Nachdem sie eine Weile ohne besonderes Ziel hin und her geschlendert waren, entdeckte Caius einen Händler, der auf einem Schemel hinter einem Holztisch saß, auf dem mehrere Messer und Dolche ausgestellt waren. Er trat näher. Die Arbeiten wirkten anders als der übliche Tand, der angeboten wurde. Einer der Dolche war von einer außergewöhnlichen, fremdartigen Schönheit. Die schlanke Klinge lief im oberen Drittel in sanftem Schwung zur Spitze aus. Das eigentlich Auffällige aber war der Griff, der wie eine stilisierte Figur mit ausgebreiteten Armen und Beinen geformt war, dabei bildete der Kopf der Figur den Knauf, und die Beine, zwischen denen die Klinge herauszuwachsen schien, das Heft. Der Griff wurde durch den langgestreckten Oberkörper geformt, der in der Mitte durch ein Band aus eingelegten roten Steinen geteilt wurde, das in geometrischen Mustern wie eine Art Gürtel um die Figur lief. Die Schlichtheit der stählernen Klinge, die nur angedeuteten Gliedmaßen und der Kopf ohne Gesicht standen in einem fast magischen Kontrast zum raffinierten Muster der Einlegearbeit, deren Steinchen sich beim genaueren Hinsehen in winzigen Farbvariationen zu einer Art Schlange formten, die sich selbst in den Schwanz biss. Caius hatte so einen Dolch noch nie gesehen, auch wenn die Art der Ornamente ihn an eine gallische Arbeit erinnerte, die ihm irgendwann einmal jemand in Rom gezeigt hatte. Er trat näher an den Tisch heran, ohne sich um Lucius zu kümmern, der hinter ihm stehen geblieben war. Der Händler hatte sofort gemerkt, was Caius so faszinierte. Er blickte aufmunternd.
Caius nahm den Dolch, wog und drehte ihn. »Liegt gut in der Hand«, murmelte er und sogleich fiel ihm ein, dass er mit solchen Bemerkungen nur den Preis in die Höhe trieb.
»Das ist der Dolch, den Vercingetorix bei Alesia getragen hat«, sagte der Händler mit hintergründigem Lächeln und gallischem Akzent.
Auch eine Art, ein Verkaufsgespräch zu beginnen, dachte Caius. Er kannte diesen Schlag von Händlern aus Rom. Sie betrogen einen auf derart liebenswürdige Weise, dass man sich bei vollem Bewusstsein übers Ohr hauen ließ. »Sicher«, gab er zurück und wies auf das schlichte Messer an seinem Gürtel. »Und das hier ist Cäsars Schwert.«
Der Händler lächelte listig und beugte sich vor. »Wird Cäsars Schwert nicht im Marstempel in Rom aufbewahrt?«
Einen kurzen Augenblick lang war Caius verblüfft, wie gut dieser Gallier informiert war, doch es gelang ihm, sich nichts anmerken zu lassen und das Spiel mitzuspielen. Er beugte sich ebenfalls vor. »Das Schwert im Marstempel ist eine Imitation. Das hier ist das echte.«
Der Händler lachte. »Das glaube ich dir aufs Wort.«
»Dann schlage ich vor, dass wir tauschen«, erwiderte Caius.
»Und ich schlage vor, dass du fünfzehn Denare drauflegst.«
»Acht.«
»Zwölf.«
»Zehn.«
»Elf.« Der Händler lächelte freundlich, aber mit einer Mischung aus Unerbittlichkeit und diabolischem Vergnügen. Er zog die Augenbrauen hoch. »Und?«
»Elf. Aber die Scheide kriege ich dazu.«
»Abgemacht.« Der Gallier kramte in einer Kiste unter seinem Tisch und holte eine Lederscheide hervor. »Immer wieder ein Vergnügen, mit euch Römern Geschäfte zu machen.«
Caius lachte und zog seinen Geldbeutel hervor. Er zählte dem Händler die elf Denare auf den Tisch.
Der Gallier reichte ihm mit der rechten Hand den Dolch und hielt ihm die linke fordernd entgegen. »Cäsars Schwert, wenn ich bitten darf!«
»Ach ja.« Caius nahm sein Messer ab und gab es dem Händler. Anschließend steckte er seine Neuerwerbung in die Scheide und befestigte sie am Gürtel. Er grinste dem Händler zum Abschied zu und drehte sich um. Lucius hatte das Verkaufsgespräch kaum verfolgt. Er interessierte sich mehr für ein Mädchen mit kastanienbraunem Haar, das zwei Stände weiter Keramikschüsseln verkaufte.
