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Der französische Offizier hob seinen Säbel. »Vive l'Empereur!« Er ließ den Säbel niedersausen.

»Feuer!«

Die Gewehre feuerten. Sharpe hörte, wie die Kugeln einschlugen. Ein Pferd schrie auf und erhob sich auf die Hinterhand. Sein Reiter geriet unter die Hufe eines heranstürmenden Pferdes. Säbel fielen klirrend aufs Pflaster. Der Offizier lag am Boden. Er wand sich in Krämpfen und spuckte Blut. Ein reiterloses Pferd klapperte in eine Gasse. Ein Dragoner machte kehrt und floh. Ein Zweiter war vom Pferd gefallen und hinkte nun auf eine offene Tür zu. Die Kavalleristen weiter hinten versuchten, sich nicht nach vorn durchzuzwängen, sondern rissen ihre Tiere herum und flohen.

»Laden!«

Aus mehreren Fenstern entlang der Straße schossen Rauchwolken hervor. Eine Kugel schlug mit erschreckender Gewalt neben Sharpe in die Mauer ein, während eine andere von den Pflastersteinen abprallte und das Bein eines Schützen traf. Der Mann gab einen zischenden Schmerzenslaut von sich, stürzte und streckte die Hand nach dem Blut aus, das sich dick über seine grüne Hose ausbreitete. Es war schwer, die Franzosen hinter den schwarz vergitterten Fenstern auszumachen, und noch schwerer, diese Männer abzuschießen.

Weitere schattengleiche Gestalten erschienen am anderen Ende der Straße und von dort aus loderte Musketenfeuer auf die Schützen zu. Es war jetzt hell genug, dass Sharpe eine französische Trikolore erkennen konnte, die von der hohen Kuppel der Kathedrale flatterte. Er sah, dass ein klarer, kalter Tag bevorstand, ein Tag zum Töten, und wenn Vivar nicht bald seine Hauptstreitmacht heranführte, war es den Rifles bestimmt, den Tod zu erleiden.

Dann erklang hinter ihm die Trompete.

Die Cazadores kämpften nicht nur um die Ehre, nicht nur für ihr Land, obwohl beide Gründe genügt hätten, sie durch die Pforten der Hölle zu treiben. Sie kämpften für den Schutzheiligen Spaniens. Dies war Santiago de Compostela, wohin die Engel eine Sternenwolke entsandt hatten, um eine vergessene Gruft zu erhellen, und die spanische Kavallerie ritt für Gott und für Santiago, für Blas Vivar und für Santiago.

Sie kamen heran wie eine schreckliche Flut. Als ihre Pferde an Sharpe vorbeidonnerten, sprühten die Hufe Funken. Ihre Säbel blitzten im grauen Morgenlicht. Sie drangen vor ins Herz der Stadt, angeführt von Blas Vivar, der den Rifles ein unverständliches Dankeswort zurief, als er an ihnen vorbeigaloppierte. Und hinter den Cazadores kam aus jener Mulde, in der Sharpe beim Morgengrauen hätte sein müssen, die Infanterie der Freiwilligen geklettert. Auch sie hatten sich den Namen des Heiligen als Kampfruf erkoren. Trotz ihrer provisorischen Uniformen aus braunen Jacken und weißen Schärpen wirkten diese Männer, bewaffnet mit Musketen, Spitzhacken, Degen, Messern, Lanzen und Sensen, nicht wie Soldaten, sondern wie rachsüchtiger Pöbel.

Als sie vorbeirannten, bot Sharpe den Männern ohne Schusswaffen die erbeuteten französischen Musketen an, doch die Freiwilligen waren nur darauf erpicht, das Zentrum der Stadt zu erreichen. Zum ersten Mal sah Sharpe, dass die Aussicht bestand zu siegen, nicht durch gekonnte Taktik, sondern durch Ausnutzung des Hasses einer Nation.

»Was sollen wir tun, Sir?« Harper trat mit einem Bündel erbeuteter Bajonette aus dem Wachhaus.

»Hinterher! Vorwärts! Achtet auf die Flanken! Behaltet die oberen Fenster im Auge!«

Doch derartige Ratschläge trafen nun auf taube Ohren. Die Rifles hatten sich vom Wahnsinn dieses Morgens anstecken lassen. Es kam ihnen nur darauf an, die Stadt einzunehmen. Die Ängste der langen, kalten Nacht waren verschwunden, und überschäumende, unglaubliche Zuversicht war an ihre Stelle getreten.

Sie stürzten sich ins Chaos. Franzosen, die von dem Getümmel geweckt wurden, rannten in Gassen, wo rachsüchtige Spanier sie erst jagten und dann töteten. Einzelne Bewohner der Stadt schlossen sich der Hetzjagd an und halfen Vivars Männern. Diese schwärmten aus in die überdachten mittelalterlichen Straßen, die um die zentralen Gebäude herum ein Labyrinth bildeten. In Trupps aufgeteilte Cazadores preschten von einer Straße zur anderen.

