Und der arme Job! Seine Ahnung hatte sich erfüllt und der Tod ihn ereilt. Nun, immerhin hat er einen ungewöhnlichen ewigen Ruheplatz; es heißt schon etwas, mit den irdischen Überresten der stolzen >Sie< in einer Gruft zu liegen.
Wir warfen einen letzten Blick auf die beiden und den wundervollen rosigen Lichtschein, der sie umfloß, und wankten schweren Herzens dann davon -so gebrochen, daß wir sogar die Möglichkeit, so gut wie ewiges Leben zu erlangen, nicht nützten, denn alles, was unserem Leben Wert verlieh, hatten wir verloren, und wir wußten, unser Leben unendlich zu verlängern, würde nur bedeuten, auch unser Leid unendlich zu verlängern. Denn wir fühlten - ja, wir alle beide -, daß wir Ayesha, nachdem wir einmal in ihre Augen geschaut, nie und nimmer vergessen würden, solange wir auf Erden wandelten. Wir liebten sie jetzt und für alle Zeit; sie war in unsere Herzen eingeschlossen, und kein anderes Weib und keine andere Macht konnte ihr glanzvolles Bild darin löschen. Dabei - und dies erfüllt mich mit besonderer Qual - hatte und habe ich kein Recht, ihrer auf diese Weise zu gedenken. Sie hatte mir gesagt, daß ich ihr nichts bedeute und ihr nie in aller Ewigkeit etwas bedeuten würde, es sei denn, die Bedingungen ändern sich und es käme einst ein Tag, da zwei Männer eine Frau lieben und alle drei gemeinsam glücklich sein dürfen. Dies ist die einzige Hoffnung meines gebrochenen Herzens - doch was für eine schwache! Es ist alles, was ich habe. Ich habe einen sehr hohen Preis gezahlt, und dies ist das einzige, was ich dafür empfangen habe. Bei Leo ist es anders, und oft und oft neide ich ihm bitterlich sein Glück, denn wenn >Sie< recht hatte und ihre Weisheit und ihr Wissen sie zu guter Letzt nicht trogen, was ich für höchst unwahrscheinlich halte, so hat er eine Zukunft, in die er getrost blicken kann. Ich aber habe keine, und dennoch - o Torheit und Schwäche des Menschenherzens! Möge der Weise Weisheit daraus ziehen - wünsche ich es mir nicht anders. Mir ist es genug zu geben, was ich gegeben habe und weiterhin geben muß, und zum Lohn dafür die Krumen zu empfangen, die vom Tische meiner Herrin fallen; mir genügen die Erinnerung an einige gütige Worte, die Hoffnung auf ein süßes Lächeln des Erkennens in unvorstellbar ferner Zukunft, ein wenig Zuneigung und Freundschaft und ein wenig Dankbarkeit für meine innige Liebe zu ihr - und Leo.
Wenn dies nicht wahre Liebe ist, so wüßte ich nicht, was es ist, und ich kann dazu nichts weiter sagen, als daß es für einen Mann, der den Zenit des Lebens bereits überschritten hat, sehr schlimm ist, in einen solchen Gemütszustand zu verfallen.
27
Wir springen
Wir durchquerten die Höhlen ohne Schwierigkeiten, und erst als wir den Abhang des umgekehrten Kegels erreichten, standen wir zwei Problemen gegenüber. Das erste war die Mühseligkeit des Abstiegs, das andere die ungeheure Schwierigkeit, den Weg zu finden. Hätte ich mir nicht zum Glück die Form verschiedener Felsen gemerkt, so hätten wir ihn sicherlich überhaupt nicht gefunden, sondern wären im schauerlichen Schöße des toten Vulkans herumgewandert, bis wir vor Erschöpfung und Verzweiflung gestorben wären. Trotzdem verirrten wir uns ein paarmal, und einmal wären wir beinahe in eine ungeheure Felsspalte gestürzt. Es war entsetzlich, in der tiefen Finsternis und unheimlichen Stille von Fels zu Fels zu klettern und beim schwachen Schein der Lampen Ausschau zu halten, ob ich ihre Form erkannte. Wir sprachen kaum, denn dazu war uns zu schwer ums Herz; wir stolperten nur, hin und wieder stürzend und uns verletzend, verbissen weiter. In unserer tiefen Bedrücktheit war es uns fast gleich, was uns geschah, und lediglich ein natürlicher Instinkt trieb uns dazu an zu versuchen, unser Leben zu retten. So schleppten wir uns drei oder vier Stunden dahin - genau vermag ich es nicht zu sagen, denn unsere Uhren gingen nicht mehr. Während der letzten zwei Stunden kamen wir völlig vom Wege ab, und ich fürchtete schon, wir seien in den Trichter eines anderen Kegels geraten, als ich plötzlich einen riesigen Felsblock wiedererkannte, an dem wir kurz unterhalb des Gipfels beim Abstieg vorbeigekommen waren. Es war ein Wunder, daß ich ihn erkannte, und wir waren tatsächlich bereits, im rechten Winkel vom richtigen Weg abweichend, daran vorbeigegangen, als mir irgend etwas an ihm ins Auge stach und ich mich umwandte und ihn genauer betrachtete, was sich als unsere Rettung erwies.
