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Ich sprang aus meiner Sänfte und eilte nach vorn. Etwa zwanzig Meter entfernt befand sich der Rand eines jener dunklen, schmutzigen Tümpel, die ich bereits erwähnte, und der Pfad, dem wir folgten, zog sich an dessen ziemlich steilem Ufer entlang. Als ich auf den Tümpel blickte, sah ich zu meinem Schreck, daß darin Billalis Sänfte schwamm, doch Billali selbst war nirgends zu sehen. Folgendes war geschehen: Einer von Billalis Trägern war unglücklicherweise auf eine sich sonnende Schlange getreten, die ihn ins Bein biß. Daraufhin ließ er die Tragestange los und hielt sich, als er das Gleichgewicht verlor und das Ufer hinabzustürzen drohte, an der Sänfte fest, wodurch er diese mit sich riß. Die anderen Träger ließen sie gleichfalls los, und sie rutschte zusammen mit Billali und dem Mann, welchen die Schlange gebissen hatte, hinab in den schlammigen Tümpel. Als ich an den Rand des Wassers trat, war keiner von ihnen zu se-hen, und der unglückliche Träger blieb auch für immer verschwunden. Entweder war er mit dem Kopf auf irgend etwas Hartes aufgeschlagen oder der Schlamm hielt ihn fest oder der Schlangenbiß hatte ihn gelähmt. Billali war, wie gesagt, ebenfalls nicht zu sehen, doch an der heftig sich bewegenden Sänfte, in deren Tücher und Vorhänge er sich verwickelt hatte, erkannte man doch wenigstens, wo er sich befand.

»Dort ist er! Dort ist unser Vater!« rief einer der Männer, doch rührte weder er noch einer der anderen auch nur einen Finger, um ihm zu helfen. Sie standen wie angewurzelt da und starrten ins Wasser.

»Platz da, ihr Halunken!« rief ich auf englisch, warf meinen Hut weg, nahm einen Anlauf und sprang mit einem mächtigen Satz in den gräßlichen schlammigen Tümpel hinein. Einige Stöße brachten mich zu dem unter dem Tuch zappelnden Billali.

Irgendwie - ich weiß es selbst nicht genau - gelang es mir, ihn zu befreien, und sein ehrwürdiger, mit Schlamm bedeckter Kopf, der einem gelbhäutigen, mit Efeu geschmückten Bacchuskopf glich, tauchte aus dem Wasser auf. Das übrige war einfach, denn Billali war vernünftig genug, sich nicht, wie Ertrinkende dies häufig tun, an mich zu klammern. So brauchte ich ihn nur am Arm zu packen und ans Ufer zu schleppen, wo man uns durch den Schlamm nach oben zog. Ich habe weder zuvor noch danach je zwei Menschen gesehen, die so schmutzig waren wie wir, und man kann sich vielleicht einen Begriff von Billalis nahezu übermenschlicher Würde machen, wenn ich sage, daß er, hustend, halb ertrunken, bedeckt mit Schlamm und grünem Schleim, die von seinem schönen Bart herabtropften wie vom frisch pomadisierten Zopf eines Chinesen, immer noch ehrwürdig und ehrfurchtgebietend aussah.

»Ihr Hunde«, rief er den Trägern zu, sobald er seine Sprache wiedergefunden hatte, »ihr hättet mich, euren Vater, ruhig ertrinken lassen! Hätte mir dieser Fremdling, mein Sohn, der Pavian, nicht geholfen, so wäre ich sicherlich ertrunken. Ich werde es mir merken!« Und er sah sie mit seinen funkelnden, ein wenig wäßrigen Augen auf eine Weise an, die ihnen, obgleich sie düster und gleichgültig dreinblickten, wie ich merkte, gar nicht gefiel.

»Was dich betrifft, mein Sohn«, wandte sich der Alte, meine Hand ergreifend, an mich, »so lasse dir versichern, daß ich jetzt dein Freund bin, mag Böses oder Gutes kommen. Du hast mir mein Leben gerettet; vielleicht werde ich dereinst das deine retten.«

Danach säuberten wir uns, so gut es ging, holten die Sänfte aus dem Tümpel und setzten die Reise ohne den Mann, der ertrunken war, fort. Ich weiß nicht, ob es daran lag, daß er unbeliebt gewesen war, oder an ihrer angeborenen Gleichgültigkeit und Selbstsucht - jedenfalls schien sich keiner über seinen plötzlichen Tod zu grämen; höchstens die Männer, welche seine Arbeit übernehmen mußten.

