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Er stürzte sich vom Wintersonnenschein der Plaza in den Gestank einer Gasse, wo er unter einer Arkade eine Weinstube entdeckte. Sharpe hatte kein Geld, um den Wein zu bezahlen, doch sein Benehmen und die Art, wie er mit der Hand auf den Tisch schlug, veranlassten den Wirt der Taverne, am Fass eine große Flasche zu füllen. Sharpe trug die Flasche und einen Zinnbecher zu einer Nische hinten im Schankraum. Die wenigen Kunden, die um das Feuer kauerten und sein bitteres Gesicht sahen, beachteten ihn nicht - bis auf eine Hure, die sich auf Geheiß des Wirts zögernd neben den fremden Soldaten auf die Bank setzte. Zunächst war Sharpe versucht, sie zu verscheuchen, doch dann winkte er, ihm einen zweiten Becher zu bringen.

Der Schankwirt wischte den Becher an seiner Schürze ab und stellte ihn auf den Tisch. Über dem Bogen der Nische wurde ein Vorhang aus Sackleinen von einer Schlaufe zurückgehalten. Der Wirt griff danach und zog fragend die Augenbrauen hoch.

»Ja«, sagte Sharpe barsch. »Si.«

Der Vorhang fiel, und es wurde dunkel um Sharpe und die junge Frau. Sie kicherte, legte ihm die Arme um den Hals und flüsterte ihm spanische Koseworte zu, bis er sie mit einem Kuss zum Schweigen brachte.

Der Vorhang wurde aufgerissen. Die Frau schrie ängstlich auf.

Blas Vivar trat in die Nische. »Es ist sehr einfach, einem Fremden durch spanische Straßen zu folgen. Hatten Sie gehofft, sich vor mir verstecken zu können, Lieutenant?«

Sharpe legte den linken Arm um die Hure und zog sie an sich, sodass ihr Kopf an seiner Schulter lehnte. Er umschloss mit einer Hand ihre Brust. »Ich habe zu tun, Sir.«

Vivar ignorierte die Provokation und ließ sich Sharpe gegenüber auf die Bank nieder. Er rollte eine Zigarre über den Tisch. »Inzwischen«, sagte er, »muss Oberst de l'Eclin klar geworden sein, dass Miss Parker ihn angelogen hat.«

»Mit Sicherheit«, sagte Sharpe lässig.

»Er wird sich auf den Rückweg machen. Bald wird er einem Flüchtling aus der Stadt begegnen und von der Tragweite seines Fehlers erfahren.«

»Ja.« Sharpe zerrte an den Schnüren am Mieder der Hure. Die Frau versuchte vergebens, ihn davon abzuhalten, doch er blieb beharrlich und schaffte es, ihr Kleid zu öffnen.

Vivars Stimme klang sehr geduldig. »Also rechne ich damit, dass de l'Eclin uns angreifen wird. Sie etwa nicht?«

»Ich nehme an, das wird er.« Sharpe fuhr mit der Hand unter das offene Kleid der Frau und blickte Vivar herausfordernd an.

»Die Verteidigung ist bereit?«, fragte Vivar im Tonfall sanfter Vernunft. Die Hure aus der Taverne hätte genauso gut nicht da sein können, so wenig Notiz nahm er von ihr.

Sharpe antwortete nicht gleich. Er goss sich mit der freien Hand Wein ein, trank den Becher leer und schenkte nach. »Warum in Christi Namen führen Sie Ihren verdammten Unsinn nicht einfach weiter, Vivar? Wir hängen in dieser verfluchten Todesfalle von einer Stadt herum, nur damit Sie in der Kathedrale ein Zauberkunststück vorführen können. Also tun Sie endlich, was Sie tun müssen, und verschwinden dann schleunigst!«

Vivar nickte verständnisvoll. »Mal sehen. Ich habe Cazadores nach Norden und Süden auf Patrouille geschickt. Ich brauche zwei Stunden, um sie zurückzubeordern, vielleicht länger. Wir haben noch nicht jeden Mann in der Stadt aufgetrieben, der mit den Franzosen kooperiert hat, aber die Suche wird fortgesetzt und dürfte noch eine Stunde dauern. Sind alle Vorräte vernichtet?«

»Es gibt, verdammt noch mal, keine Vorräte. Die verfluchten Froschfresser haben sie alle gestern in den Palast geschafft.«

Vivar verzog das Gesicht, als er dies hörte. »Das hatte ich befürchtet. Ich habe bei der Besichtigung der Keller des Palastes große Haufen Getreide und Heu gesehen. Wie schade.«

