Выбрать главу

Sharpe nickte verständnisvoll. Einerseits war da die Bereitschaft der Franzosen, die Inspektion des Palastes zuzulassen, die ihn von ihrer Vertrauenswürdigkeit überzeugt hatte, andererseits hätte er an Vivars Stelle auch darauf bestanden, sie persönlich vorzunehmen. Sein Wiedersehen mit Louisa musste warten, und es würde durch diese Verzögerung nicht weniger reizvoll werden.

Vivar brach nicht sofort auf. Er klatschte fröhlich in die Hände und führte zwei unbeholfene Tanzschritte aus. »Wir haben es geschafft, mein Freund! Wir haben es wahrlich geschafft!«

Sie hatten den Sieg errungen.

Der Sieg bedeutete Arbeit. Erbeutete Musketen wurden südlich der Kathedrale auf der Plaza aufgestapelt, und die französischen Gefangenen wurden ins Stadtgefängnis gesperrt, wo sie von Grünjacken bewacht wurden. Die Tornister und warmen Mäntel der Rifles wurden aus dem Buchenhain im Norden der Stadt geholt. Leichen wurden in den Stadtgraben gezerrt und angemessene Verteidigungsanlagen errichtet.

Sharpe ging von Posten zu Posten und überzeugte sich, dass Vivars Freiwillige in Stellung waren. Im Süden der Stadt wurden immer noch einzelne französische Flüchtlinge gesichtet, doch ein paar Gewehrschüsse genügten, um sie ganz zu vertreiben. Die Straße nach Süden, sah Sharpe, zeugte mit zahlreichen Kothaufen und Hufspuren von Oberst de l'Eclins Abwesenheit. Späher in den Glockentürmen der Kathedrale und Cazadorwachen an den Ausfallstraßen würden dafür sorgen, dass die Rückkehr der Dragoner nicht unbemerkt blieb. Sharpe sicherte sich gegen diese Eventualität ab, indem er seinen Männern befahl, ihre Büchsen zu reinigen und ihre Schwertbajonette zu schärfen.

Ein Sieg war errungen, und nun konnte Beute gemacht werden: Uniformen aus den französischen Quartieren und Pferde aus ihren Ställen. Jedes Haus, in dem sich die Franzosen einquartiert hatten, barg einen kleinen Schatz an Nahrungsmitteln. Da gab es Zwieback, Mehl in Säcken, Bratwürste, Räucherschinken, gepökeltes Schweinefleisch, luftgetrocknete Makrelen, Wein in Schläuchen und Käse mit dicker Rinde. Viele der Nahrungsmittel wurden ihnen von den Stadtbewohnern weggeschnappt, aber Vivars Cazadores behielten genug zurück, um zwanzig Maultierkörbe zu füllen.

Sharpe machte sich auf die Suche nach der größeren Beute, nach den Vorräten, die in den vergangenen Wochen gesammelt und für Soults Marsch in den Süden gelagert worden waren. In zwei Kirchen der Stadt fand er Heu, Mehl und Wein, aber die Mengen reichten kaum aus, um Soults Männer und Pferde zu ernähren. In einer dritten, die wie jede andere Kirche in Santiago de Compostela ihrer Schätze beraubt worden war, fand Sharpe die Überreste weiterer Vorräte. Der Steinboden der Kirche war mit verschüttetem Hafer bedeckt und mit Spuren fortgezerrter Säcke übersät. Der Gemeindepriester erklärte in stockendem Englisch, die Franzosen hätten am vergangenen Nachmittag alle Vorräte aus der Kirche geschafft und zum Raxoy-Palast verfrachtet.

»Der Raxoy-Palast? An der Plaza?«

»Si, Señor.«

Sharpe fluchte leise. Die Franzosen hatten begonnen, die Vorräte an einer zentralen Verteilerstelle zusammenzuziehen, und Vivars Eroberung der Stadt hatte diesen Prozess zu spät unterbrochen. Die meisten der kostbaren Vorräte befanden sich in den Säcken, die Sharpe im Palast gesehen hatte, Säcke, die nun den Franzosen, die dort festsaßen, als Brustwehr dienten. Die Erkenntnis machte ihn wütend.

Es hatte von Anfang an nur drei Beweggründe für die Einnahme dieser Stadt gegeben. Der erste, das Gonfalon zu entfalten, war nichts als abergläubischer Irrsinn. Der zweite, die Rettung Louisas, war ein persönliches Motiv Sharpes und militärisch unerheblich. Der dritte, nämlich Soults Nachschub zu vernichten, war die einzige echte Rechtfertigung, und seine Verwirklichung war zum großen Teil fehlgeschlagen.

