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»Ayesha, ich liebe dich von ganzem Herzen, und soweit dies in meiner Macht steht, vergebe ich dir Ustanes Tod. Was sonst gewesen ist, mußt du mit deinem Schöpfer abmachen; ich weiß nichts davon. Ich weiß nur, daß ich dich liebe, wie ich nie zuvor geliebt, und daß ich, mag es nah oder fern sein, bis zum Ende der Deine bleiben werde.«

»Nun«, erwiderte Ayesha in stolzer Demut, »da mein Gebieter so königlich spricht und mich so reich beglückt, will ich ihm in Worten nicht nachstehen und mich an Hochherzigkeit beschämen lassen. Siehe!« und sie nahm seine Hand und legte sie auf ihr schönes Haupt und sank langsam vor ihm nieder, bis ihr Knie einen Augenblick den Boden berührte, »siehe! zum Zeichen meiner Ergebenheit sinke ich vor meinem Herrn aufs Knie! Siehe!« und sie küßte ihn auf den Mund, »zum Zeichen meiner Liebe küsse ich meinen Herrn. Siehe!«, und sie legte ihre Hand auf sein Herz, »bei meiner Sünde, bei den Jahrhunderten der Einsamkeit und des Wartens, die sie tilgten, bei der großen Liebe, die mich erfüllt, und bei dem Ewigen Geist, der alles Leben zeugt und zu dem alles Leben wiederum zurückkehren muß - schwöre ich:

Ich schwöre in dieser ersten heiligsten Stunde erfüllter Weiblichkeit, daß ich dem Bösen entsagen und mich dem Guten verschreiben will. Ich schwöre, daß ich, geleitet von deinem Wort, stets dem geraden Pfad der Pflicht folgen will. Ich schwöre, daß ich allen Ehrgeiz ablegen und mir für alle meine endlosen Tage die Weisheit zum Leitstern küren will, der mich zur Wahrheit und zur Erkenntnis des Rechten führen soll. Ich schwöre, daß ich dich ehren und lieben will, Kallikrates, den die Woge der Zeit zurück in meine Arme trieb, ja, bis ans Ende, mag es bald kommen oder spät. Ich schwöre - nein, genug der Schwüre, was sind schon Worte? Doch du wirst erkennen, daß Ayeshas Zunge frei von Falsch ist.

Ich habe es geschworen, und du, mein Holly, bist Zeuge meines Eides. Nun, mein Gatte, sind wir vermählt, vermählt bis ans Ende aller Tage - das Dunkel ist unser Traualtar, und das Gelübde unserer Ehe schreiben wir in den Sturm, der es empor zum Him-mel tragen soll und immer wieder rund um diese Welt, so lange sie sich dreht.

Als Hochzeitsgabe setze ich dir aufs Haupt die Sternenkrone meiner Schönheit und schenke dir unbegrenztes Leben, Weisheit ohne Maß und unbeschränkten Reichtum. Siehe! Die Großen dieser Welt sollen dir zu Füßen liegen, ihre schönen Frauen vor dem strahlenden Glanz deiner Gestalt die Augen sich verhüllen, und ihre Weisen soll dein Wissen beschämen. Du sollst in den Herzen der Menschen lesen wie in einem offenen Buch und sie führen, wohin es dir beliebt. Gleich jener alten Sphinx Ägyptens sollst ewiglich du über ihnen thronen, anflehen sollen sie dich, ihnen das Rätsel deiner unvergänglichen Größe zu enthüllen, und du sollst mit deinem Schweigen ihrer spotten!

Siehe! Noch einmal küsse ich dich, und mit diesem Kuß gebe ich dir Herrschaft über Land und Meer, über den Bauer in seiner Hütte, über den König in seinem Palast, über die mit Türmen gekrönten Städte und alle, die in ihnen wohnen. So weit der Sonne Strahlen reichen, wo immer in stillen Wassern der Mond sich spiegelt, wo immer Stürme brausen und des Himmels blauer Bogen sich wölbt - vom reinen schneeverhüllten Norden bis zum liebestrunkenen Süden, der auf dem blauen Lager der Meere ruht gleich einer Braut -, soll deine Macht sich erstrecken, deine Herrschaft eine Heimstatt haben. Keine Krankheit, weder Furcht noch Sorge noch Vergänglichkeit des Leibes und des Geistes, wie sie allen anderen Menschen drohen, sollen mit den Schatten ihrer Flügel dich auch nur streifen. Einem Gotte gleich sollst du Gut und Böse in deiner Hand halten, und ich, selbst ich, demütige mich vor dir. Dies ist die Macht der Liebe, dies die Hochzeitsgabe, die ich dir schenke, Kallikrates, Geliebter, mein Gebieter und Gebieter des Alls.

Nun ist es geschehen; nun habe ich meine Jungfräulichkeit dir hingegeben; und ob Sturm kommt, ob Sonnenschein, ob Gutes oder Böses, ob der Tod -nichts kann es jemals ungeschehen machen. Denn wahrhaft, es ist, was ist, und was geschehen ist, ist geschehen für immer und unabänderlich. - Doch jetzt laßt uns aufbrechen, damit alles in rechter Ordnung sich erfüllt«, und eine der Lampen ergreifend, schritt sie uns voran zum Ende der von dem schwankenden Stein überdachten Kammer und blieb dort stehen.

