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»Mir?«

»Sie sind Engländer. Sie trauen den Engländern.«

»Ich muss ihnen versprechen können, dass sie am Leben bleiben.«

Ein Spanier musste sich irgendwo am Rande der Plaza gezeigt haben, denn plötzlich kam wieder hallendes Musketenfeuer auf, das verriet, wie viele Soldaten die Franzosen tatsächlich im Palast versammelt hatten. Vivar wartete, bis die ohrenbetäubenden Salven verstummt waren.

»Sagen Sie ihnen, ich werde den Palast in Brand stecken, wenn sie sich nicht ergeben.«

Sharpe bezweifelte, ob sich der steinerne Bau anzünden ließ, aber das war nicht die Drohung, vor der sich die Franzosen am meisten fürchteten. Sie fürchteten die Folter und einen schrecklichen Tod.

»Können die Offiziere ihre Degen behalten?«, fragte er.

Vivar zögerte, dann nickte er. »Ja.«

»Und Sie garantieren jedem Franzosen Sicherheit?«

»Natürlich.«

Sharpe hatte nicht den Wunsch, die Kapitulation auszuhandeln. Er fand, dass derartige diplomatische Aufgaben besser von Blas Vivar erledigt worden wären, aber der Spanier schien überzeugt zu sein, dass ein englischer Offizier beruhigender auf die Franzosen wirken würde. Ein Trompeter der Cazadores blies zum Waffenstillstand.

Man fand ein Laken, befestigte es an einem Besenstiel und schwenkte es an der Straßenecke. Der Trompeter wiederholte das Signal zum Einstellen der Kampfhandlungen, aber es dauerte eine volle Viertelstunde, um die rachedurstigen Spanier am Rand des Platzes zu überzeugen, dass dieses Signal ernst gemeint war. Weitere zehn Minuten vergingen, ehe sich aus dem Palast eine misstrauische französische Stimme meldete.

Vivar übersetzte. »Sie wollen nur einen Mann sprechen. Ich hoffe nur, dass das keine Falle ist, Lieutenant.«

»Ich auch.« Sharpe steckte seinen Degen weg.

»Und fragen Sie nach Louisa!«

»Das hatte ich ohnehin vor«, sagte Sharpe und trat hinaus ins Sonnenlicht.

KAPITEL 15

Keine Salve begrüßte Sharpe, nur Stille. Die aufgehende Sonne warf den vielzackigen Schatten der Kirchtürme auf die von Kugeln vernarbte Mauer des Palastes, brach durch den frühmorgendlichen Nebel, den der Musketenqualm verdichtet hatte. Seine Schritte hallten von den Gebäuden wider. Ein Verwundeter stöhnte und wälzte sich in seinem Blut.

Sharpe vermochte aus der Art und Weise, wie sich die Verwundeten und Toten über den Platz verteilten, einen Teil der Ereignisse des Morgens zu erkennen. Franzosen, die sich in den Palast retten wollten, waren von ihren spanischen Verfolgern abgestochen worden, die wiederum von den Salven der Franzosen niedergestreckt wurden, die dort bereits in Sicherheit waren. Diese Franzosen beobachteten nun, wie er sich seinen Weg durch die furchtbaren Überreste der Schlacht bahnte.

Manche der Gefallenen lagen mit geballten Händen da. Ein totes Pferd entblößte im Morgenlicht seine gelblichen Zähne. Fetzen verkohlten Kartuschpapiers kräuselten sich auf dem Kopfsteinpflaster. Eine Tonpfeife war zu weißem Staub zerkrümelt. Ein spanischer Stiefelsporn, der sich aus seiner Halterung gelöst hatte, lag neben einem verbogenen Ladestock. Zwischen dem Unkraut, das sich durch die Ritzen des Pflasters gedrängt hatte, fanden sich eine leere Säbelscheide, ein Dragonerhelm, Kartuschen und zurückgelassene französische Tschakos. Eine Katze fauchte Sharpe an, dann machte sie sich rasch davon.

Sharpe schritt durch die Unordnung und war sich bewusst, dass man ihn vom Palast aus misstrauisch beobachtete. Außerdem wurde er das Gefühl nicht los, für den diplomatischen Auftrag, der ihm bevorstand, schlecht gerüstet zu sein. Seine Stiefelsohle hing lose herab und scharrte über die Steinplatten. Er hatte keine Kopfbedeckung, die Nähte an seiner Hose waren erneut gerissen, während seine Gesichtshaut und seine Lippen vom Pulverdampf geschwärzt waren. Er hatte sein Gewehr über die rechte Schulter gehängt, und er überlegte, dass er die Waffe hätte ablegen müssen, da sie für diese Mission unpassend war.

