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»Hier entlang, Lieutenant.« Der französische Offizier führte ihn auf dem Treppenabsatz an einer weiteren Barrikade vorbei und dann auf eine Tür zu, die zu einem hohen, ehedem eleganten Raum führte, von dem aus man in andere, ähnliche Räume gelangte. Die Palastfenster, an denen Infanteristen mit geladener Waffe inmitten der Glasscherben kauerten, befanden sich rechts von ihnen. Die obere Rückwand des Raums trug die Narben einschlagender Musketenkugeln, ebenso die feine Stuckdecke. Ein riesiger Spiegel über dem Kamin war zerbrochen, und die spitzen Glassplitter ragten gefährlich aus dem vergoldeten Rahmen. Das Porträt eines streng blickenden Mannes mit altertümlicher Halskrause war von Kugeln durchlöchert. Die Soldaten drehten sich in schweigender, feindseliger Neugier nach Sharpe um.

Auch im nächsten Raum hatten sich an die zwanzig Soldaten hinter den Fenstern verschanzt. Wie die Männer im ersten Raum gehörten sie hauptsächlich der Infanterie an. Dragoner waren selten. Die Männer wurden von Kissen und umgekippten Möbelstücken geschützt oder durch Säcke, aus denen Mehl oder Getreide auf den Parkettboden rann, weil sie vom Musketenfeuer getroffen waren.

Sharpes Zuversicht, dass die Franzosen sich ergeben würden, schwand langsam dahin. Er konnte sehen, dass dieses französische Hauptquartier für eine Belagerung genügend Männer und Munition besaß.

Seine Stiefel knirschten auf den Splittern eines zerschmetterten Lüsters, als er in den dritten Raum geführt wurde, wo eine Gruppe von Offizieren auf seine Ankunft wartete.

Zu Sharpes Erleichterung befand sich de l'Eclin nicht unter den Franzosen, die nun Haltung annahmen, als er in der Tür erschien. Stattdessen war es ein blauberockter Oberst der Infanterie, der vortrat und eine Verbeugung andeutete.

»Sir«, grüßte Sharpe, obwohl seine Stimme wegen der Heiserkeit kaum mehr war als ein Krächzen.

Der linke Arm des Obersten steckte in einer Schlinge, und seine Wange war zerkratzt und hatte so stark geblutet, dass sein weißer Stehkragen durchtränkt war. Die linke Spitze seines Schnurrbarts war auf ähnliche Weise vom Blut verfärbt.

»Coursot«, sagte er knapp. »Oberst Coursot. Ich habe die Ehre, die Hauptquartiersgarde dieser Stadt zu befehligen.«

»Sharpe. Lieutenant Sharpe. 95th Rifles, Sir.«

Der Graf von Mouromorto, der Sharpe von der Treppe bis hierher gefolgt war, trat an ein Fenster, von wo aus er auf die schattige Fassade der Kathedrale hinausblicken konnte. Er schien die Vorgänge drinnen mit Verachtung zu strafen, als sei das Schicksal Spaniens über derart kleinliche Verhandlungen erhaben.

Doch Oberst Coursots einleitende Worte muteten Sharpe alles andere als kleinlich an. Der Franzose holte eine Uhr aus seiner Westentasche und drückte auf den Knopf, der ihren Deckel aufspringen ließ. »Sie haben eine Stunde Zeit, die Stadt zu verlassen, Lieutenant.«

Sharpe war verblüfft. Er war in der Erwartung gekommen, das Ultimatum zu stellen, doch stattdessen war es dieser hochgewachsene, grauhaarige Franzose, der so selbstbewusst die Bedingungen diktierte. Coursot klappte den Uhrendeckel wieder zu.

»Sie müssen wissen, Lieutenant, dass aus dem Norden ein Armeekorps zu dieser Stadt unterwegs ist. Es wird binnen weniger Stunden hier eintreffen.«

Sharpe zögerte, denn er wusste nicht, was er sagen sollte. Sein Mund war ausgetrocknet. Um Zeit zu gewinnen, entkorkte er seine Feldflasche, spülte sich den Salzgeschmack des Schießpulvers von der Zunge und spuckte in die Asche im Kamin.

»Das nehme ich Ihnen nicht ab.«

Seine Antwort, wusste Sharpe, mochte zwar kläglich sein, aber sie entsprach der Wahrheit. Wenn Marschall Soult oder Marschall Ney aus La Coruña aufgebrochen wären, hätte die Nachricht Vivar längst erreichen müssen.

