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Ich stand vor den Vorhängen, und da sie nicht ganz geschlossen waren, konnte ich deutlich die kleine Höhle dahinter sehen. Sie sah aus wie eine Grabkammer und war erhellt von einem Feuer, das rauchlos und mit weißlicher Flamme in ihrer Mitte brannte. Ja, dort zur Linken war eine steinerne Bahre mit einem etwa drei Zoll hohen Rand, und darauf schien ein Leichnam zu liegen, bedeckt mit einem weißen Tuch. Rechts befand sich eine ähnliche Bahre, auf der einige bestickte Decken lagen. Über das Feuer beugte sich die Gestalt einer Frau; sie wandte mir die Seite und das Gesicht dem Leichnam zu und war in einen schwarzen Mantel gehüllt wie eine Nonne. Sie schien in die flackernde Flamme zu starren. Plötzlich, während ich noch nachdachte, was ich tun sollte, richtete die Frau, wie von einer ungeheuren Energie getrieben, sich auf und warf den schwarzen Mantel ab.

Es war Ayesha!

Sie trug wie vorhin, als sie sich entschleiert hatte, das makellos weiße, über ihrem Busen weit ausgeschnittene Gewand, um die Taille zusammengehalten von der barbarischen doppelköpfigen Schlange, und ihr gewelltes schwarzes Haar fiel auch jetzt lose über ihren Rücken. Was meinen Blick anzog und mich bannte, doch diesmal nicht durch die Macht seiner Schönheit, sondern durch die Furchtbarkeit seines Ausdrucks, war ihr Gesicht. Es war schön wie je, doch in den bebenden Zügen, in den nach oben verdrehten Augen lag eine Qual, eine blinde Leidenschaft und eine grauenvolle Rachsucht, die ich nicht zu schildern vermag.

Während sie einen Augenblick regungslos verharrte, die Hände hoch über den Kopf erhoben, glitt ihr weißes Gewand hinab bis zu dem goldenen Gürtel und enthüllte die blendende Schönheit ihres Leibes. So stand sie mit geballten Fäusten da, und der schreckliche Ausdruck ihres Gesichts nahm immer mehr an Bosheit zu.

Plötzlich fragte ich mich, was wohl geschehen würde, wenn sie mich entdeckte, und bei diesem Gedanken wurde mir ganz übel. Doch ich glaube, selbst wenn ich gewußt hätte, daß es meinen Tod bedeutete, wenn ich stehenblieb, hätte ich mich nicht von der Stelle gerührt - so fasziniert war ich. Dabei war ich mir der Gefahr, in der ich mich befand, durchaus bewußt. Wenn sie mich hörte oder durch die Vorhänge sah, wenn ich nur nieste oder ihre Zauberkraft ihr meine Anwesenheit verriet, so war mein Schicksal besiegelt.

Nun ließ sie die geballten Hände sinken und streckte sie dann wieder hoch über den Kopf, und so wahr ich ein Ehrenmann bin - die weiße Flamme schlug ihnen nach, fast bis zur Decke, und warf einen wilden, unheimlichen Schein auf >Sie<, die weiße Gestalt auf der Bahre und das Felsgestein.

Wieder senkten sich die Elfenbeinarme, und dabei sprach oder besser zischte sie etwas auf arabisch, in einem Ton, der mein Blut erstarren und für einen Augenblick mein Herz stillstehen ließ.

»Fluch über sie, möge ewig sie verflucht sein.«

Die Arme fielen herab, und die Flamme sank. Dann hoben sie sich wieder, und die breite Feuerzunge schoß hoch und dann wieder nieder.

»Fluch ihrem Andenken - Fluch dem Andenken der Ägypterin.«

Arme und Flamme hoben sich und fielen.

»Fluch über sie, die Tochter des Nils, wegen ihrer Schönheit.

Fluch über sie und ihre magische Kraft, die mich besiegt hat.

Fluch über sie, weil sie mir meinen Geliebten entrissen hat.«

Und wieder sank die Flamme in sich zusammen.

Sie schlug die Hände vor die Augen und rief:

»Was nützt das Fluchen? - Sie hat gesiegt und ist entkommen.«

Dann begann sie wieder, in noch zornigerem Ton:

»Fluch über sie, wo sie auch sein mag. Mögen meine Flüche sie erreichen und ihre Ruhe stören.

Fluch über sie durch alle Sternensphären. Verflucht sei ihr Schatten.

Möge meine Macht sie selbst dort finden.

Möge sie selbst dort mich vernehmen. Möge sie sich in der Finsternis verbergen.

Möge sie in den Abgrund der Verzweiflung stürzen, denn eines Tages werde ich sie finden.«

Wieder fiel die Flamme, und wieder schlug sie die Hände vor die Augen.