Wir folgten ihr und bemerkten in der Wand des Felskegels eine Treppe oder besser einige vorspringende Steinzacken, die einer Treppe ähnelten. Ayesha sprang flink wie eine Gemse hinab, und wir folgten ihr weniger anmutsvoll. Nach etwa zehn oder zwölf derartigen Stufen endete die Treppe in einem schrecklich steilen Abhang, der sich zuerst nach außen und dann nach innen wandte. Trotz seiner Steilheit war er jedoch nicht unpassierbar, und wir stiegen ihn beim Licht der Lampe ohne große Mühe hinab, obgleich wir uns bei dem Gedanken, daß wir in das Innere eines toten Vulkans eindrangen, ganz und gar nicht behaglich fühlten. Zur Vorsicht prägte ich mir den Weg so gut wie möglich ein; was gar nicht so schwierig war, denn überall lagen Felsbrocken von höchst merkwürdiger und phantastischer Gestalt herum, von denen viele in dem schwachen Licht den grimmigen Fratzen mittelalterlicher Wasserspeier glichen.

Lange stiegen wir so hinab, mindestens eine halbe Stunde, bis wir nach vielen hundert Fuß endlich die Spitze des umgekehrten Kegels erreichten. Dort befand sich die Mündung eines Ganges, der so niedrig und eng war, daß wir uns bücken und im Gänsemarsch hindurchkriechen mußten. Nach etwa fünfzig Metern erweiterte sich der Gang plötzlich zu einer Höhle, die so riesengroß war, daß wir weder ihre Decke noch ihre Wände erkennen konnten. Nur am Echo unserer Schritte, der tiefen Stille und der stickigen Luft erkannten wir, daß es eine Höhle war. Viele Minuten lang schritten wir in ehrfurchtsvollem Schweigen weiter wie verlorene Seelen im Hades, vor uns Ayeshas weiße, geisterhaft schwebende Gestalt, bis wiederum die Höhle in einem Gang endete, der in eine zweite, viel kleinere Höhle führte. Deutlich konnten wir ihre gewölbte Decke und die Wände erkennen, und aus ihrem zerklüfteten Aussehen schlossen wir, daß sie gleich dem Gang, der uns durch das Innere des Felsens zu dem zitternden Felssporn geführt, durch eine ungeheure Gasexplosion entstanden war. Diese Höhle endete schließlich in einem dritten Gang, durch den ein schwacher Lichtschimmer drang.

Ich hörte, wie Ayesha erleichtert seufzte, als sie dieses Licht erblickte.

»Macht euch bereit«, sprach sie, »den tiefsten Schoß der Erde zu betreten, in dem sie das Leben empfängt, das Mensch und Tier erfüllt - ja jeden Baum und jede Blume. Seid bereit, o Männer, denn hier sollt ihr neu geboren werden!«

Flink eilte sie voran, und voll Furcht und Neugier stolperten wir ihr nach, so gut es ging. Was für ein Anblick würde sich uns bieten? Während wir den Gang hinabliefen, wurde der Lichtschein immer heller, und seine grellen Büschel trafen uns wie die Strahlen eines Leuchtturms, die einer nach dem an-dern über dunkle Meeresweiten huschten. Doch dies war nicht alles, denn mit den Strahlen drang uns ein markerschütterndes Getöse entgegen, das wie das Donnern und Krachen vom Blick gefällter Bäume klang. Nun waren wir am Ende des Ganges und - o Himmel!

Wir standen in einer dritten Höhle, etwa fünfzig Fuß lang und hoch und dreißig Fuß breit. Ihr Boden war mit feinem weißen Sand bedeckt und ihre Wände durch irgendeinen mir unbekannten Prozeß seltsam geglättet. Die Höhle war nicht finster wie die anderen, sondern vom milden Schein eines rosigen Lichts erfüllt, schöner als alles, was ich je gesehen hatte. Wir sahen zuerst jedoch keine Strahlen und hörten das donnernde Geräusch nicht mehr. Plötzlich aber, als wir so dastanden, voll Staunen das wunderbare Bild betrachteten und uns fragten, woher dieser riesige Lichtschein wohl kam, geschah etwas Schreckliches und zugleich unsagbar Schönes. Vom anderen Ende der Höhle kam ein lautes Zischen und Krachen, welches so unheimlich und furchteinflößend war, daß wir alle erschauderten und Job sogar auf die Knie sank, und eine mächtige Wolke oder Säule aus Feuer, vielfarbig wie ein Regenbogen und grell wie ein Blitz, flammte auf. Vielleicht vierzig Sekunden lang schoß sie lodernd und donnernd und langsam sich im Kreise drehend empor, dann wurde der fürchterliche Lärm allmählich leiser und verstummte, während das Feuer verlosch, und zurück blieb nur der rosige Lichtschein, den wir anfangs gesehen hatten.