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Ich folgte ihm durch den Gang, und als wir uns der großen Haupthöhle näherten, sahen wir, daß auch viele Amahagger, teils in weiße Gewänder gekleidet, teils nur mit der süßen Einfachheit eines Leopardenfells bedeckt, ihr gleichfalls zustrebten. Wir mischten uns unter sie und schritten durch die ungeheure, fast unabsehbare Höhle. Ihre Wände bedeckten kunstvolle Skulpturen, und in regelmäßigen Abständen zweigten von ihr Seitengänge ab, welche, wie Billali mir sagte, zu Grabkammern führten, die >das Volk, das vor uns war<, aus dem Fels herausgeschlagen hatte. Niemand, so erklärte er, besuchte diese Gräber heute noch; und ich muß gestehen, daß bei dem Gedanken, welche Möglichkeiten zur Altertumsforschung sich mir hier boten, mein Herz höher schlug.

Endlich kamen wir zum Ende der Höhle, wo sich eine Felsplattform befand, die fast genau jener glich, auf der wir so wütend angegriffen worden waren -was mir zu beweisen schien, daß diese Podeste einst als Altäre gedient hatten, wahrscheinlich zur Abhaltung religiöser Feierlichkeiten oder der mit der Beisetzung der Toten verbundenen Riten. Beiderseits dieser Plattform führten, wie Billali mir zuflüsterte, Gänge zu anderen Höhlen voller Toter. »Der ganze Berg«, sagte er, »ist voller Toter, und sie sind fast alle vollkommen erhalten.«

Vor der Plattform hatte sich eine große Anzahl Menschen beiderlei Geschlechts versammelt, die in ihrer unheimlichen finsteren Art, die selbst den größten Witzbold binnen fünf Minuten in einen Trauerkloß verwandelt hätte, vor sich hinstarrten. Auf der Plattform stand ein massiver Stuhl aus Ebenholz mit Elfenbeinintarsien mit einem aus Grasfasern geflochtenen Sitz, an dem eine Fußbank aus Holz befestigt war.

Plötzlich ertönte der Ruf »Hiya! Hiya!« (»Sie! Sie!«), worauf die ganze Zuschauerschar sich zu Boden warf und regungslos, als ob sie alle der Schlag getroffen hätte, liegenblieb. Nur ich blieb stehen, als sei ich der einzige Überlebende eines Massakers, Gleich darauf trat eine lange Reihe von Wächtern aus einem Gang zur Linken und nahm beiderseits der Plattform Aufstellung. Dann folgten etwa zwanzig stumme Männer und ebenso viele stumme Frauen, die Lampen in den Händen trugen, und schließlich eine schlanke weiße, von Kopf bis Fuß verhüllte Gestalt, in der ich >Sie< erkannte. Sie bestieg die Plattform, nahm auf dem Stuhl Platz und richtete in griechischer Sprache das Wort an mich - vermutlich, damit die anderen Anwesenden sie nicht verstanden.

»Komm zu mir, o Holly«, sagte sie, »setze dich zu meinen Füßen nieder und sieh zu, wie ich jene richte, die dich erschlagen wollten. Verzeih mir, wenn mein Griechisch hinkt wie ein Lahmer; es ist so lange her, seit ich es hörte, daß meine Zunge steif geworden ist und sich den Worten nicht recht fügen will.«

Ich verneigte mich, stieg auf die Plattform und setzte mich zu ihren Füßen nieder.

»Wie hast du geschlafen, mein Holly?« fragte sie.

»Nicht gut, o Ayesha«, erwiderte ich wahrheitsgetreu und mit der inneren Befürchtung, sie wüßte vielleicht, wie ich die Mitternachtsstunde verbracht hatte.

»So«, sagte sie mit leisem Lachen. »Auch ich habe nicht gut geschlafen. Ich hatte letzte Nacht Träume, und mir scheint, du hast sie mir geschickt, o Holly.«

»Wovon hast du geträumt, Ayesha?« fragte ich gleichmütig.

»Ich träumte«, entgegnete sie rasch, »von einem, den ich liebe, und von einer, die ich hasse«, und dann wandte sie sich, das Gespräch abbrechend, an den Hauptmann ihrer Leibgarde und sagte auf arabisch: »Laß die Männer vor mich bringen.«

Der Hauptmann verneigte sich tief - die Wächter und ihre Bedienten hatten sich nicht zu Boden geworfen, sondern waren stehen geblieben - und verschwand mit seinen Untergebenen in einem Gang zur Rechten.