»Ungläubigkeit ist Ihr Privileg, Lieutenant«, sagte Coursot, »aber ich versichere Ihnen, dass das Korps kommen wird.«

»Und ich versichere Ihnen«, sagte Sharpe, »dass wir Sie besiegen werden, ehe es ankommt!«

»Diese Mutmaßung ist ebenfalls Ihr Privileg«, sagte der Oberst gleichmütig, »aber sie wird mich nicht zur Kapitulation veranlassen. Ich nehme doch an, dass Sie gekommen sind, um meine Kapitulation zu verlangen?«

»Jawohl, Sir.«

Nun setzte gespanntes Schweigen ein. Sharpe fragte sich, ob wohl einige der Offiziere im Raum Coursot bedrängt hatten, sich zu ergeben. Diese Franzosen waren in der Minderzahl, sie waren umzingelt, und jeder Augenblick, in dem die Auseinandersetzung weiterging, würde weitere Verwundete über jene hinaus kosten, die bereits in den Ecken des Raumes lagen.

»Wenn Sie nicht sofort kapitulieren«, argumentierte Sharpe unbeholfen, »werden wir Ihnen keine weitere Gelegenheit geben. Wollen Sie, dass der Palast um Sie herum abbrennt?«

Coursot schmunzelte. »Ich versichere Ihnen, Lieutenant, dass ein Gebäude aus Stein nicht so leicht Feuer fängt. Ihnen fehlt es wohl an Artillerie? Worauf also hoffen Sie? Dass Ihnen der heilige Jakob das himmlische Feuer herabschicken wird?«

Sharpe errötete. Der Graf von Mouromorto übersetzte die Stichelei, und die Stimmung im Raum entspannte sich, als die französischen Offiziere darüber lachten.

»Oh, ich weiß alles über Ihr Wunder«, sagte Coursot spöttisch. »Allerdings erstaunt es mich, dass ein englischer Offizier an diesem Unsinn beteiligt ist. Ah, der Kaffee!« Er drehte sich um, als ein Adjutant mit einem Tablett voller Tassen den Raum betrat. »Haben Sie Zeit für einen Kaffee?«, fragte er Sharpe. »Oder müssen Sie zum Gebet eilen, um einen göttlichen Blitzschlag zu erflehen?«

»Ich werde Ihnen sagen, was ich tue.« Sharpe gab seine diplomatischen Bemühungen auf und sprach mit beißender Härte. »Ich werde meine besten Schützen auf diese Glockentürme beordern.« Er zeigte durch das Fenster auf die Kathedrale. »Ihre Musketen sind auf diese Entfernung nicht treffsicher, aber meine Männer können Ihnen noch aus doppelt so weiter Entfernung die Augen aus Ihren Franzosenschädeln schießen. Sie haben dafür den ganzen Tag Zeit, Oberst, und sie werden diese Räume in ein Schlachthaus verwandeln. Offen gestanden, mich kümmert's nicht. Es ist mir lieber, Franzosen abzuschießen, als mit ihnen zu sprechen.«

»Das glaube ich Ihnen gern.« Falls der Oberst von Sharpes Drohung erschüttert war, wusste er das gut zu verbergen. Andererseits verzichtete er darauf, seine eigene Drohung von einem herannahenden Armeekorps zu wiederholen, die er, meinte Sharpe, nur der Form halber ausgesprochen hatte. Stattdessen stellte er eine Tasse Kaffee vor den Schützen auf den Tisch. »Sie können gewiss viele Männer umbringen, Lieutenant, und ich kann die Verwirklichung Ihres Wunders empfindlich stören.« Coursot ließ sich von dem Adjutanten eine Tasse geben, dann sah er Sharpe amüsiert an. »Das Gonfalon Santiagos? Ist es nicht so? Glauben Sie nicht auch, dass Sie sich an einen Strohhalm klammern, wenn Sie zum Sieg so eine unsinnige Spielerei nötig haben?«

Sharpe stimmte weder zu, noch stritt er es ab.

Der Oberst nippte an seinem Kaffee. »Natürlich bin ich kein Experte, Lieutenant, aber ich stelle mir vor, dass Wunder am besten in einer Atmosphäre andächtigen Friedens bewirkt werden, sind Sie nicht auch der Meinung?« Er wartete auf eine Antwort, doch Sharpe blieb stumm. Coursot lächelte. »Ich schlage einen Waffenstillstand vor, Lieutenant.«

»Einen Waffenstillstand?« Sharpe konnte sein Erstaunen nicht verbergen.

»Einen Waffenstillstand!« Coursot wiederholte das Wort, als müsse er es einem Kind erklären. »Ich nehme doch an, dass Sie nicht glauben, Ihre Besetzung von Santiago de Compostela könne ewig dauern? Na, sehen Sie. Sie sind hergekommen, um Ihr kleines Wunder zu schaffen, dann wollen Sie wieder abziehen. Schön und gut. Ich verspreche, weder auf Ihre Männer zu schießen noch auf irgendeine andere Person in der Stadt, nicht einmal auf den heiligen Jakob persönlich, solange Sie versprechen, nicht auf meine Männer zu schießen oder dieses Gebäude anzugreifen.«