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»Oh, mein Geliebter, mein Geliebter!« flüsterte sie, »wirst du je wissen, wie sehr ich dich liebte?«, und nachdem sie ihn auf die Stirn geküßt, trat sie nach kurzem Zögern in den Weg der Lebensflamme.

Ihre Worte und der Kuß, welchen sie auf Leos Stirne hauchte, rührten mich zutiefst. Er glich dem Kuß einer Mutter, und es schien, als wolle sie ihn damit segnen.

Das Donnergrollen nahte, und es klang, als ob ein mächtiger Sturm einen Wald niederreiße, als hebe er ihn dann wie Gras empor und schleudere ihn krachend einen Hang hinab. Näher und näher kam es; jetzt flammten Blitze auf, Vorboten der sich drehenden Feuersäule schossen Pfeilen gleich durch den rosigen Schein; und jetzt erschien der Rand der Säule selbst. Ayesha wandte sich ihr zu, die Arme ihr zum Gruß entgegenstreckend. Ganz langsam schwebte sie heran und umhüllte sie mit ihren Flammen. Ich sah, wie das Feuer züngelnd ihren Leib emporkroch. Ich sah, wie sie es mit beiden Händen gleich Wasser schöpfte und über ihren Kopf goß. Ich sah den Mund sie öffnen und es tief in ihre Lungen saugen, und es war ein schaurigschönes Bild. Dann hielt sie inne, streckte ihre Arme aus und stand ganz still, ein himmlisches Lächeln auf ihrem Antlitz, als sei sie selbst der Geist des Feuers.

Die geheimnisvollen Flammen umspielten die Wogen ihrer dunklen Locken, wie goldene Fäden sich durch und um sie windend; sie liebkosten ihre weiße Brust und Schulter, von der das Haar herabgeglitten war; sie strichen über ihren schlanken Hals und ihre zarten Züge und schienen ihre Augen mit überirdischem Glänze zu erfüllen.

Oh, wie war sie schön in dieser Flamme! Kein Engel des Himmels konnte sie an Liebreiz übertreffen. Noch heute stockt mein Herzschlag, wenn ich daran denke, wie sie so dastand, lächelnd über unsere Furcht, und mit Freuden würde ich die Hälfte der auf dieser Erde mir noch zugemessenen Zeit dafür geben, sie noch einmal so zu sehen.

Doch plötzlich - schneller als ich es beschreiben kann - veränderte sich ihre Miene, auf eine Weise, die sich weder schildern noch erklären läßt. Das Lächeln verschwand, und ein düsterer, harter Blick trat an seine Stelle; das rundliche Gesicht schien sich zu verzerren, als drücke eine große Angst ihm seinen Stempel auf. Der Glanz in ihren Augen erlosch, ja es schien gar, als schwinde ihrer Gestalt makellose Form und Anmut.

Ich rieb mir die Augen, mich das Opfer einer Sinnestäuschung wähnend, und während ich es tat, entfernte sich die Flammensäule donnernd und kehrte, Ayesha stehenlassend, in den unbekannten Schoß der Welt zurück.

Sobald sie verschwunden war, trat Ayesha wieder an Leos Seite - ihr Schritt war, wie mir schien, nicht mehr so federnd - und streckte ihre Hand aus, um sie auf seine Schulter zu legen. Ich starrte auf ihren Arm. Wo war seine wundervolle Rundung und Schönheit? Er wurde dünn und dürr, und ihr Gesicht - beim Himmel! -, ihr Gesicht alterte vor meinen Augen! Vermutlich sah es Leo ebenfalls, denn er wich einen Schritt zurück.

»Was ist dir, mein Kallikrates?« sagte sie, und ihre Stimme wo war der tiefe Wohlklang ihrer Stimme? Sie klang fast schrill und kreischend.

»Wie ist mir denn?« sagte sie verwirrt. »Mir ist so schwindlig. Die Eigenschaft des Feuers kann sich doch nicht geändert haben. Ist es möglich, daß das Prinzip des Lebens sich ändert? Sag mir, Kallikrates, was ist mit meinen Augen? Ich kann nicht klar sehen«, und sie hob die Hand und legte sie auf ihr Haar - und o Schrecken aller Schrecken! - es fiel zu Boden.

»Oh, seht! - seht! - seht!« kreischte Job in höchstem Entsetzen, und seine Augen traten ihm fast aus dem

Kopf, und Schaum trat auf seine Lippen. »Seht! -seht! - seht! Sie schrumpft zusammen! Sie wird zu einem Affen«, und schäumend und zähneknirschend stürzte er, von einem Krampf gepackt, zu Boden.