Tiefes Schweigen herrschte. >Sie< stützte den verschleierten Kopf auf die Hand und schien in Gedanken versunken, während die Menge vor ihr auf den Bäuchen liegenblieb und nur hin und wieder einer den Kopf ein wenig hob, um einen verstohlenen Blick auf uns zu werfen. Anscheinend zeigte sich ihre Königin ihnen so selten, daß sie diese Unbequemlichkeit und noch größere Gefahren gern auf sich nahmen, um sie einmal anzusehen, oder besser ihr Gewand, denn kein Lebender außer mir hatte je ihr Gesicht geschaut. Endlich tauchten aus dem Gang Lichter auf, und man hörte Männerschritte; gleich darauf erschien die Leibgarde mit den Überlebenden unserer Angreifer, etwa zwanzig an der Zahl, auf deren Gesichtern der von Natur aus düstere Ausdruck mit der Angst kämpfte, die anscheinend ihre Herzen erfüllte. Sie traten vor die Plattform und schickten sich an, sich gleich den Zuschauern auf den Boden zu werfen, doch >Sie< sagte im sanftesten Ton:

»Nein, bleibt stehen; ich bitte euch, bleibt stehen. Vielleicht wird bald die Zeit kommen, da ihr des langen Liegens müde seid«, und sie lachte melodisch.

Ich sah, wie ein Schauder des Entsetzens die verdammten Kreaturen durchzuckte, und Mitleid mit ihnen erfüllte mich, so üble Schurken sie auch waren. Zwei oder drei Minuten vergingen, ohne daß etwas geschah. Nach der Bewegung ihres Kopfes zu schließen - die Augen konnten wir ja nicht sehen - schien sie jeden einzelnen Missetäter langsam und sorgfältig zu mustern.

Endlich fragte sie mich in ruhigem, festem Ton: »Erkennst du, o mein Gast, diese Männer?«

»Ja, o Königin, ich erkenne sie fast alle«, sagte ich und bemerkte, wie sie mich wütend anstarrten.

»Dann berichte mir und dieser großen Versammlung, was geschehen ist.«

Ich kam dieser Aufforderung nach und erzählte mit möglichst wenig Worten von dem Kannibalenfest und dem Versuch, unseren armen Diener auf qualvolle Weise zu töten. Mein Bericht wurde von den Angeklagten wie von den Versammelten und der Königin in tiefem Schweigen aufgenommen. Als ich geendet hatte, rief Ayesha Billali an, und dieser bestätigte, den Kopf vom Boden hebend, doch liegenbleibend, meine Geschichte. Weiteres Zeugnis wurde nicht eingeholt.

»Ihr habt gehört«, sagte >Sie< schließlich mit kalter, klarer Stimme, deren Ton mir ganz fremd war. Es war, nebenbei bemerkt, eine der seltsamsten Eigenschaften dieses merkwürdigen Geschöpfes, ihre Stimme auf wunderbare Weise der jeweiligen Stimmung anpassen zu können. »Was habt ihr aufrührerischen Kinder gegen eure Bestrafung einzuwenden?«

Eine Weile kam keine Antwort, doch schließlich ergriff einer der Männer, ein prächtiger, muskulöser Bursche mittleren Alters mit scharfgeschnittenen Gesicht und Habichtsaugen, das Wort und sagte, man habe ihnen lediglich befohlen, die weißen Männer zu schonen; von ihrem schwarzen Diener sei nicht die Rede gewesen, und deshalb hätten sie, aufgehetzt von einem Weib, das nun tot sei, versucht, ihn nach der alten, ehrwürdigen Sitte ihres Landes mit dem heißen Topf zu töten, um ihn zu verzehren. Was ihren Angriff auf uns beträfe, so sei er in einem plötzlichen Wutanfall erfolgt, und sie bedauerten ihn tief. Zum Schluß bat er demütig um Gnade; oder man möge sie wenigstens nur in die Sümpfe verbannen, damit sie dort, wie es sich fügte, lebten oder stürben. Ich merkte jedoch seiner Miene an, daß er nur wenig Hoffnung auf Gnade hatte.

Eine Pause folgte, in der tiefes Schweigen herrschte, und das Bild, das sich mir im Schein der flackernden, Licht und Schatten auf die Felswände werfenden Lampen bot, war eins der unheimlichsten, die ich je gesehen habe. Auf dem Boden vor der Plattform lagen wie leblos hingestreckt die Zuschauer, in langen Reihen, die sich schließlich im dunklen Hintergrund der Höhle verloren. Vor ihnen standen dicht zusammengedrängt die Missetäter, bemüht, ihre Todesangst hinter gelassenen Mienen zu verbergen, rechts und links flankiert von den weißgekleideten, mit großen Speeren und Dolchen bewaffneten Wächtern und den stummen Weibern und Männern, die sie mit hartem, neugierigem Blick betrachteten. Über ihnen allen saß auf ihrem barbarischen Thron, ich zu ihren Füßen, das weiß verschleierte Weib, dessen Schönheit und grauenhafte Macht es wie ein Glorienschein zu umschweben schienen oder wie der Schein eines unsichtbaren Lichtes. Nie erschien mir ihre verhüllte Gestalt schrecklicher als in diesem Augenblick, da sie auf Vergeltung sann.