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Vor einer Woche war sein Vater dann mit der Nachricht nach Hause gekommen, dass er bei Augustus persönlich zu einer Unterredung geladen war, und Caius, sein einziger Sohn, sollte mit. Zuerst war Caius natürlich mächtig stolz gewesen, aber jetzt, wo der Zeitpunkt unaufhaltsam näher rückte, wurde er immer aufgeregter. Er blickte zu der überlebensgroßen goldenen Figur im Triumphwagen auf und seine Selbstsicherheit war wie weggeblasen. Er kam sich auf einmal klein vor – so klein, dass selbst ein paar ägyptische Sklaven ihn mit einer anmaßenden Geste verunsichern konnten.

»Keine Sorge«, sagte sein Vater jetzt und legte ihm auch die andere Hand auf die Schulter. »Du wirst dich wundern, was der Princeps für ein Mensch ist. Die meisten Leute kennen nur diese Statuen und glauben, er sei so etwas wie ein Gott, und in seiner Umgebung gibt es viele, die so tun, als sei er das wirklich. Er hat diese Schmeichler immer gehasst. Er schätzt es, wenn man offen mit ihm redet. Mehr noch: Er liebt es, wenn man ihm widerspricht. Wenn man so viel erreicht hat wie er und dabei so alt geworden ist wie er, dann wird die Gefahr immer größer, der Selbstherrlichkeit zu verfallen. Dieser Gefahr begegnet er, indem er sich mit Leuten umgibt, die sagen, was sie denken.«

»Sagst du immer, was du denkst?«

»Manchmal ist es klug, sich zurückzuhalten. Aber niemals aus Bequemlichkeit. Auch das ist etwas, was mein Vater mir immer wieder gesagt hat.« Quintus machte eine Pause, trat neben seinen Sohn und sah zur Figurengruppe hoch. Caius folgte seinem Blick. »Siehst du die Szene in der Mitte?«, fragte sein Vater und deutete auf den Brustpanzer des goldenen Wagenlenkers. Dort war zwischen anderen Figuren eine Gestalt abgebildet, die Augustus eine Standarte überreichte.

»Die Rückgabe der Legionsadler, die Crassus bei Carrhae an die Parther verloren hat«, sagte Caius mechanisch, als antwortete er auf die Frage eines Lehrers.

»Richtig. Über sechzig Jahre ist das her. Crassus war mit sechs Legionen von Syrien aus ins Land der Parther eingefallen. Er glaubte, dass der parthische Feldherr Surenas sich zum Kampf stellen würde. Surenas aber lockte ihn immer weiter ins Land und schließlich in die Wüste.«

»Ich weiß.«

»Das will ich hoffen«, erwiderte Quintus. »Mein Vater – dein Großvater – war damals Tribun im Stab von Crassus. Er hielt das ganze Manöver von Surenas von Anfang an für eine Finte. Er hat Crassus immer wieder gewarnt.«

»Aber der wollte nicht hören.«

»Hören wollte er schon. Aber nur auf die, die ihm nach dem Mund redeten, anstatt zu sagen, was alle dachten. Er lief Surenas geradewegs in die Falle.«

»Und am Ende war Crassus tot und drei Legionsadler waren weg«, sagte Caius.

»Nicht nur die. Dreißigtausend Soldaten waren auch verloren, vergiss das nicht.«

»Was von beidem war denn schlimmer?«

»Kommt darauf an. Für Roms Ansehen die Adler. Für dreißigtausend Familien die Soldaten.« Quintus Cornelius Castor wies mit dem Kopf auf die goldene Figurengruppe. »Als der Princeps die Adler vor fast dreißig Jahren von den Parthern zurückholte, hat er damit allerdings mehr Ansehen gewonnen, als Rom durch ihren Verlust jemals eingebüßt hat. Die Rückführung war ein Staatsakt, wie ich selten einen gesehen habe. Ich war damals kaum älter als du.«