11

Die Ebene von Kor

Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang verließen wir zu meiner ungeheuren Erleichterung das Sumpfgebiet und betraten festes, in sanften Wellen ansteigendes Land. Am Fuß des ersten Hügels machten wir halt, um zu übernachten. Ich sah sofort nach Leo. Sein Zustand war eher noch schlimmer als am Morgen, und nun kam noch etwas anderes, überaus Besorgniserregendes hinzu: er begann zu erbrechen und tat dies bis zum frühen Morgen. Ich schloß in jener Nacht kein Auge, denn ich half Ustane, die sich als eine äußerst geschickte und unermüdliche Krankenpflegerin erwies, Leo und Job zu betreuen. Die Luft war hier zum Glück warm und angenehm, und es gab so gut wie keine Moskitos. Außerdem befanden wir uns über dem Sumpfnebel, der zu unseren Füßen lag wie ein da und dort von Irrlichtern durchzucktes Dunstmeer.

Als der nächste Morgen anbrach, phantasierte Leo heftig und bildete sich ein, er sei in zwei Hälften gespalten. Ich machte mir schreckliche Sorgen und fragte mich voll Angst, wie dieser Anfall wohl ausgehen würde. Ich hatte nur gar zu oft davon gehört, wie solche Anfälle endeten! Während ich so bei Leo saß, kam Billali und sagte, wir müßten sofort weiter, vor allem Leos wegen, denn wenn dieser nicht innerhalb der nächsten zwölf Stunden an einen Ort gebracht würde, wo er Ruhe und die erforderliche Pflege fände, habe er möglicherweise nur noch zwei Tage zu leben. Ich konnte nicht umhin, ihm beizustimmen, und so legten wir Leo in seine Sänfte und brachen auf. Ustane ging neben ihm her, um die Fliegen zu verscheuchen und aufzupassen, daß er nicht herausfiel.

Ungefähr eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang erreichten wir den Gipfel des ersten Hügels, und eine wunderschöne Aussicht bot sich uns. Vor uns lag ein fruchtbarer Landstrich mit üppigen Wiesen, Blumen und Bäumen. Dahinter, nach meiner Schätzung etwa achtzehn Meilen entfernt, ragte jäh aus der Ebene ein merkwürdiger, gewaltiger Berg empor. Den Fuß dieses Berges bildete ein grasbedeckter Abhang, der etwa fünfhundert Fuß hoch sein mochte, und aus diesem ragte schroff und steil eine zwölf- bis fünfzehnhundert Fuß hohe nackte Felswand auf. Der Berg, unzweifelhaft vulkanischen Ursprungs, war nahezu rund, doch da für uns natürlich nur ein Abschnitt sichtbar war, ließ sich sein Umfang, der gewaltig sein mußte, nur schwer abschätzen. Später stellte ich fest, daß er eine Fläche von nicht weniger als fünfzig Quadratmeilen bedeckte. Etwas Großartigeres und Imposanteres als diese riesige natürliche Festung, die einsam und erhaben aus der Ebene emporragte, habe ich nie gesehen. Die Einsamkeit erhöhte noch den majestätischen Eindruck, und ihre hochaufragenden, in Wolken gehüllten Zinnen schienen den Himmel zu berühren.

Ich richtete mich in meiner Sänfte auf und starrte über die Ebene hinweg auf dieses imposante, majestätische Bild, und anscheinend bemerkte dies Billali, denn seine Sänfte tauchte sogleich neben mir auf.

»Das, mein Sohn, ist der Palast unserer Herrscherin >Sie<!« sagte er. »Welche Königin hat je einen solchen Thron besessen?«

»Er ist wunderbar, mein Vater«, erwiderte ich. »Aber wie kommen wir da hinein? Es dürfte sehr schwer sein, diese Felsen zu ersteigen.«

»Warte nur ab, mein Pavian. Schau einmal auf diesen Weg dort unten. Was, glaubst du, ist das? Du bist doch ein weiser Mann. Komm, sage es mir.«

Ich blickte hinunter und sah eine Art mit Gras bedeckter Landstraße, die direkt auf den Fuß des Berges zuführte. Zu ihren beiden Seiten erhoben sich hohe, da und dort unterbrochene Erdwälle, deren Zweck ich nicht erkennen konnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, aus welchem Grund man eine Landstraße eingedämmt hatte.

»Ich nehme an, mein Vater, daß es eine Straße ist«, sagte ich, »oder sollte es ein Flußbett sein? Nein«, fügte ich hinzu, denn mir fiel die schnurgerade Richtung auf, »eher ein Kanal.«