sharpe entfernte die Reste des Wachfeuers, um einen Durchgang für Vivars Berittene zu schaffen. Er stieß mit dem Fuß flammende Holzscheite in einen Durchgang und versengte sich dabei Stiefel und Hosenbeine. Die Schützen suchten Deckung in den Torwegen, stopften Kugeln in Mündungen und stießen mit ihren eisernen Ladestöcken nach. Auf der Straße erklangen Rufe, und der erste Schütze, der geladen hatte, schoss auf den Feind.

Sharpe drehte sich um und entdeckte in kaum zweihundert Yards Entfernung die drei Glockentürme der Kathedrale. Die schmale Straße verlief bergauf und bog fünfzig Schritte weiter oben sanft nach links ab.

Der Nebel wurde immer lichter, obwohl das eigentliche Morgengrauen noch lange nicht da war. Ein paar Franzosen kamen in Reithosen, Stiefeln und Hemden aus den Häusern gerannt, Waffen und Helme noch in der Hand. Ein feindlicher Dragoner geriet in Panik, rannte auf die Grünjacken zu und wurde vom Schlag eines Gewehrkolbens am Kopf getroffen. Andere suchten Schutz in Toreinfahrten, um auf die Eindringlinge zu schießen.

»Feuer!«, rief Sharpe. Weitere Büchsen krachten, trieben den verwirrten Feind tiefer in die Stadt hinein. Sharpes Büchse schlug gegen seine Schulter wie ein Maultier, und das brennende Pulver aus der Pfanne versengte seine Wange. Harper war damit beschäftigt, die Leichen der Franzosen beiseite zu räumen. Er zerrte die Körper über den gefrorenen Boden in den zentralen Rinnstein.

Unheimliche Stille breitete sich aus. Die Schützen hatten den Überraschungseffekt geschickt ausgenutzt, und die Stille kennzeichnete jene kostbaren und gefährlichen Augenblicke, in denen sich die Franzosen über den unvermuteten Alarm klar zu werden versuchten. Sharpe wusste, dass bald mit einem Gegenangriff zu rechnen war, doch im Augenblick herrschte nur diese gespenstische, unerwartete und bedrohliche Stille.

Er brach sie, indem er seinen Männern zurief, wo sie in Stellung gehen sollten. Er platzierte eine Abteilung so, dass sie die westliche Querstraße sicherte, eine andere, um nach Osten Ausschau zu halten. Die Mehrzahl der Rifles behielt er bei sich, um die schmale Straße zu bewachen, die ins Stadtzentrum führte. Seine Stimme hallte von den steinernen Mauern wider.

Plötzlich wurde ihm die Dreistigkeit dessen klar, was er getan und Blas Vivar anzuordnen gewagt hatte. Eine französische Trompete blies zur reveille, dann verkündete sie den allgemeinen Alarm und stimmte übergangslos das Angriffssignal an. Eine Glocke begann ihr eindringliches Geläut, und tausend Tauben erhoben sich vom Spitzdach der Kathedrale, um die Luft mit erschrockenem Geflatter zu erfüllen.

Sharpe drehte sich um und spähte nach Norden. Er fragte sich, wann Vivars Hauptstreitmacht eintreffen würde.

»Sir!« Harper hatte die Tür des nächststehenden Hauses eingetreten, wo sich ein halbes Dutzend Franzosen halb von Sinnen vor Angst im Wachraum verkrochen hatten. Im Herd brannte ein Feuer und ihr Bettzeug war wahllos über den kahlen Holzboden verstreut. Sie hatten geschlafen, und ihre Musketen standen noch neben der Tür.

»Holt die Waffen heraus!«, befahl Sharpe. »Sims! Tongue! Cameron!«

Die drei Schützen kamen zu ihm gerannt.

»Schneidet ihnen Riemen, Hosenträger, Schnürsenkel, Gurte und Knöpfe ab. Dann lasst die Schweinehunde, wo sie sind. Nehmt ihre Bajonette mit. Nehmt, verdammt noch mal, alles, was ihr wollt, aber beeilt euch!«

»Jawohl, Sir.«

Harper ging auf der Straße vor dem Wachraum neben Sharpe in die Hocke. »Das war viel leichter, als ich mir ausgerechnet hatte.«

Sharpe hatte angenommen, der große Ire habe keine Angst gehabt, doch seine Worte deuteten eine Erleichterung an, die er nur zu gut nachempfinden konnte. Als er von der Kirche weg bergauf gerannt war, hatte Sharpe erwartet, dass aus der Gebäudereihe mit Blitz und Donner eine überwältigend starke Verteidigung erfolgen würde. Stattdessen hatte eine halb benommene Feldwache zwei Salven abgefeuert und war dann geflohen.

