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Sharpe brachte seine Freude über die festliche Stimmung der Bürger mit einem müden Lächeln zum Ausdruck, dann kletterte er die Stufen hinauf, die zum reich geschmückten Westeingang der Kathedrale führten. Auf halbem Wege blieb er stehen, nicht aus Erschöpfung, sondern weil er plötzlich überwältigt war von der Schönheit der Fassade: Säulen und Bögen, Statuen und Balustraden, Wappen und Schnörkel, alles war herrlich aus Stein gemeißelt zum Ruhme Santiagos, der im Innern begraben lag. Nach wochenlanger Not und Kälte, Kampf und Wut ließ die Kathedrale die Bestrebungen der Männer, die überall in Spanien kämpften, kleinlich erscheinen. Dann wurde Sharpe bewusst, dass diese Kathedrale Vivars Zielsetzung glich. Der Spanier setzte sich für etwas ein, an das er glaubte, während Sharpe nur wie ein Pirat kämpfte, aus eigensinnigem, mörderischem Stolz.

»Erkenne ich im Auge des Soldaten so etwas wie Bewunderung?« Die Frage, in einem neckischen Tonfall gestellt, kam von einer Gestalt, die nun auf die Steinfläche an der Spitze der Treppenflucht trat.

Sharpe vergaß augenblicklich die Herrlichkeit der Kathedrale. »Miss Parker?« Er wusste, dass er grinste wie ein Tor, doch er konnte nicht anders. Es war nicht nur Piratenstolz, der ihn veranlasst hatte zu kämpfen, sondern auch die Erinnerung an ein Mädchen, das einen blauen Rock und einen rostroten Umhang trug und ihm so oft ein bezauberndes Lächeln schenkte. Er drehte sich um und wies auf den stillen Palast, der von den Franzosen gehalten wurde. »Ist es nicht zu gefährlich, sich hier aufzuhalten?«

»Mein lieber Lieutenant, ich habe einen ganzen Tag in der Höhle des Löwen verbracht! Glauben Sie, ich wäre in größerer Gefahr, nachdem Sie einen derartigen Sieg errungen haben?«

Sharpe lächelte über das Kompliment. Während er die letzten Stufen hinter sich brachte, erwiderte er es. »Ein Sieg, Miss Parker, zu dem Sie entscheidend beigetragen haben.« Er verneigte sich vor ihr. »Meine untertänigste Gratulation. Ich hatte unrecht, und Sie hatten recht.«

Louisa, die sich über das Lob ehrlich freute, lachte auf. »Oberst de l'Eclin glaubt, er könne Ihnen im Ulla-Tal östlich von Padron eine Falle stellen. Ich habe ihn um drei Uhr heute Morgen beobachtet.« Sie trat in die Mitte der vorgelagerten Steinfläche, die über der weiten Plaza eine Art Bühne bildete. »Hier hat er gestanden, Lieutenant, und eine Rede an seine Männer gehalten. Sie haben den Platz gefüllt. Reihe um Reihe blanker Helme, die im Fackelschein schimmerten. Und all diese Männer haben dem Oberst zugejubelt. Ich hätte nie geglaubt, jemals so etwas miterleben zu können! Gejubelt haben sie, und dann sind sie fortgeritten, ihrem großen Sieg entgegen.«

Sharpe überlegte, wie knapp doch der Sieg dieses Tages errungen worden war. Zusätzliche tausend Mann unter de l'Eclins rücksichtslosem Kommando hätten Vivars Angriff abgeschlagen. Doch der Oberst der Kaiserlichen Gardejäger hatte sich von Louisa täuschen und nach Süden locken lassen.

»Wie haben Sie es nur geschafft, ihn zu überzeugen?«

»Mit reichlich Tränen und gut gespieltem Widerstreben, ihm überhaupt etwas anzuvertrauen. Erst nach langem Zureden hat er die fatale Wahrheit aus mir herausgeholt.« Louisa schien sich über die eigene Gerissenheit lustig zu machen. »Am Ende hat er mich vor die Wahl gestellt: Ich könne in der Stadt bleiben oder mit meiner Tante in La Coruña wiedervereint werden. Wenn ich mich entschieden hätte, hierzubleiben, hätte das in seinen Augen bedeutet, dass ich noch Hoffnungen auf eine Wende habe, und er hätte meiner Information nicht getraut. Daher habe ich ihn angefleht, mich mit meiner trauernden Familie zu vereinen, und der Oberst ist losgeritten.« Sie drehte vor Freude eine Pirouette. »Ich sollte heute Mittag nach La Coruña aufbrechen. Sehen Sie nun, was für ein Schicksal Sie mir erspart haben?«