Ein paar Franzosen leisteten vom Obergeschoss ihrer Quartiere aus immer noch Widerstand, doch sie wurden einer nach dem anderen abgeschlachtet. In den Rinnsteinen floss Blut. Ein Priester kniete neben einem sterbenden Freiwilligen.

»Zusammenbleiben!« Sharpe befürchtete, dass in einem Schreckensmoment ein Schütze in dunkler Uniform für einen Franzosen gehalten werden könnte. Er erreichte einen kleinen Platz, wandte sich wahllos in eine Richtung und führte seine Männer eine Straße entlang, auf der drei Franzosen tot in rinnenden Blutlachen lagen. Auf den Stufen einer Kirche zog eine Frau einem Mann die Uniform vom Leibe. Ein vierter Franzose lag im Sterben. Zwei Kinder, nicht älter als zehn Jahre, stachen mit Küchenmessern auf ihn ein. Ein beinloser Krüppel, der auf Plünderung aus war, schwang sich auf schwieligen Knöcheln an die Seite eines Leichnams.

Sharpe bog nach links in die nächste Straße ein und wich zurück, als spanische Kavalleristen an ihm vorbeistürmten. Aus einem Haus floh ein Franzose, geriet einem Reiter in den Weg. Er schrie, dann traf ein Säbelhieb sein Gesicht und er verschwand unter den eisenbewehrten Hufen.

Irgendwo in der Stadt krachte wie Donner eine Musketensalve. Ein französischer Infanterist kam aus einer Gasse, sah Sharpe und fiel auf die Knie. Er bettelte buchstäblich darum, gefangen genommen zu werden. Sharpe verfrachtete ihn nach hinten, in den Gewahrsam der Schützen, während weitere Franzosen aus der Gasse strömten. Sie warfen ihre Musketen fort und wollten nichts anderes als Schutz.

Vor ihnen wurde es jetzt hell und weniger eng, eine Abwechslung nach der nasskalten Finsternis der schmalen Straßen, und Sharpe führte seine Männer auf die weite Plaza zu, die sich vor der Kathedrale ausbreitete. Aus einer Bäckerei drang der Geruch von Brot, doch dieser angenehme Duft wurde sogleich überlagert vom Gestank des Pulverdampfes.

Die Schützen rückten vorsichtig auf den Platz vor, von wo aus eine weitere Musketensalve den Morgen zerriss. Sharpe konnte zwischen dem Unkraut, das in den Ritzen der Steinplatten wuchs, Leichen herumliegen sehen. Neben den toten Pferden lagen an die zwanzig Gefallene, hauptsächlich Spanier. Der Rauch aus den Musketen war dicker als der Nebel.

»Die Schweinehunde leisten Widerstand!«, brüllte Sharpe zu Harper hinüber.

Er schob sich vorwärts in Richtung Straßenecke. Zu seiner Linken stand die Kathedrale. Drei Männer in braunen Jacken lagen auf ihren Stufen. Aus ihren Körpern rann Blut. Rechts von Sharpe und direkt gegenüber der Kathedrale ragte ein reich geschmücktes Gebäude auf. Über dem Haupteingang hing eine Trikolore und jedes der Fenster war mit Pulverdampf umkränzt. Die Franzosen hatten das große Bauwerk in eine Festung verwandelt, die den Platz beherrschte.

Dies war nicht der Zeitpunkt, sich mit einer Horde in die Enge getriebener, verzweifelter Franzosen einzulassen, sondern es galt festzustellen, ob die übrige Stadt eingenommen war. Die Schützen umrundeten im Schutz der Hinterhöfe die Plaza. Die Gefangenen blieben von allein bei ihnen, denn die Rache, die die Stadtbewohner an anderen gefangenen Franzosen übten, erfüllte sie mit Schrecken. Die Stadt brachte einen rachedurstigen Pöbel hervor, und Sharpes Soldaten mussten von ihren Gewehrkolben Gebrauch machen, um die Gefangenen zu schützen.

Sharpe führte seine Männer nach Süden. Sie kamen an einem sterbenden Pferd vorbei, dem Harper den Gnadenschuss gab. Augenblicklich fielen zwei Spanier mit Messern über den Kadaver her und schnitten große Stücke warmen Fleisches heraus. Ein Buckliger mit blutender Kopfhaut grinste, als er einem toten Dragoner die Ohren abschnitt. Sharpe fiel auf, wie wenige Dragoner er in Santiago de Compostela bis jetzt zu Gesicht bekommen hatte. Er fragte sich, ob Louisas Täuschungsmanöver tatsächlich funktioniert haben konnte und die Mehrzahl der grün gekleideten französischen Kavallerie nach Süden geritten war.