Und in der Tat - mir schwinden heute noch, während ich dies niederschreibe, vor dieser gräßlichen Erinnerung die Sinne -, sie begann zu schrumpfen! Die goldene Schlange, die ihre liebliche Gestalt umschlossen hatte, glitt über ihre Hüften und fiel zu Boden; immer kleiner wurde sie; ihre Haut verfärbte sich, und das makellose schimmernde Weiß wurde zum schmutzigen Braun und Gelb eines alten, zerfallenden Pergaments. Sie griff nach ihrem Kopf: die zarte Hand war nur noch eine Klaue, eine menschliche Kralle, wie man sie bei schlecht erhaltenen Mumien sieht; und dann schien ihr bewußt zu werden, welche Veränderung mit ihr vor sich ging, und sie schrie auf - mein Gott, was für ein Schrei! - und wälzte sich schreiend auf dem Boden.

Immer und immer kleiner wurde sie, bis sie nicht mehr größer war als ein Affe. Tausend Runzeln durchzogen ihre Haut, und ihr häßliches Gesicht trug den Stempel unsagbaren Alters. Ich habe dergleichen nie gesehen; kein Mensch auf Erden sah je solch grauenhaftes Alter wie jenes, das ihr Gesicht prägte, das nicht mehr größer war als das eines Säuglings, obgleich der Schädel immer noch die gleiche Größe hatte, und alle Menschen mögen darum beten, daß sie vor solchem Anblick bewahrt bleiben, wollen sie ihren Verstand behalten.

Endlich lag sie ganz still oder schien nur ganz schwach sich noch zu rühren. Sie, vor zwei Minuten noch das schönste, edelste, herrlichste Weib, das je die Welt gesehen, lag regungslos vor uns, neben sich die Lockenpracht ihres eigenen dunklen Haares, nicht größer als ein Affe und häßlich - ach, so häßlich, daß es sich nicht schildern läßt! Und doch, man bedenke -in jenem Augenblick kam mir der Gedanke - war es dasselbe Weib.

Sie lag im Sterben: wir sahen es und dankten Gott dafür - denn solange sie lebte, fühlte sie, und was muß sie gefühlt haben? Sie stützte sich auf ihre knochigen Hände und blickte mit trüben Augen um sich, den Kopf gleich einer Schildkröte langsam hin und her bewegend. Sicherlich konnte sie nichts mehr sehen, denn eine hornige Haut bedeckte ihre weißen Augen. Oh, wie grauenhaft war dieser Anblick! Nur sprechen konnte sie noch immer.

»Kallikrates«, sagte sie mit heiserer, bebender Stimme. »Vergiß mich nicht, Kallikrates. Habe Mitleid mit meiner Schmach; ich sterbe nicht. Ich werde wiederkommen und wieder schön sein, ich schwöre es - es ist wahr! Oh - oh -«, und sie verstummte und fiel auf ihr Gesicht.

Auf derselben Stelle, wo sie vor mehr als zwanzig Jahrhunderten Kallikrates, den Priester, getötet hatte, sank jetzt Ayesha selbst nieder und starb.

Von Grauen überwältigt, stürzten auch wir auf den sandigen Boden dieses gräßlichen Ortes nieder und fielen in Ohnmacht.

Wie lange wir so lagen, weiß ich nicht - wahrscheinlich viele Stunden. Als ich endlich die Augen öffnete, lagen die beiden anderen noch immer ausgestreckt auf dem Boden. Wieder strahlte das rosige Licht in himmlischem Glanz, und die Donnerräder des Lebensgeistes rollten ihre gewohnte Bahn, denn als ich erwachte, verschwand die große Feuersäule eben. Und da lag auch, umhüllt von geschrumpfter gelber Pergamenthaut, der abscheuliche kleine Affenkörper, welcher einst die strahlend schöne >Sie< gewesen war. Ach, es war kein böser Traum - es war schreckliche, unfaßbare Wirklichkeit!

Was hatte diese grauenhafte Wandlung bewirkt? Hatte die Natur des lebensspendenden Feuers sich verändert? Strahlte es vielleicht von Zeit zu Zeit statt eines Lebensfluidums ein Fluidum des Todes aus? Oder konnte ein mit dieser wunderbaren Kraft bereits erfüllter Körper eine Steigerung derselben nicht ertragen, so daß bei einer Wiederholung des Prozesses die beiden Aufladungen einander neutralisierten und den Körper in jenen Zustand versetzten, in dem er sich befinden würde, wenn das Lebensfluidum nie auf ihn eingewirkt hätte? Nur so war Ayeshas plötzliches und schreckliches Altern, in dem die ganze Länge ihrer zweitausend Jahre zutage trat, zu erklären. Es gab für mich nicht den leisesten Zweifel, daß die Gestalt, die dort vor mir lag, der eines Weibes glich, deren Leben durch ungewöhnliche Mittel so verlängert worden war, bis es endlich im Alter von zweitausendzweihundert Jahren starb.