Sharpe bemerkte die gusseisernen rejas, mit denen die Fenster im unteren Stockwerk des Palastes vergittert waren. Diese Gitterstäbe sorgten dafür, dass ein Angriff nur auf das Doppelportal möglich war. Als er sich dem Portal näherte, wurde ein Türflügel vorsichtig einen Spaltbreit geöffnet. Man hatte in seine Holzverkleidung Schießscharten geschlagen. Glasscherben, die entstanden waren, als die Franzosen mit den Kolben ihrer Musketen die Scheiben aus den Fenstern geschlagen hatten, lagen inmitten verbeulter Musketenkugeln auf dem Pflaster. An der Fassade des Palastes hafteten Schwaden von Pulverdampf, der nach faulen Eiern roch.

Sharpe stieg behutsam über das zerbrochene Glas. Vom Portal her wurde eine Frage in gebrochenem Spanisch gestellt.

»Englisch!«, rief er daraufhin. »Englisch!« Es entstand eine Pause, dann wurde der Türflügel geöffnet.

Sharpe trat ein und stand in einer hohen Säulenhalle, wo ihn eine Gruppe französischer Infanteristen mit ihren Bajonetten empfing. Die Männer hatten hinter einem provisorischen Bollwerk aus prall gefüllten Säcken Stellung bezogen. Sie hatten offenbar mit einem Angriff auf das Portal gerechnet. Sicherlich, überlegte Sharpe, hätten die Franzosen nicht zugelassen, dass er diese Vorkehrungen sah, wenn sie nicht bereits entschlossen wären, sich zu ergeben. Der Gedanke verlieh ihm Selbstvertrauen.

»Sie sind Engländer?« Die Frage kam von einem Offizier, der sich links von Sharpe in den Schatten hielt.

»Ich bin Engländer. Mein Name ist Sharpe, und ich habe das Kommando über einen Trupp der 95th Rifles Seiner Majestät, der sich in dieser Stadt aufhält.« Es erschien ihm derzeit angebracht, nicht seinen niedrigen Rang zu verraten, der kaum geeignet war, Männer zu beeindrucken, die in so verzweifelter Lage waren wie diese Franzosen.

Doch dieses kleine Täuschungsmanöver fruchtete nichts, denn aus dem Treppenhaus vor ihm meldete sich eine weitere Stimme.

»Lieutenant Sharpe!« Es war Vivars Bruder, der Graf von Mouromorto. »Sind Sie etwa der beste Emissär, den man auftreiben konnte, Lieutenant?«

Sharpe sagte nichts. Er wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht ab, sodass das rußähnliche Pulver auf seinen Wangen gänzlich verschmiert wurde. Irgendwo am Stadtrand war eine Salve Musketenfeuer zu hören, dann näher an der Plaza ein Jubelschrei. Der französische Offizier rückte seinen Degen gerade.

»Hier entlang, Lieutenant.« Er führte ihn die Treppe hinauf, vorbei an dem Grafen, der wie immer seinen schwarzen Reitmantel und die seltsamen hellen Stulpenstiefel trug und nun hinter ihnen herkam.

Sharpe fragte sich, ob wohl auch Louisa hier im Palast sei. Er war versucht, den Offizier danach zu fragen, nahm jedoch an, dass diese Frage besser an Oberst de l'Eclin zu richten war, beziehungsweise an denjenigen, der droben wartete, um über die Kapitulation zu verhandeln.

»Ich muss Ihnen gratulieren, Lieutenant.« Der französische Offizier hatte wie Sharpe eine Stimme, die von der Anstrengung, im Kampfgetümmel Befehle brüllen zu müssen, ganz heiser war. »Wie ich höre, waren es Ihre Rifles, die den ersten Angriff ausgeführt haben?«

»Richtig.« Sharpe erschien der höfliche Umgangston, der bei Waffenruhe gepflegt wurde, immer aufs Neue unpassend. Männer, die bei Sonnenaufgang versucht hatten, sich gegenseitig zu verstümmeln, machten einander eine Stunde später blumige Komplimente.

»Der Lieutenant war töricht genug, seine Männer dem Wahnsinn meines Bruders zu opfern.« Der Graf von Mouromorto war offenbar nicht geneigt, Komplimente zu machen, weder blumige noch anders geartete. »Ich hatte angenommen, die Briten seien vernünftiger.«

Sharpe und der französische Offizier ignorierten die Bemerkung. Sharpe deutete die Gegenwart des Grafen so, dass in der Tat de l'Eclin am Ende dieser Treppe auf ihn warten würde, und ihm wurde klar, dass er die Begegnung fürchtete. Er konnte sich nicht vorstellen, de l'Eclin zur Kapitulation überreden zu können. Dazu war der Offizier der Kaiserlichen Garde zu schlau, und Sharpe wusste, dass sein empfindliches Selbstvertrauen vor dem wissenden und skeptischen Blick des Obersten ins Wanken geraten würde.