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»Tretet näher, tretet näher!« rief Ayesha in jubelndem Ton. »Sehet den Quell, das Herz des Lebens, wie es pocht im Busen der großen Welt. Sehet den Stoff, aus dem alle Dinge ihre Kraft ziehen, den strahlenden Geist der Welt, ohne den sie nicht leben kann, sondern erkalten und sterben muß wie der tote Mond. Tretet näher und badet in den lebenden Flammen und laßt ihre Kraft in all ihrer jungfräulichen Stärke in eure armseligen Körper strömen - nicht wie sie jetzt schwach in euren Busen glüht, gefiltert durch die feinen Siebe Tausender dazwischen befindlicher Leben, sondern so, wie sie hier ist im Quell und Sitz allen irdischen Seins.«

Wir folgten ihr durch den rosigen Lichtschein zum Ende der Höhle, bis wir schließlich an der Stelle standen, wo der mächtige Puls schlug und die große Flamme entsprang. Und während wir uns ihr näherten, erfüllte uns eine wilde, köstliche Empfindung, ein herrliches Gefühl solch ungestümer Lebenskraft, daß unsere bisherige Stärke uns matt und lahm und schwach erschien. Es war das bloße Fluidum der Flamme, der hauchfeine Äther, den sie zurückgelassen hatte, der auf uns wirkte und uns das Gefühl verlieh, wir seien stark wie Riesen und flink wie Adler.

Als wir das andere Ende der Höhle erreichten, blickten wir einander in dem herrlichen Lichtschein an und brachen in unserer Leichtherzigkeit und göttlichen Berauschtheit in lautes Lachen aus - selbst Job, der seit einer Woche nicht ein einziges Mal gelacht hatte. Mir war, als seien alle genialen Kräfte, deren der menschliche Geist fähig ist, in mir aufgeblüht. Ich hätte Verse von Skakespearescher Schönheit sprechen können, und allerlei großartige Gedanken durchzuckten mich; es schien, als hätten sich die Fesseln meines Fleisches gelöst, als sei mein Geist frei, sich zum himmlischen Reiche seines Ursprungs emporzuschwingen. Die Empfindungen, die mich durchströmten, sind unbeschreiblich. Erfüllt von neuem, klarerem Leben und fähig einer nie empfundenen Freude, schien ich aus einem Pokal tieferen Wissens zu schlürfen, als mir je beschieden war. Mein Selbst war wie verwandelt und verklärt, und sämtliche Bereiche des Möglichen lagen offen vor mir.

Da plötzlich, während ich mich an dieser wunderbaren Kraft meines neugefundenen Selbst berauschte, drang von fernher ein unheimliches brodelndes Geräusch an mein Ohr, welches langsam zu einem Krachen und Tosen anschwoll und alles Schreckliche und alles Schöne, das einem Ton nur innewohnen kann, in sich vereinte. Näher und immer näher kam es, auf uns zurollend, wie alle Donnerräder des Himmels hinter den Pferden des Blitzes, und mit ihm die strahlend helle Wolke vielfarbigen Lichtes, die eine Weile, langsam sich um sich drehend, vor uns stehenblieb und dann, begleitet von dem Donnerlärm -wohin, weiß ich nicht - entschwand.

So überwältigend war dieser Anblick, daß wir uns alle, bis auf >Sie<, die aufrecht dastand und ihre Hände dem Feuer entgegenstreckte, davor niederwarfen und die Gesichter im Sand verbargen.

Als es verschwunden war, sprach Ayesha.

