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»Spotte meiner nicht«, stöhnte die Unglückliche; »töte mich und mache ein Ende.«

»Nein, warum? Es ist nicht gut; von der Lippen Liebesglut so rasch dem kalten Mund des Grabes sich zuzuwenden«, und sie gab den Stummen ein Zeichen, worauf diese vortraten und das Mädchen an den Armen ergriffen. Mit einem Fluch stürzte Leo sich auf den ihm nächsten, schleuderte ihn zu Boden und blieb mit düsterer Miene und geballten Fäusten über ihm stehen.

Wieder lachte Ayesha. »Gut gemacht, mein Gast; für einen, der vor so kurzer Zeit noch krank war, hast du einen starken Arm. Doch jetzt ersuche ich dich, schone diesen Mann und lasse ihn meinen Befehl ausführen. Er wird dem Mädchen nichts tun; die Nachtluft ist kalt, und meine Gemächer stehen ihr zur Verfügung. Jemandem, dem du so gewogen bist, gehört natürlich auch meine Gunst.«

Ich packte Leo am Arm und zog ihn von dem am Boden liegenden Stummen weg. Widerspruchslos ließ er es geschehen. Darauf begaben wir uns zur Höhle. Auf dem Plateau, über das wir gingen, war von dem Feuer, das zum Tanz geleuchtet hatte, nur noch ein Haufen weißer Menschenasche übrig, und die Tänzer selbst waren verschwunden.

Bald traten wir in Ayeshas Boudoir - nur allzubald, wie es mir schien, denn eine düstere Vorahnung dessen, was nun geschehen würde, bedrückte mein Herz.

Ayesha nahm auf ihren Kissen Platz, befahl ihren Dienerinnen, nach den Lampen zu sehen, und schickte sie - bis auf ihre Lieblingsdienerin - zusammen mit Job und Billali hinaus. Wir drei blieben stehen, die unglückliche Ustane ein wenig abseits zu unserer Linken.

»Nun, o Holly«, begann Ayesha, »wie kommt es, daß du hörtest, wie ich dieser Missetäterin« - sie deutete auf Ustane - »gebot, von hier fortzugehen, du, auf dessen Bitten ich ihr törichterweise das Leben schenkte - wie kommt es, frage ich, daß du teilnahmst an dem, was ich heute abend sah? Antworte, und um deiner selbst willen, merke, sprich die Wahrheit, denn ich bin nicht gewillt, in dieser Sache Lügen zu dulden!«

»Es war ein Zufall, o Königin«, erwiderte ich. »Ich wußte nichts davon.«

»Ich will dir glauben, o Holly«, sagte sie in eisigkaltem Ton, »und dies ist, sei versichert, zu deinem Besten. Somit liegt die ganze Schuld bei ihr.«

»Ich finde keinerlei Schuld darin«, warf Leo ein. »Sie ist keines anderen Mannes Weib, und offenbar hat sie mich nach dem Brauch dieses schrecklichen Landes geehelicht. Was ist also Schlechtes daran? Jedenfalls, Madame«, fuhr er fort, »habe, was immer sie getan hat, auch ich getan, und deshalb muß, wenn sie bestraft wird, ich ebenfalls bestraft werden. Aber ich sage dir«, rief er, sich in Wut redend, »wenn du einem von diesen taubstummen Halunken befiehlst, sie wieder anzurühren, reiße ich ihn in Stücke!« Und man sah ihm an, daß er es ernst meinte.

Ayesha lauschte in eisigem Schweigen und erwiderte nichts. Als er geendet hatte, wandte sie sich jedoch an Ustane:

»Hast du etwas zu sagen, Weib? Du leichtfertiges Ding, du Feder, gedachtest du, dem Sturm meines Willens trotzend, deiner albernen Leidenschaft zu frönen? Sprich doch, damit ich dich verstehe. Warum hast du das getan?«

Und nun wurde ich Zeuge eines Mutes, einer Unerschrockenheit, die fast unglaublich scheinen. Denn das arme Mädchen, das sich wohl bewußt war, was es von seiner schrecklichen Königin zu erwarten hatte, und das aus bitterer Erfahrung die Macht seiner Rivalin kannte, nahm sich zusammen und schöpfte aus seiner tiefen Verzweiflung die Kraft, ihr die Stirn zu bieten.

»Ich tat es, o Königin«, antwortete sie, sich zu ihrer vollen Größe aufrichtend und das Leopardenfell von ihrem Kopf streifend, »weil meine Liebe stärker als der Tod ist. Ich tat es, weil für mich ein Leben ohne diesen Mann, den mein Herz erwählte, nichts als ein lebender Tod wäre. Deshalb setzte ich mein Leben aufs Spiel, und nun, da ich weiß, daß es verwirkt ist, bin ich froh, daß ich dies tat, denn er hat mich noch einmal umarmt und mir gesagt, daß er mich noch liebt.«

Ayesha erhob sich halb von ihrem Ruhebett und sank gleich wieder darauf nieder.

