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Der Graf von Mouromorto erhob unvermittelt und leidenschaftlich Protest gegen diesen Vorschlag. Als Coursot ihn ignorierte, wandte er sich empört ab.

Während er seinen Kaffee trank, überlegte Sharpe, dass er das Missvergnügen des Grafen verstehen konnte. Er hatte immer aufs Neue versucht, das Gonfalon an sich zu bringen, und nun sollte er untätig zusehen, wenn es in der Kathedrale entfaltet wurde. Aber würden diese Franzosen tatsächlich untätig zusehen?

Coursot sah Sharpes Zögern. »Lieutenant, ich habe zweihundertunddreißig Mann in diesem Gebäude, davon einige Verwundete. Was könnte ich Ihnen anhaben? Wollen Sie den Palast inspizieren? Tun Sie es ruhig, tun Sie es unbedingt!«

»Ich kann mich umsehen?«, fragte Sharpe misstrauisch.

»Von oben bis unten! Und Sie werden einsehen, dass ich die Wahrheit sage. Zweihundertunddreißig Mann. Darüber hinaus sind ungefähr zwanzig Spanier da, wie der Graf von Mouromorto ausnahmslos Freunde Frankreichs. Glauben Sie wirklich, Lieutenant, dass ich diese Männer der Rache ihrer Landsleute preisgeben werde? Kommen Sie!« Beinahe zornig riss Coursot eine Tür auf. »Sehen Sie sich im Palast um, Lieutenant! Sehen Sie sich ruhig an, was für eine geringe Zahl von Männern Ihnen einen Schrecken eingejagt hat!«

Sharpe rührte sich nicht. »Ich bin nicht in der Lage, Ihren Vorschlag anzunehmen, Sir.«

»Das kann nur Major Vivar?« Der Oberst schien sich zu ärgern, dass Sharpe auf sein Angebot, einen Waffenstillstand auszurufen, nicht mit augenblicklicher Begeisterung reagiert hatte. »Ich darf doch annehmen, dass Major Vivar das Kommando hat?«, hakte er nach.

»Jawohl, Sir.«

»Dann berichten Sie ihm davon!« Coursot winkte ab, als handle es sich um einen geringfügigen Botengang. »Trinken Sie Ihren Kaffee aus, und dann erstatten Sie ihm Bericht! Bis dahin will ich von Ihnen eine Zusicherung haben. Ich nehme an, Sie haben heute einige Franzosen gefangen genommen? Oder haben Sie sie alle abgeschlachtet?«

Sharpe ignorierte die Erbitterung des Franzosen. »Ich habe Gefangene gemacht, Sir.«

»Ich verlange Ihr Ehrenwort als britischer Offizier, dass sie anständig behandelt werden.«

»Das werden sie, Sir.« Sharpe hielt inne. »Und Sie, Sir, haben eine britische Familie unter Ihrer Obhut?«

»Wir haben ein englisches Mädchen im Palast.« Coursot schien nach wie vor aufgebracht durch Sharpes Misstrauen gegenüber seinem Waffenstillstandsangebot. »Eine Miss Parker, soviel ich weiß. Ihre Familie wurde letzte Woche nach La Coruña geschickt, aber ich versichere Ihnen, dass Miss Parker keinerlei Gefahr droht. Ich nehme an, sie wurde ausgesandt, um uns irrezuführen?«

Die Gelassenheit, mit der er diese Frage stellte, verriet nicht, ob das Täuschungsmanöver funktioniert hatte oder nicht, doch Sharpe ging es in diesem Augenblick ausschließlich um Louisas Schicksal. Sie war am Leben und in der Stadt, und damit waren auch seine Hoffnungen lebendig.

»Ich weiß nichts davon, dass sie ausgesandt worden sein soll, Sie irrezuführen, Sir«, sagte er pflichtschuldigst.

»Nun, sie hat es getan!«, sagte Coursot verdrießlich. Der Graf von Mouromorto blickte Sharpe finster an, als sei der Schütze persönlich dafür verantwortlich.

»Miss Parker hat Sie irregeführt?« Sharpe versuchte, mehr Informationen herauszuholen, ohne Besorgnis erkennen zu lassen.

Coursot zögerte, dann zuckte er mit den Schultern. »Oberst de l'Eclin ist heute Morgen um drei Uhr aufgebrochen, Lieutenant, und mit ihm eintausend Mann. Er glaubt, Sie seien nach Süden marschiert und Major Vivar sei in Padron zu finden. Ich gratuliere Ihnen zu dieser erfolgreichen ruse de guerre.«

Sharpes Herz setzte einen Schlag aus. Es hatte tatsächlich funktioniert! Er versuchte, ein ausdrucksloses Gesicht zu behalten, war jedoch sicher, dass es seine Freude verriet.