»Endlich, Kallikrates«, sagte sie, »ist der große Augenblick gekommen. Wenn die Flamme wiederkehrt, mußt du in ihr baden. Wirf deine Kleider von dir, denn sie würde sie verbrennen, obgleich sie dich selbst nicht verletzen wird. Du mußt in der Flamme stehen bleiben, solange deine Sinne es ertragen, und wenn sie dich umarmt, sauge das Feuer tief bis zu deinem Herzen ein und laß es jeden Teil von dir umspielen, so daß kein Hauch von seiner Kraft verlorengeht. Hast du mich verstanden, Kallikrates?«

»Ja, ich habe verstanden, Ayesha«, erwiderte Leo, »doch, obwohl ich wahrlich kein Feigling bin, fürchte ich dieses schreckliche Feuer. Wie kann ich wissen, ob es mich nicht gänzlich zerstören wird, so daß ich mich und auch dich verliere? Trotzdem will ich es tun«, fügte er hinzu. Ayesha dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Es wundert mich nicht, daß du dich fürchtest. Sage mir, Kallikrates: Wenn du mich in der Flamme stehen und unversehrt aus ihr hervortreten sähest, würdest du dich ihr auch anvertrauen?«

»Ja«, antwortete er, »ich will es tun, selbst wenn sie mich tötet! Ja, ich will es tun!«

»Und ich will es auch!« rief ich.

»Ei, mein Holly!« lachte sie laut. »Ich dachte, du wolltest nichts von langem Leben wissen? Hast du dich eines anderen besonnen?«

»Ich weiß nicht«, entgegnete ich, »doch eine innere Stimme ruft mir zu, von der Flamme zu kosten und aus ihr Lebenskraft zu schöpfen.«

»Das höre ich gern«, sagte sie. »So bist du also doch nicht ganz der Torheit verfallen. Seht, ich will ein zweites Mal in diesem Lebensquell mich baden. Vielleicht kann ich dadurch meine Schönheit und meine Lebensspanne noch vergrößern. Und sollte dies nicht möglich sein, so kann es mir doch gewiß nicht schaden.

Doch es gibt noch einen anderen Grund«, fuhr sie nach kurzer Pause fort, »warum ich noch einmal in das Feuer tauchen will. Als ich das erstemal von seiner Kraft kostete, war mein Herz voll Leidenschaft, voll Haß auf diese Ägypterin Amenartas, und deshalb sind trotz allen Strebens, mich davon zu befreien, Leidenschaft und Haß seit jener traurigen Stunde meiner Seele eingeprägt geblieben. Jetzt aber ist es anders. Jetzt bin ich glücklicher Stimmung, und reinste Gedanken erfüllen mich, und so soll es für immer sein. Darum, Kallikrates, will ich noch einmal in die Flamme tauchen und mich reinigen und läutern, auf daß ich deiner noch mehr würdig bin. Darum auch verbanne du, wenn du in dem Feuer stehst, alles Böse aus deinem Herzen und lasse milden Frieden in deine Seele ziehen. Entfalte die Schwingen deines Geistes, gedenke deiner Mutter Kuß und beschwöre in dir das Höchste herauf, das je auf silbernen Schwingen durch die Stille deiner Träume schwebte. Denn aus dem Keime dessen, was in diesem erhabenen Augenblick du bist, wird die Frucht dessen erwachsen, was du hinfort für alle Zeiten sein wirst.

Nun rüste dich, nun sei bereit, als nahe deine letzte Stunde, als solltest du ins Land der Schatten treten und nicht durch der Glorie Pforten in das Reich strahlend schönen Lebens. Sei bereit!«

26

Was wir sahen

Es folgte eine kurze Pause, in der Ayesha all ihre Kraft für die Feuerprobe zu sammeln schien, während wir dicht aneinandergedrängt in tiefem Schweigen warteten.

Endlich ertönte aus weiter Ferne das erste leise Grollen, das immer lauter anschwoll, bis es in Krachen und Donnern überging. Als Ayesha es hörte, warf sie rasch ihren Schleier ab, löste den Schlangengürtel, hüllte sich in ihr langes Haar und streifte unter dessen Schutz ihr Gewand ab, worauf sie den Gürtel wieder um die wallenden Wogen ihres Haares legte. So wie Eva vor Adam gestanden haben mochte, stand sie vor uns, nur umhüllt von üppigen Locken, welche das goldene Band zusammenhielt; und keine Worte reichen aus, zu schildern, wie schön sie war, wie göttlich schön. Immer näher rollten des Feuers Donnerräder, und während sie ihrer harrte, streckte sie ihren Elfenbeinarm durch die dunkle Flut ihres Haares und legte ihn um Leos Hals.