»Mir eignet keine Zauberkraft«, fuhr Ustane mit heller, fester Stimme fort; »ich bin weder eine Königin noch unsterblich, doch das Herz eines Weibes geht nicht leicht unter, so tief das Wasser auch sein mag, o Königin, und die Augen eines Weibes sind scharf -sie sehen sogar durch deinen Schleier, o Königin!

Höre: Ich weiß, du liebst diesen Mann gleich mir, und deshalb willst du mich, die ich dir im Wege stehe, vernichten. Ja, ich bin bereit, zu sterben und in die Finsternis zu gehen, obgleich ich nicht weiß, wohin ich gehen werde. Doch eines weiß ich. In meiner Brust strahlt ein Licht, und im Schein dieses Lichtes sehe ich die Wahrheit, sehe die Zukunft, die nicht mein ist, sich entfalten wie eine Schriftrolle. Als ich meinen Gebieter« - und sie deutete auf Leo - »zum ersten Male sah, da wußte ich, daß sein Brautgeschenk an mich der Tod sein wird - diese Erkenntnis überkam mich ganz plötzlich, doch ich wich nicht zurück, denn ich war bereit, den Preis zu zahlen, und siehe, nun bin ich des Todes! Doch so wie ich dieses wußte, so weiß ich jetzt, auf der Schwelle des Verderbens stehend, daß du die Früchte deines Verderbens nicht ernten wirst. Denn er ist mein, und mein wird er bleiben, mag deine Schönheit auch strahlen wie eine Sonne unter Sternen. Niemals in diesem Leben wird er dir in die Augen schauen und dich seine Gattin nennen. Auch du bist verdammt« - und ihre Stimme klang wie der Schrei einer von Gottes Geist erfüllten Prophetin -, »ich sehe - ah, ich sehe -«

Da ertönte ein Schrei des Zorns und Schreckens. Ich wandte mich um. Ayesha war aufgesprungen und deutete mit ausgestreckter Hand auf Ustane, die plötzlich verstummt war. Während ich das arme Weib ansah, nahm ihr Gesicht den gleichen leidvollen, schreckensstarren Ausdruck an, den ich schon einmal gesehen hatte, als sie ihre wilden Verwünschungen ausstieß. Ihre Augen weiteten sich, ihre Nasenflügel bebten, ihre Lippen erbleichten.

Ayesha sagte nichts, gab keinen Laut von sich; sie richtete sich nur, ihren Arm ausstreckend, auf und starrte, während ihre hohe, verschleierte Gestalt wie Espenlaub zitterte, auf ihr Opfer. Plötzlich fuhren Ustanes Hände hoch zu ihrem Kopf, sie stieß einen gellenden Schrei aus, drehte sich zweimal um sich selbst und stürzte rücklings auf den Boden. Leo und ich eilten zu ihr, doch sie war schon tot - erschlagen durch einen geheimnisvollen elektrischen Strom oder die überwältigende Willenskraft, über welche die schreckliche >Sie< gebot.

Einen Augenblick schien Leo nicht zu begreifen, was geschehen war, doch als er es erfaßte, war sein Gesicht gräßlich anzusehen. Mit einem wilden Fluch sprang er auf und stürzte sich auf Ayesha. Doch sie war auf der Hut und streckte, als sie ihn kommen sah, wieder ihre Hand aus. Taumelnd wich er zurück, und hätte ich ihn nicht aufgefangen, wäre er gefallen. Später erzählte er mir, ihm sei gewesen, als habe er einen heftigen Schlag auf die Brust erhalten und als habe ihn alle Manneskraft verlassen.

Da sprach Ayesha. »Vergib mir, mein Gast«, sagte sie mit sanfter Stimme zu ihm, »wenn mein Gericht dich schreckte.«

»Dir vergeben, du Teufelsweib?« schrie der arme Leo, in seinem Zorn und Kummer die Hände ringend. »Dir vergeben, du Mörderin! Beim Himmel! Töten will ich dich!«

»Nein, nein«, entgegnete sie in dem gleichen sanften Ton, »du weißt ja nichts - doch nun sollst du alles erfahren. Du bist mein Geliebter, mein Kallikrates, mein Schöner, mein Starker! Zweitausend Jahre lang, Kallikrates, habe ich auf dich gewartet, und nun endlich bist du zu mir zurückgekehrt. Und dieses Weib«, sie deutete auf den Leichnam, »stand zwischen dir und mir - deshalb mußte es sterben, Kallikrates.«