Danach erreichten wir ohne weitere Schwierigkeiten die natürliche Felstreppe und bald darauf die kleine Höhle, in welcher der Einsiedler Noot gelebt hatte und gestorben war.
Doch nun harrte unser ein neues Schrecknis. Man wird sich entsinnen, daß die Planke, auf der wir von dem großen Felssporn zu dem schwankenden Stein hinübergeschritten waren, infolge Jobs Angst und Ungeschicklichkeit in den grauenhaften Abgrund gestürzt war.
Wie sollten wir nun ohne die Planke hinüberkommen?
Es gab nur eine Möglichkeit - wir mußten, wollten wir nicht hierbleiben und verhungern, versuchen hinüberzuspringen. Die Entfernung war an sich nicht so groß, etwa elf bis zwölf Fuß, und ich hatte Leo als jungen Studenten über zwanzig Fuß weit springen sehen; doch man bedenke, in welcher Lage wir uns befanden! Zwei zutiefst erschöpfte Männer, der eine bereits jenseits der Vierziger, ein schwankender Stein als Sprungbrett, eine zitternde Felsspitze als Ziel, und ein bodenloser, von Sturm durchtobter Abgrund! Es war bei Gott schlimm genug; doch als ich Leo auf all dies hinwies, erwiderte er kurz und treffend, daß wir, so entsetzlich dies auch sein mochte, nur die Wahl hätten, mit Gewißheit in der Höhle eines langsamen Todes zu sterben oder zu springen und damit einen raschen Tod zu riskieren. Dagegen gab es freilich nichts zu sagen, doch eines stand fest: Wir durften den Sprung nicht im Dunkeln wagen, sondern mußten warten, bis der Lichtstrahl bei Sonnenuntergang durch den Felsen drang. Wie lange es noch bis zum Sonnenuntergang dauern würde, ahnten wir nicht; wir wußten nur, daß es, wenn der Strahl hereindrang, lediglich einige Minuten lang hell sein würde und daß wir deshalb jederzeit bereit sein mußten. So beschlossen wir, auf den schwankenden Stein zu klettern und dort zu warten, was sich allein schon deshalb als notwendig erwies, weil unsere Lampen wieder dem Erlöschen nahe waren - das heißt, die eine war bereits ausgegangen, und die andere flackerte nur noch schwach, wie es eine Flamme zu tun pflegt, wenn das Öl am Versiegen ist. So krochen wir denn im Scheine dieses schwachen Lichtes eilends aus der Höhle und erklommen den großen Stein.
Kaum waren wir oben angelangt, erlosch die Lampe.
Unsere Lage hatte sich auf diese Weise ganz wesentlich verändert. Unten in der kleinen Höhle hatten wir das Toben des Sturmes lediglich gehört - hier, bäuchlings auf dem schwankenden Stein liegend, waren wir seiner vollen Gewalt und Wut ausgesetzt. Bald brauste er aus dieser, bald aus jener Richtung durch den ungeheuren Abgrund und zwischen den Felsklippen heulend wie zehntausend verdammte Seelen. Stunde um Stunde lagen wir, von unbeschreiblicher Angst und Qual erfüllt, so da und lauschten den wilden Sturmstimmen jenes Tartarus, welche, abgestimmt auf den tiefen Unterton des Felssporns, auf dem der Wind spielte wie auf einer riesigen Harfe, von Wand zu Wand hallten. Kein Alptraum, der einen Menschen je gequält, nicht die wildeste Phantasie eines Dichters kann den Schrecknissen dieses Ortes, dem unheimlichen Kreischen jener nächtlichen Stimmen gleichkommen, das uns umtoste, als wir so gleich schiffbrüchigen Matrosen auf einem Floß in schwarzem, unergründlichem Dunkel uns dem Sturm entgegenstemmten. Zum Glück war es nicht allzu kalt, ja der Wind war sogar warm, denn sonst wären wir bald zu Tode erschöpft gewesen und umgekommen. Als wir so, fest uns aneinander klammernd, auf dem Stein lagen und lauschten, geschah plötzlich etwas überaus Seltsames, das, obgleich es sicher ein reiner Zufall war, die Anspannung unserer Nerven noch erhöhte.