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Und mit einer kleinen koketten Bewegung wandte sie sich ein wenig zur Seite, hob ihren Arm und zeigte mir ihre ganze Lieblichkeit und ihr volles rabenschwarzes Haar, das in sanften Wellen über ihr weißes Gewand fast bis zu ihren mit Sandalen bedeckten Füßen hinabwallte.

»Deine Schönheit ist es, die mir Angst macht, o Königin«, erwiderte ich demütig, ohne mir meiner Worte recht bewußt zu sein, und mir war, als hörte ich den alten Billali, der immer noch lang ausgestreckt auf dem Boden lag, leise murmeln: »Gut, mein Pavian, gut gesagt!«

»Wie ich sehe, versteht ihr Männer es immer noch, uns Frauen durch Schmeicheleien zu betören. Nein, Fremdling«, erwiderte sie mit einem Lachen, das wie fernes Läuten silberner Glocken klang, »du fürchtest dich, weil mein Blick in dein Herz drang - deshalb fürchtest du dich. Doch da ich eine Frau bin, verzeihe ich dir, denn du hast nur aus Höflichkeit gelogen. Aber jetzt sage mir: Wie kamst du hierher ins Land der Höhlenbewohner - ins Land der Sümpfe und der bösen Mächte und der Schatten der Toten? Was sucht ihr hier? Warum ist euch euer Leben so wenig wert, daß ihr es in die Hand Hiyas, in die Hand der Herrscherin >Sie< legt? Erzähle mir, woher du meine Sprache kennst? Es ist eine uralte Sprache, ein anmutiges Kind des Syrischen. Ist sie noch am Leben in der Welt? Wie du siehst, wohne ich inmitten von Höhlen und Toten und weiß nichts von den Angelegenheiten der Menschen - will auch gar nichts davon wissen. Ich lebe nur meinen Erinnerungen, o Fremdling, und meine Erinnerungen liegen in einem Grab, das ich selbst mit meinen Händen geschaufelt habe, denn wahrlich: das Menschenkind schafft sich selbst sein Geschick«, und ihre schöne Stimme zitterte und brach ab mit einem Laut, der wie Vogelzwitschern klang. Ihr Blick fiel plötzlich auf die lang hingestreckte Gestalt Billalis, und sie schien sich zu besinnen.

»Ah, du bist ja auch da, Alter. Sag mir, warum kannst du in deinem Haushalt nicht Ordnung halten? Mir scheint, diese meine Gäste sind überfallen worden. Ja, und einer von ihnen wäre beinahe mit dem heißen Topf getötet und von diesen Ungeheuern, deinen Kindern, gegessen worden, und hätten die anderen nicht tapfer gekämpft, so wären auch sie erschlagen worden, und nicht einmal ich hätte ihnen das aus dem Körper entwichene Leben zurückgeben können. Was soll das heißen, Alter? Was hast du mir zu sagen, damit ich dich nicht jenen übergebe, die meine Rache vollziehen?«

Sie hatte voll Zorn ihre Stimme erhoben, und sie hallte klar und kalt von den Felswänden wider. Auch war es mir, als sähe ich durch den verhüllenden Schleier ihre Augen aufblitzen, und ich bemerkte, wie der arme Billali, den ich für einen überaus furchtlosen Mann gehalten hatte, vor Angst erzitterte.

»O Hiya! O Sie!« sagte er, ohne seinen weißen Kopf vom Boden zu erheben. »O Sie, sei so gnädig wie du groß bist, denn ich bin wie immer dein gehorsamer Diener. Es war nicht meine Absicht oder Schuld, o Sie - schuld sind jene Bösen, die sich meine Kinder nennen. Von einem Weibe aufgehetzt, welches dein Gast, das Schwein, abgewiesen hatte, wollten sie gemäß der alten Sitte unseres Landes den fetten schwarzen Fremdling verzehren, der mit deinen anderen Gästen, dem Pavian und dem kranken Löwen, hierherkam, denn hinsichtlich des Schwarzen hattest du keinen Befehl erteilt. Doch als der Pavian und der Löwe ihr Vorhaben erkannten, töteten sie das Weib und ihren Diener, um ihn vor den Schrecken des Topfes zu retten. Da befiel diese Bösen, diese Kinder des Bösen, der in dem Abgrund haust, ein Blutrausch, und sie stürzten sich auf den Löwen, den Pavian und das Schwein. Doch diese setzten sich tapfer zur Wehr. O Hiya! Sie kämpften wie wahre Männer und töteten viele und wichen nicht zurück, und dann kam ich und rettete sie und schickte die Übeltäter hierher nach Kor, auf daß du, o Sie, in deiner Größe sie richten mögest.«

»Ich weiß, Alter, und morgen werde ich in der großen Halle zu Gericht über sie sitzen - sei unbesorgt. Was dich betrifft, so will ich dir, wenngleich schweren Herzens, verzeihen. Sieh zu, daß du deinen Haushalt besser in Ordnung hältst. Nun geh.«

Billali erhob sich mit erstaunlicher Behendigkeit auf seine Knie, verneigte sich dreimal und kroch, seinen weißen Bart über den Boden schleifend, durch das Gemach zurück, bis er schließlich zwischen den Vorhängen verschwand und mich zu meiner nicht geringen Bestürzung mit diesem unheimlichen und doch höchst faszinierenden Weib zurückließ.