»Und seitdem werden sie dort hinten im Tempel aufbewahrt, zusammen mit Caesars Schwert.« Caius wies auf das massige Gebäude an der Stirnseite des Forums, dessen Giebel von der Sonne beschienen wurde. Rechts und links vom Podium des Tempels begrenzten die beiden Längsseiten des Säulenganges den Forumsplatz und ließen auf jeder Seite einen Zwischenraum, der jeweils von einem Triumphbogen abgeschlossen wurde. Dahinter erhob sich eine gewaltige Mauer, die selbst den Tempel noch überragte und die Schmalseite des ganzen Baukomplexes nach hinten abschloss wie die Rückwand einer Theaterkulisse. Zwischen den Säulen schoben sich immer noch die bunten Menschenmassen entlang. Gedämpftes Murmeln wehte herüber.

»Wir sollten aufbrechen, mein Sohn. Man wartet auf uns.« Mit diesen Worten wandte sein Vater sich um und ging quer über den Platz auf den rechten der beiden Durchgänge zu. Caius folgte ihm. Hinter dem Triumphbogen führten einige Stufen zu einem Durchlass in der rückwärtigen Mauer hinauf. Dahinter lag ein dicht bebautes Wohnviertel mit verschachtelten Mietshäusern. Kaum hatten sie sich in dem lärmenden Menschenstrom durch das Nadelöhr gezwängt, da schlug ihnen auch schon die unverwechselbare Mischung aus unappetitlichen Ausdünstungen entgegen, die in diesem Stadtviertel vor allem in den Sommermonaten die Luft verpestete. Ein paar Jungen drängelten sich rücksichtslos vorbei. Aus einem Fenster über ihnen ergoss sich ein Schwall von vulgären Beschimpfungen.

Diese Mauer trennt wirklich zwei Welten, dachte Caius. Dann bestiegen sie die beiden Sänften, die direkt hinter dem Durchgang auf sie warteten. Caius zog den Vorhang zu, dann spürte er, wie seine Sänfte angehoben wurde. Er war immer noch aufgeregt, doch das Unbehagen war verschwunden und einer neugierigen Spannung gewichen. Nach kurzer Zeit neigte die Sänfte sich leicht, und die Träger wurden langsamer. Wir steigen zum Palatin hinauf, dachte Caius. Gleich werde ich dem mächtigsten Mann der Welt gegenüberstehen.

2

Nach dem Anstieg hielten sie mehrmals an. Durch die Vorhänge der Sänfte vernahm Caius undeutliche Worte, die der Führer ihrer Eskorte mit Wachen oder Pförtnern wechselte. Schließlich wurde die Sänfte behutsam abgestellt. Caius zog den Vorhang auf der rechten Seite weg.

Sein Vater war schon ausgestiegen und brachte die Falten seiner Toga in Ordnung. Er lächelte ihm zu. »Wir sind da.«

»Habe ich mir fast gedacht«, gab Caius etwas vorwitzig zurück, um seine erneut aufkommende Nervosität zu überspielen.

Er stieg aus der Sänfte und blickte sich um, während sein Vater immer noch an der Toga zupfte. Sie standen auf einem kleinen Platz, dessen Breitseite von einem gewaltigen Tempel beherrscht wurde. Caius ließ seinen Blick an den Säulen emporwandern. Wenn man es genau nahm, war es eigentlich nur ein mittelgroßer Tempel, aber durch die Enge des Vorplatzes wirkte er auf seinem Sockel fast schon erdrückend. Es war der berühmte Apollotempel, den Augustus dem Gott vor fast vierzig Jahren für seinen Sieg in der Seeschlacht von Actium geweiht hatte. Er bestand vollständig aus weißem Marmor und strahlte in der Sonne des späten Nachmittags, als leuchtete er von innen heraus. Am Ende der Vorhalle im Schatten der Säulen glänzten die Goldbeschläge des von Elfenbeinreliefs eingerahmten Portals, das in das Innerste des Tempels führte.