»Ach, es ist sinnlos, sinnlos«, schluchzte sie. »Wer kann denn jene erreichen, die schlafen? Nicht einmal ich kann es.«

Und dann begann sie wieder mit ihrem schrecklichen Ritus.

»Fluch über sie, wenn sie noch einmal geboren werden sollte. Möge sie verflucht geboren werden.

Möge sie zutiefst verflucht sein von der Stunde ihrer Geburt, bis der Schlaf sie findet.

Ja, verflucht möge sie sein; denn dann wird meine Rache sie erreichen und gänzlich vernichten.«

Und so ging es weiter. Die Flamme stieg und fiel und spiegelte sich in ihren qualvollen Augen; das Zischen ihrer furchtbaren Verwünschungen rollte die Wände entlang und erstarb, immer leiser widerhal-lend, und abwechselnd fielen grelles Licht und tiefer Schatten auf die unheimliche weiße Gestalt, die auf der Bahre lag.

Schließlich jedoch schien sie erschöpft und hielt in-ne. Sie setzte sich auf den steinigen Boden nieder, ließ die Woge ihres schönen Haares über Gesicht und Brust fallen und verfiel in herzzerreißendes, verzweifeltes Schluchzen.

»Zweitausend Jahre«, stöhnte sie, »zweitausend Jahre habe ich gewartet und ausgeharrt; doch obgleich Jahrhundert in Jahrhundert fließt und Zeit um Zeit verstreicht, hat doch der Schmerz der Erinnerung nicht nachgelassen, und das Licht der Hoffnung wird nicht heller. Oh, zweitausend Jahre habe ich gelebt, und stets fraß die Leidenschaft an meinem Herz, stets stand die Sünde vor meinen Augen. Oh, daß das Leben mir nicht Vergessen bringen kann! Oh, über all die trostlosen Jahre, die gewesen sind und noch kommen werden und immer wieder kommen, ewig und ohne Ende!

Mein Geliebter! Mein Geliebter! Mein Geliebter! Warum mußte dieser Fremdling mich an dich erinnern? Fünfhundert Jahre habe ich nicht so gelitten. Oh, wenn ich mich an dir versündigt habe, löschte ich die Sünde denn nicht aus? Wann wirst du zurückkehren zu mir, die alles hat und ohne dich doch nichts hat? Was kann ich tun? Was? Was? Was? Und vielleicht weilt sie, die Ägypterin, bei dir, dort, wo du bist, und spottet meines Andenkens. Oh, warum konnte ich nicht mit dir sterben, ich, die dich tötete? Ach, daß ich nicht sterben kann! Ach! Ach!« Und sie warf sich der Länge nach auf den Boden und schluchzte und weinte, bis ich dachte, das Herz müsse ihr brechen.

Plötzlich verstummte sie, erhob sich, ordnete ihr Gewand und stürzte, ihre langen Locken ungeduldig zurückwerfend, zu der Gestalt, die auf der steinernen Bahre lag.

»O Kallikrates!« rief sie, und ich erbebte bei dem Namen. »Ich muß wieder dein Gesicht schauen, so schmerzvoll es auch für mich sein mag. Ein Menschenalter ist es her, seit ich dich, den ich erschlug, ja, mit meiner Hand erschlug, zuletzt anblickte«, und mit zitternden Fingern ergriff sie den Saum des Tuches, das die Gestalt umhüllte, und hielt dann inne. Als sie wieder sprach, tat sie es in einem furchtsamen Flüstern, als sei selbst ihr der Gedanke allzu schrecklich.

»Soll ich dich erwecken«, sagte sie, offenbar den Toten anredend, »auf daß du wieder vor mir stehst wie einst? Ich kann es tun«, und sie hielt ihre Hände über den umhüllten Leichnam, und eine schrecklich anzusehende Starre befiel ihren ganzen Körper, und ihre Augen wurden trüb und leblos. Ich zuckte entsetzt hinter dem Vorhang zusammen, und die Haare sträubten sich mir auf dem Kopf, und - ich weiß nicht, war es Einbildung oder Wirklichkeit - es schien mir, als erbebe die reglose Gestalt unter dem Tuche, als rege sich dieses wie auf der Brust eines Schlafenden. Plötzlich zog sie die Hände zurück, und mir war, als höre der Leichnam auf, sich zu bewegen.

»Was soll's?« sagte sie düster. »Was nützt es, die irdische Hülle ins Leben zurückzurufen, wenn nicht der Geist wiedererweckt werden kann? Selbst wenn du vor mir stündest, würdest du mich nicht kennen und könntest nur tun, was ich dir befehle. Das Leben in dir wäre mein Leben, und nicht das deine, Kal-likrates.«