»Sie haben uns nicht erwartet«, bot er als Erklärung an.

Ein weitere feindliche Trompete nahm den dringlichen Ruf auf und versuchte das Bellen der Hunde und das Glockengeläut zu übertönen. Die nächstgelegenen Straßen waren jetzt leer bis auf den zerreißenden Nebel und die gekrümmten Gestalten zweier Franzosen, die umgekommen waren, als sie aus ihren Quartieren traten. Sharpe wusste, dass dies der Moment war, in dem der Feind seinen Gegenangriff ausführen musste. Wenn auch nur ein französischer Offizier seinen Verstand beisammen hatte und zwei Kompanien Soldaten auftreiben konnte, waren die Rifles geschlagen. Er blickte nach rechts, doch von den Cazadores war immer noch nichts zu entdecken.

»Laden! Dann schussbereit bleiben!«

Sharpe lud seine eigene Waffe. Als er die Patrone aufbiss, schmeckte der Salpeter bitter und unangenehm. Noch ein paar Schüsse, das wusste er, dann würde er von dem salzigen Pulvergeschmack rasenden Durst bekommen. Er schüttete das Pulver in die Gewehrmündung, rammte dann Kugel und Papierhülle hinab in den Lauf, schob den Ladestock ein und füllte die Pfanne mit Zündpulver.

»Sir! Sir!« Es war Dodd, einer der Männer, die die Straße nach Westen sicherten. Er schoss. »Sir!«

»Ruhe bewahren!« Sharpe rannte zur Straßenecke und sah einen einzelnen französischen Offizier zu Pferde. Dodds Kugel hatte den Mann verfehlt, der noch siebzig Schritte entfernt war. »Ganz ruhig jetzt!«, rief Sharpe. »Nicht schießen!«

Der französische Offizier, ein Dragoner, zog mit einer Geste, die ebenso geringschätzig wie tapfer war, seinen Säbel. Sharpe bereitete sich zum Schuss vor. »Harvey! Jenkins!«

»Sir?« Beide Rifles antworteten zugleich.

»Holt euch den Schweinehund, wenn er kommt.«

Sharpe blickte sich um. Er fragte, wo zum Teufel Vivars Cazadores blieben. Hufgetrappel veranlasste ihn, sich wieder umzudrehen, und er sah, dass der Offizier nun im Trab die Straße entlang ritt. Aus den Nebenstraßen gesellten sich weitere Dragoner zu ihm. Sharpe zählte zehn Reiter, dann noch einmal zehn. Mehr konnte der Feind nicht aufbringen. Die übrigen Kavalleristen in der Stadt waren wohl immer noch dabei, ihre Pferde zu satteln oder auf Befehle zu warten.

Der Franzose, der zu den tapfersten gehörte, denen Sharpe je begegnet war, bellte ein Kommando. »Casques en tête!« Die Reiter setzten ihre federgeschmückten Helme auf. Die Straße war nur so breit, dass drei Berittene nebeneinander Platz hatten. Die Dragoner hoben ihre Säbel.

»Blöder Schweinehund«, verfluchte Harper den französischen Offizier, der in seinem Trachten nach Ruhm Männer in den Tod führte.

»Anlegen!« Sharpe gefiel gar nicht, was er zu tun hatte. Auf jeden der vorderen Franzosen kam ein halbes Dutzend Gewehre. Und wenn sie starben, würden sie für die Nachkommenden die Straße blockieren. »Ruhig Blut, Jungs! Wir werden uns diese Schweinehunde allesamt holen! Tief zielen!«

Die Büchsen senkten sich. Gebogene Hähne wurden gespannt. Hagman hatte das rechte Knie auf den Boden gestützt. Dann verlagerte er sein Gewicht so nach hinten, dass er auf der Ferse kauerte. Dadurch hatte seine linke Hand, gestützt auf sein linkes Knie, die schwere Waffe samt Schwertbajonett besser im Griff. Einige der Rifles hatten eine ähnliche Haltung angenommen, während andere ihre Gewehre an Türstürzen stabilisierten. Auf der Straße lagen die schwelenden Reste des Wachfeuers und hüllten die herankommenden Reiter, die nun zum Galopp ansetzten, in Dunst.