»Hatten Sie denn keine Angst zu bleiben?«

»Natürlich, hatten Sie denn keine Angst zu kommen?«

Er lächelte. »Ich werde dafür bezahlt, Angst zu haben.«

»Und Angst zu machen. Sie sehen Furcht einflößend aus, Lieutenant.« Louisa begab sich zu mehreren Kisten, die offen neben dem Eingang zur Kathedrale standen, ließ sich auf einer davon nieder und strich sich eine widerspenstige Locke aus den Augen. »Diese Kisten«, sagte sie, »waren mit Beutegut aus der Kathedrale gefüllt. Die Franzosen haben das meiste davon in der vergangenen Woche weggeschafft, aber Don Blas hat einiges gerettet.«

»Das wird ihn freuen.«

»Nicht sehr«, erwiderte Louisa schnippisch. »Die Franzosen haben die Kathedrale entweiht. Sie haben ihre Schätze geplündert und die meisten Wandbehänge heruntergerissen. Don Blas ist nicht glücklich. Aber das Gonfalon ist heil angekommen und unter Bewachung, deshalb kann das Wunder seinen Lauf nehmen.«

»Gut.« Sharpe setzte sich, zog seinen Degen, legte sich die Klinge über die Knie und kratzte das Blut ab, weil sonst die Gefahr bestanden hätte, dass die Klinge rostete.

»Don Blas ist drinnen. Er bereitet den Hochaltar für diesen Unsinn vor.« Louisa entschärfte das Wort mit einem Lächeln. »Zweifellos wünschen Sie sich, er möchte sich damit beeilen, damit Sie sich zurückziehen können?«

»In der Tat, ja.«

»Aber das wird er nicht«, sagte Louisa überzeugt. »Die Priester bestehen darauf, dass der Unsinn richtig gemacht wird, mit der gebührenden Feierlichkeit. Es handelt sich um ein Wunder, Lieutenant, das von Zeugen beobachtet werden muss, die die Nachricht in ganz Spanien verbreiten sollen. Wir warten noch auf die Ankunft einiger Mönche und Klosterbrüder.« Sie lachte fröhlich. »Das ist wie im Mittelalter, nicht wahr?«

»In der Tat.«

»Aber Don Blas meint es ernst, daher müssen wir beide es auch ernst nehmen. Sollen wir hineingehen und ihn aufsuchen?« Louisa sprach mit plötzlicher Begeisterung. »Außerdem müssen Sie sich das Himmelstor ansehen, Lieutenant, eine wahrhaft außergewöhnliche Steinmetzarbeit. Viel eindrucksvoller als die Türen methodistischer Gemeindehäuser, obwohl es schon fast an Verrat grenzt, so etwas zu sagen.«

Sharpe schwieg einige Sekunden lang. Er hatte keine Lust, sich jetzt das sogenannte Himmelstor anzusehen und die Gesellschaft des Mädchens mit den Spaniern zu teilen, die dabei waren, die Kathedrale für die Salbaderei des Abends vorzubereiten. Er wollte hier mit Louisa sitzen bleiben und den Augenblick des Sieges genießen.

»Ich bin ehrlich der Meinung«, sagte sie, »dass dies die glücklichsten Tage meines Lebens waren. Ich beneide Sie.«

»Mich beneiden?«

»Es liegt am Fehlen jeglicher Restriktionen, Lieutenant. Plötzlich gibt es keine Spielregeln mehr, nicht wahr? Sie wollen eine Lüge erzählen? Also lügen Sie einfach! Sie sehnen sich danach, eine Stadt zu schleifen? Sie tun es einfach! Sie möchten ein Feuer entfachen? Dann schlagen Sie einfach den Feuerstein an! Vielleicht sollte ich einer Ihrer Rifles werden.«

Sharpe lachte. »Ich nehme das Angebot an.«

»Aber stattdessen«, sagte Louisa und verschränkte spröde die Arme, »muss ich in den Süden nach Lissabon reisen und dort ein Schiff nach England nehmen.«

»Müssen Sie das denn wirklich?«, sprudelte es aus Sharpe hervor.

Louisa schwieg einen Moment. Rauchgeruch von einem der brennenden Häuser trieb über die Plaza, dann wurde er von einem Windstoß verweht. »Entspricht das nicht dem, was Sie vorhaben?«, fragte sie.

Hoffnung stieg in ihm auf. »Das hängt davon ab, ob wir in Lissabon eine Garnison behalten. Ich bin sicher, dass wir sie behalten werden«, fügte er hinzu, aber es klang alles andere als sicher.

»Mir erscheint es unwahrscheinlich, nach unserer Niederlage.« Louisa drehte sich um und beobachtete eine Gruppe spanischer Jugendlicher, die es geschafft hatten, an den mit der Bewachung der Plaza betrauten Cazadores vorbeizuschlüpfen. Die Knaben hielten eine erbeutete Trikolore hoch, die sie erst in Brand steckten und dann vor dem eingeschlossenen Feind schwenkten. Falls sie gehofft hatten, die Franzosen im Palast mit ihrer Schmähung aufzustacheln, schlug ihr Vorhaben fehl.