Sie bummelten noch geraume Zeit weiter durch die Stadt, wobei Caius mehrmals den Dolch aus der Scheide zog und betrachtete.
Schließlich gab auch Lucius zu, dass es ein ausgefallen geschmackvolles Stück war. »Schön geschwungen«, sagte er versonnen. Aber sein Blick war schon wieder ganz woanders.
Um die zehnte Stunde kehrten sie zur Herberge von Sileas zurück. Sie betraten den Gastraum, in dem zu dieser Zeit nur wenige Leute saßen. In einer Ecke entdeckte Caius einen römischen Offizier in Uniform, aber ohne Harnisch, der hinter einem Weinbecher und einer Karaffe über eine Schriftrolle gebeugt saß und las, wobei er mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte. Mehrere goldene Ringe glänzten an seinen Händen. Seine ganze Haltung hatte eine lässige Selbstgefälligkeit. Es konnte nur Silanus sein.
Caius ging voran durch die Stube und trat vor den Tisch. Der Mann, der vielleicht Mitte dreißig war, trommelte weiter und blickte nicht auf, obwohl er gemerkt haben musste, dass jemand vor ihm stand. Er hatte schwarze, sorgfältig nach vorn gekämmte Haare und roch stark nach irgendeinem orientalischen Duftwasser. Caius, der sich über die demonstrative Nichtbeachtung ärgerte, blieb schweigend vor dem Tisch stehen und versuchte zu erkennen, was sein Gegenüber las. Schließlich stieß dieser mit vorgeschobener Unterlippe die Luft aus und hob mit provozierender Langsamkeit und hochgezogenen Augenbrauen den Kopf. Seine Finger bewegten sich langsamer und lagen schließlich still auf dem Tisch. Mit lustlos gespielter Neugier blickte er Caius aus schönen, dunklen Augen an. Sein Gesicht war glatt rasiert und fein geschnitten, hatte aber einen fast unerträglich affektierten Ausdruck. »Ja?«, fragte er.
»Silanus?«
Der junge Mann lächelte blasiert und mit gekünstelter Milde, als habe er einen Bittsteller vor sich, der ihn schon unzählige Male mit irgendetwas behelligt hatte. »Das bin ich wohl«, sagte er.
Caius war unschlüssig. Er hatte schon befürchtet, dass dieser Verwandte ein überhebliches Großmaul sein könnte. Doch die herablassende Art, mit der Silanus ihn musterte, übertraf seine Erwartungen. Er versuchte die Arroganz zu ignorieren und mit zurückhaltender Freundlichkeit zu beantworten. »Ich bin Caius Cornelius Castor«, sagte er. Es kam ihm vor wie eine alberne Formalität. »Und das ist Lucius Flavius Verucla.«
»Aha.« Silanus machte eine Pause, als müsste er überlegen. Nach einem kurzen Augenblick der offensichtlich inszenierten Ahnungslosigkeit hellte seine Miene sich auf. »Caius!«, rief er. »Natürlich!« Die Ablehnung schien von ihm abzufallen, und auch Caius, der stocksteif dagestanden hatte, lockerte seine Haltung etwas. »Der Brief deines Vaters kam erst vor ein paar Tagen«, sagte Silanus. »Es war alles etwas kurzfristig. Aber jetzt seid ihr ja da. Setzt euch.«
Caius und Lucius nahmen gegenüber von Silanus Platz und blickten abwartend und etwas verlegen auf die Tischplatte.
Silanus lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Habt ihr eine Unterkunft?«, fragte er.
»Ja«, sagte Caius.
»Und, ist es erträglich? Hier in der Provinz ist das ja leider alles andere als selbstverständlich.« Silanus seufzte theatralisch. »Diese Ubier sind furchtbar. Sie sind und bleiben Barbaren in jeder Hinsicht, außer vielleicht im Hinblick auf die paar Tugenden, die sie angeblich irgendwann einmal gehabt haben. Die ungehobelte Aufdringlichkeit ihrer germanischen Großväter haben sie mit der Bauernschläue ihrer keltischen Nachbarn zu verfeinern versucht, und was dabei herausgekommen ist, kann man in den Straßen dieser sogenannten Stadt besichtigen. Ansonsten ahmen sie uns in allem nach. Und in nichts gelingt es ihnen wirklich. Was wir ihnen beibringen, verstehen sie nur zur Hälfte, und was sie verstanden zu haben glauben, übertreiben sie.«
Caius war unschlüssig, ob er auf den gehässigen Erguss dieses verwöhnten Schnösels eingehen sollte oder nicht. »Unsere Unterkunft ist nicht schlecht«, sagte er etwas unschlüssig. »Sie hat sogar eine eigene Thermalanlage.«