Obwohl jedoch die meisten Vorräte im Palast in Sicherheit waren, konnte Sharpe Marschall Soult immer noch vorenthalten, was übrig blieb. Er beanspruchte das Heu für Vivars Pferde und ließ das Mehl an die Bewohner der Stadt verteilen. Den Wein befahl er fortzuschütten.

»Fortschütten?«, fragte Harper entsetzt.

»Wollen Sie, dass die Männer betrunken sind, wenn de l'Eclin den Gegenangriff ausführt?«

»Das ist sündhafte Verschwendung, Sir, wahrhaftig.«

»Vernichtet ihn!« Sharpe verlieh seinen Worten Nachdruck, indem er einen Haufen Weinschläuche mit dem Degen durchbohrte. Die rote Flüssigkeit ergoss sich auf den Steinboden der Kirche und sickerte durch die Ritzen in die darunter liegende Krypta. »Und wenn sich auch nur ein Mann betrinkt«, sagte er mit erhobener Stimme, »hat er sich vor mir persönlich zu verantworten!«

»Jawohl, Sir!« Harper wartete, bis Sharpe gegangen war, dann rief er Gataker zu sich. »Treib einen Schankwirt auf, hol ihn her und sieh zu, wie viel Bargeld er bietet. Beeil dich!«

Sharpe nahm eine Abteilung Rifles mit auf die Suche nach weiteren französischen Lagern mit Getreide oder Heu. Sie fanden nichts. Dagegen entdeckten sie eine Reserve französischer Infanterietornister aus Rindsleder, die von wesentlich besserer Qualität waren als die gewöhnlichen britischen. Die Tornister wurden beschlagnahmt, ebenso drei Dutzend Paar Reitstiefel, die Sharpe zu seiner Enttäuschung alle zu klein waren. Die Schützen fanden französische Patronen, um ihre Munitionstaschen aufzufüllen. Die französische Musketenkugel war minimal kleiner als ihr britisches Gegenstück, ließ sich jedoch in Baker-Gewehren verwenden. Außerdem entdeckten sie Mäntel und Strümpfe, Hemden und Handschuhe, nur kein Getreide oder Heu.

Auch das Stadtvolk war auf Beute aus. Die Bewohner von Santiago de Compostela scherten sich nicht darum, dass der überwiegende Teil der französischen Vorräte im Palast in Sicherheit war. Ihnen ging es nur darum, dass sie wenigstens einen Tag lang frei waren. Sie machten den Wintertag zum Karneval, indem sie sich mit Beutestücken kostümierten, bis die Stadt aussah, als sei sie von einer fröhlichen Menge halb angezogener feindlicher Soldaten bevölkert. Selbst die Frauen trugen französische Mäntel und Tschakos.

Um die Mittagszeit trug eine Kolonne von Maultieren einen Großteil der Nahrungsmittel und die Tornister der Rifles an einen sicheren Ort im östlichen Bergland. Vivar wollte verhindern, dass seine Männer durch persönliche Habseligkeiten behindert wurden, falls die Stadt verteidigt werden musste. Daher sollten die Tornister und Beutestücke im geheimen Versteck darauf warten, nach ihrem Rückzug abgeholt zu werden.

Sobald die Maultiere aufgebrochen waren, befahl Sharpe den meisten seiner Männer, sich auszuruhen, während er selbst seine ungeheure Erschöpfung niederkämpfte und sich auf die Suche nach Blas Vivar machte. Er begab sich als Erstes zur Plaza, die er beinahe verlassen vorfand, bis auf einen Posten Cazadores, die aufmerksam die geschlossenen Fensterläden des Palastes beobachteten. Außerdem waren einige Zivilisten dabei, aus Möbeln, leeren Weinfässern und Karren eine provisorische Barrikade zu errichten. Wenn sie fertig war, würde sie das ganze Gebäude umgeben, an das glücklicherweise auf den übrigen drei Seiten Straßen anschlossen.

In der Palastfassade war ein einzelnes Fenster unverschlossen, obwohl sich dahinter kein Beobachter sehen ließ. Die Fahne über dem Doppelportal war verschwunden, das Portal selbst mit Planken verbarrikadiert, die mit Holzstreben abgestützt waren. Die Franzosen saßen demnach in ihrem riesigen Bau fest.

Eine Menschenmenge, die von den Cazadores abgehalten wurde, den großen Platz zu füllen, sich jedoch auf den kleineren offenen Flächen im Norden und Süden der Kathedrale versammelt hatte, rief den Franzosen Schimpfworte zu. Als die Leute Sharpe entdeckten, jubelten sie, doch dann setzten sie ihre Schmährufe gegen die unsichtbaren Feinde fort. Der Lärm wurde verstärkt durch lautes Dudelsackspiel. Kinder verspotteten den Feind mit Tänzen, während die Glocken der Stadt immer noch in wilder Kakofonie läuteten.