13

Ayesha entschleiert sich

»Er ist fort, der weißbärtige alte Narr«, sagte >Sie<. »Ach, wie wenig Wissen erwirbt doch der Mensch in seinem Leben.

Wie Wasser sucht er es zu sammeln, doch wie Wasser rinnt es durch seine Finger, und sind seine Finger auch nur ein wenig benetzt, so ruft gleich ein Heer von Narren: >Seht, welch ein Weiser!< Ist es nicht so? Doch sag mir, wie heißt du? Er nennt dich >Pavian<«, fuhr sie lachend fort, »doch das ist bei diesen Wilden, denen es an Phantasie mangelt, so Brauch. Sie geben einander die Namen von Tieren, denen sie ähneln. Wie nennt man dich in deinem eigenen Land, Fremdling?«

»Ich heiße Holly, o Königin«, erwiderte ich.

»Holly«, wiederholte sie ein wenig mühsam, doch mit einem entzückenden Akzent. »Und was bedeutet >Holly<?«

»Holly ist ein stacheliger Baum[10]«, sagte ich.

»Ja, wirklich, du siehst aus wie ein Baum mit Stacheln, stark und häßlich. Doch wenn mich nicht alles täuscht, so bist du durch und durch ehrlich und verläßlich. Und auch ein scharfer Denker. Doch komm, Holly, bleibe nicht dort stehen; tritt ein und setze dich zu mir. Ich möchte nicht, daß du vor mir kriechst wie jene Sklaven. Ihrer Verehrung und ihrer Furcht bin ich müde; manchmal, wenn sie mich belästigen, hätte ich fast Lust, sie umzubringen.« Sie zog mit ihrer elfenbeinweißen Hand den Vorhang weg, und ich trat schaudernd ein. Dieses Weib war schrecklich. Hinter den Vorhängen befand sich ein Alkoven, etwa zwölf Fuß lang und zehn Fuß breit; darin standen ein Ruhebett und ein Tisch mit einer Schale voller Früchte und einem Krug klaren Wassers. Daneben stand ein ebenfalls mit Wasser gefülltes steinernes Becken. Mehrere Lampen in der Form der bereits erwähnten schönen Krüge erfüllten den Raum mit sanftem Licht, und ein zarter Duft hing in der Luft. Auch das herrliche Haar und das weiße Gewand der Herrscherin schienen einen angenehmen Duft auszuströmen. Ich trat in das kleine Gemach und blieb unschlüssig stehen.

»Setze dich«, sagte sie und deutete auf das Ruhebett. »Noch hast du keinen Grund, mich zu fürchten. Und wenn du Grund hast, wird deine Furcht nicht lange dauern, denn ich werde dich töten. Sei also leichten Herzens.«

Ich setzte mich auf das Fußende des Ruhebettes neben das Wasserbecken, und sie ließ sich sanft auf das andere Ende nieder.

»Sag, Holly«, fragte sie, »wie kommt es, daß du Arabisch sprichst? Es ist meine eigene liebe Sprache, denn ich bin von Geburt Araberin, ja sogar >al Arab al Ariba<, eine Araberin der Araber, aus dem Geschlecht unseres Vaters Yarab, dem Sohne Kahtans, geboren in der schönen alten Stadt Ozal in der glücklichen Provinz Jemen. Doch du sprichst die Sprache anders, als wir sie zu sprechen pflegten. Deiner Rede fehlt der süße Wohllaut der Hamyars, die ich meistens sprechen hörte. Auch einige deiner Worte lauten anders als bei den Amahaggern, welche das Arabische entstellt und verunreinigt haben, so daß ich mit ihnen fast in einer mir fremden Sprache reden muß.«[11]

»Ich habe sie viele Jahre lang studiert«, erwiderte ich. »Auch spricht man sie noch in Ägypten und anderen Ländern.«

»Sie wird also noch gesprochen, und es gibt noch ein Ägypten? Welcher Pharao sitzt heute auf dem Thron? Immer noch einer aus der Brat des Persers Ochus, oder sind die Achämeniden dahingegangen?«

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10

engl. Stechpalme

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11

Yarab, der Sohn Käthans, der einige Jahrhunderte vor Abraham lebte, war der Stammvater der alten Araber und gab dem Land seinen Namen. Mit ihrer Andeutung, daß sie >al Arab al Ariba<, eine Araberin der Araber sei, wollte sie offenbar sagen, daß sie aus echt arabischem Blute stammte und nicht von den naturalisierten Arabern, den Abkömmlingen Ismaels, des Sohnes Abrahams und Hagars, welche >al Arab al mostareba< genannt werden. Die Sprache der Koreischiten galt zwar als das reine, >kla-re< Arabisch, die Sprache der Hamyars aber stand dem Altsyrischen an Reinheit näher. - L. H. H.