Coursot schnitt eine Grimasse. »Aber seien Sie versichert, Lieutenant, dass Oberst de l'Eclin noch heute Nachmittag zurückkehren wird, und ich rate Ihnen, Ihr Wunder zu vollbringen, ehe es so weit ist. So! Sind Sie nun bereit, Major Vivar zurate zu ziehen, was meinen Vorschlag angeht?«

»Jawohl, Sir.« Sharpe rührte sich immer noch nicht. »Und darf ich annehmen, dass Sie Miss Parker in unsere Obhut geben werden?«

»Wenn sie selbst es wünscht, werde ich sie in Ihre Obhut geben, sobald Sie mit Major Vivars Antwort wiederkommen. Denken Sie daran, Lieutenant! Wir werden nicht auf Sie schießen, solange Sie nicht auf uns schießen!« Mit kaum verhüllter Ungeduld geleitete der französische Oberst Sharpe zur Tür. »Ich gebe Ihnen eine halbe Stunde, um mit Ihrer Antwort zurückzukehren. Andernfalls werde ich annehmen, dass Sie unser großzügiges Angebot ablehnen. Au revoir, Lieutenant.«

Nachdem Sharpe den Raum verlassen hatte, trat Coursot an eines der tiefen Erkerfenster. Er klappte erneut seinen Uhrendeckel auf und starrte, scheinbar ohne sie wahrzunehmen, auf die Filigranzeiger. Erst als er Sharpes Schritte auf den Steinplatten der Plaza hörte, blickte er auf und sah dem Schützen nach. »Beiß an, kleiner Fisch, beiß an«, flüsterte er ganz leise.

»Er ist töricht genug, den Köder zu schlucken.« Der Graf Mouromorto hatte die gemurmelten Worte vernommen. »Genau wie mein Bruder.«

»Wollen Sie damit sagen, sie besäßen so etwas wie Ehrgefühl?«, erkundigte sich Coursot mit überraschender Boshaftigkeit. Dann spürte er, dass er zu weit gegangen war, und lächelte. »Ich denke, wir werden noch mehr Kaffee brauchen, meine Herren. Mehr Kaffee für unsere Nerven.«

Blas Vivar war weniger erstaunt über den Vorschlag des Obersten, als Sharpe erwartet hatte. »Das ist nicht ungewöhnlich«, sagte er. »Ich kann nicht behaupten, ich wäre erfreut, aber die Idee an sich ist gar nicht so schlecht.« Der Spanier nutzte die Waffenruhe, um auf die Plaza zu treten und die Fassade des Palastes in Augenschein zu nehmen. »Halten Sie es für denkbar, dass wir ihn erobern?«

»Ja«, sagte Sharpe, »aber wir müssten fünfzig Gefallene und doppelt so viele Schwerverwundete hinnehmen. Und das werden unsere besten Männer sein. Gegen diese Schweinehunde kann man keine halb ausgebildeten Freiwilligen antreten lassen.«

Vivar nickte zustimmend. »Oberst de l'Eclin ist tatsächlich nach Süden geritten?«

»Coursot behauptet es.«

Vivar drehte sich um und rief den Zivilisten, die sich in den Straßen um den Platz drängten, etwas zu. Ein Chor von Stimmen erhob sich. Alle bestätigten sie, dass die französische Kavallerie mitten in der Nacht in südliche Richtung die Stadt verlassen hatte. Wie viel Kavallerie?, fragte er und erhielt zur Antwort, es seien Hunderte und noch einmal Hunderte berittener Männer durch die Stadt gezogen.

Vivar blickte wieder zum Palast hinüber, nicht um seine strenge Schönheit zu bewundern, sondern um die Dicke seiner Steinmauern abzuschätzen. Er schüttelte den Kopf. »Diese Fahne muss herunter«, er zeigte auf die durchlöcherte Trikolore, die über dem Portal hing, »und sie müssen sich bereit erklären, sämtliche Fensterläden zu schließen. Sie dürfen an einem Fenster auf jeder Seite des Gebäudes Beobachter aufstellen, mehr nicht.«

»Können Sie die Türen von außen verbarrikadieren?«, fragte Sharpe.

»Warum nicht?« Vivar sah auf die Uhr. »Und warum teile ich ihnen nicht selbst unsere Bedingungen mit? Wenn ich in fünfzehn Minuten nicht zurück bin, greift ihr an.«

Sharpe wollte derjenige sein, der Louisa in Empfang nahm und heil aus dem französischen Hauptquartier herausschaffte.

»Soll ich nicht lieber wieder gehen?«

»Ich denke, mir droht keine Gefahr«, sagte Vivar, »und ich will mich persönlich im Palast umsehen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich Ihnen nicht vertraue, Lieutenant, aber ich denke, das obliegt meiner Verantwortung.«