»Also, führen Sie Ihr Wunder aus und verschwinden Sie.«

Vivar zuckte mit den Schultern. »Ich warte auf die Ankunft eines Kirchenmannes, und ich habe Männer ausgesandt, die nächstgelegenen Brücken über die Ulla zu zerstören. Das ist vor dem Spätnachmittag nicht zu schaffen. Außerdem finde ich, dass Eile keineswegs geboten ist. Gegen Sonnenuntergang werden wir in der Kathedrale so weit sein, könnten also heute Abend aufbrechen anstatt morgen. Aber ich bin der Meinung, wir müssten bereit sein, die Stadt gegen de l'Eclin zu verteidigen, Sie nicht auch?«

Sharpe zog das Gesicht der Hure zu sich heran und küsste sie. Er wusste, dass er sich lümmelhaft benahm, doch er war zu sehr verletzt, und die Eifersucht brannte wie Fieber.

Vivar seufzte. »Wenn es Oberst de l'Eclin misslungen ist, die Stadt vor Einbruch der Nacht zu erobern, wird ihn die Dunkelheit blind machen, und wir werden einfach abziehen. Deshalb halte ich es für angebracht zu warten, bis es Nacht wird, ehe wir aufbrechen. Sie nicht auch?«

»Oder geht es darum, dass Sie Ihr magisches Banner im Dunkeln entfalten wollen? Wunder lassen sich am besten im Schutze der Dunkelheit ausführen, nicht wahr? Damit niemand die verdammte Gaunerei bemerken kann.«

Vivar lächelte. »Ich weiß, mein magisches Banner ist Ihnen, Lieutenant, nicht so wichtig wie mir, aber deshalb bin ich hier. Und wenn es entfaltet wird, will ich so viele Augenzeugen versammelt wissen wie möglich. Die Nachricht muss sich in Windeseile von dieser Stadt aus verbreiten. Sie muss jede Stadt und jedes Dorf in Spanien erreichen. Selbst im fernen Süden muss man Bescheid wissen, dass Santiago in seiner Gruft erwacht ist und sein Schwert erhoben hat.«

Sharpe erschauerte trotz all seiner Skepsis.

Falls Vivar Sharpes Gefühlsaufwallung wahrgenommen hatte, ließ er sich nichts anmerken. »Ich rechne damit, dass Oberst de l'Eclin in den nächsten zwei Stunden eintreffen wird. Er wird sich der Stadt von Süden nähern, aber ich habe den Verdacht, dass er von Westen her angreifen wird, in der Hoffnung, dass uns die untergehende Sonne blendet. Sind Sie bereit, die Verteidigung zu übernehmen?«

»Plötzlich brauchen Sie die verfluchten Engländer wieder, nicht wahr?« Sharpes Eifersucht loderte auf. »Sie glauben, dass die Briten sich davonstehlen, nicht wahr? Dass wir Lissabon im Stich lassen. Dass Ihr kostbares Spanien die Franzosen ohne uns besiegen muss. Dann tun Sie es doch, aber verdammt noch mal ohne mich!«

Vivars momentane Reglosigkeit war ein Hinweis auf den Stolz, der ihn bewegte und ebenso in Wut umschlagen konnte wie Sharpes üble Laune. Die Hure wich zurück, da sie mit Gewalttätigkeiten rechnete, doch als Vivar sich wieder bewegte, geschah es nur, um über den Tisch zu greifen und Sharpes Weinflasche zu nehmen. Seine Stimme klang sehr beherrscht und sehr besonnen.

»Sie haben mir einmal erzählt, Lieutenant, dass niemand von Offizieren, die aus den Mannschaftsrängen des britischen Heeres aufgestiegen sind, Erfolge erwartet. Was haben Sie noch gesagt? Dass die Trunksucht sie zerstört?« Er verstummte, aber Sharpe antwortete nicht. »Ich glaube, Sie könnten ein Soldat von hohem Ansehen werden, Lieutenant. Sie verstehen es zu kämpfen. Sie werden ruhig, wenn andere sich ängstigen. Ihre Männer sind Ihnen gefolgt, selbst als sie Sie gehasst haben, weil Sie ihnen zum Sieg verhelfen konnten. Sie sind ein guter Mann. Aber vielleicht sind Sie nicht gut genug. Vielleicht stecken Sie so voller Selbstmitleid, dass Sie sich durch Trunksucht zugrunde richten werden, oder ...«, Vivar ließ sich endlich herab, die junge Frau mit dem strähnigen Haar zu beachten, die dem Schützen am Hals hing, »... durch die Pocken.«

Während dieses Vortrags hatte Sharpe den Spanier angestarrt, als hätte er am liebsten seinen Degen gezückt und über den Tisch auf ihn eingeschlagen.