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Es dauerte eine Weile, bis die Statue aufrecht stand. Kommandos ertönten und die Sklaven stöhnten mit den Winden und Balken um die Wette. Das Gestänge bog sich unter der Spannung zwischen der Last und den steinernen Gegengewichten, die den Kran am Boden hielten. Schließlich war es geschafft: Augustus schwebte über der Ladefläche des Wagens und hob sich ruckartig Stück für Stück in die Höhe.

»Die Idioten werden ihm den Arm abbrechen«, sagte plötzlich eine Stimme rechts von ihnen.

Caius hatte gar nicht gemerkt, dass im Gedränge jemand neben sie getreten war. Es war Silanus. Sie begrüßten den Tribun kurz, dann wandten sie sich wieder dem Schauspiel zu.

Die Statue hing inzwischen fast mannshoch über dem Boden. Weitere Sklaven sprangen hinzu und drehten sie in die richtige Richtung. Der Princeps wandte sein Gesicht jetzt dem Eingang des Peristyls zu, während der Arm des Krans mit unendlicher Langsamkeit so weit schwenkte, dass die Statue sich dem Sockel näherte und schließlich zwei Handbreit darüber schwebte.

»Runterlassen!«, schrie einer der Vorarbeiter.

Wieder kam Bewegung in die Sklaven an den Winden. Da plötzlich geschah es: Im Gestänge des Krans krachte es. Köpfe fuhren herum. Einem der Männer schien ein Holm entglitten zu sein, die Winde schlug zurück, und die anderen waren zu überrascht, um sie noch zu halten. Wie Spielzeugfiguren wurden sie umgeworfen, die Winde gab das Seil frei, und mit einem ohrenbetäubenden Geräusch, einer Mischung aus Knarren, Poltern und Knirschen, krachte die Statue herunter. Ein Aufschrei ging durch die Menge. Alles schien gleichzeitig zu geschehen: Menschen sprangen instinktiv zurück und warfen sich dabei gegenseitig zu Boden, auch Caius und Lucius wären beinahe umgerissen worden. Die Erde bebte kurz, fast gleichzeitig knackte es und der ausgestreckte Arm der Statue brach ab und fiel. Ein Sklave, der direkt darunterstand und nicht schnell genug zur Seite springen konnte, wurde am Kopf getroffen und sank in sich zusammen, während der Arm neben ihm aufschlug und in zwei Teile zerschellte. Überall erhob sich Geschrei. Leute schlugen die Hände vor die Gesichter, eine Mutter hielt ihrem Kind die Augen zu. Ein paar Soldaten eilten zu dem Verunglückten, um dessen Kopf sich in kürzester Zeit eine Blutlache ausbreitete. Caius und Lucius blickten sich mit offenem Mund an.

»Habe ich es nicht gesagt«, murmelte Silanus neben ihnen.

Einer der Soldaten, die bei dem Sklaven knieten, stand auf und trat zu dem Tribun, der der ranghöchste Offizier unter den Zuschauern war. »Der Mann ist tot«, sagte er etwas ratlos.

»Alles andere wäre ja auch ein Wunder«, erwiderte Silanus ungerührt. Er grinste. »Wo der Princeps hinschlägt, da wächst kein Gras mehr.«

»Was machen wir denn jetzt?«, fragte der Soldat.

Silanus blickte den Mann mit übertriebener Verständnislosigkeit an. »Was ihr jetzt macht? Ihr schafft den Toten weg und holt den Steinmetz, damit er den Arm wieder anbringt.«

Der Soldat sah ihn unschlüssig an. »Ein böses Vorzeichen«, murmelte er.

»Red keinen Unsinn!«, brauste Silanus auf. »Im Zirkus stehen die Leute Schlange, um zu sehen, wie Sklaven erschlagen werden.«

Der Soldat trat ab und gab die Anweisungen weiter. Aus dem Stabsgebäude kamen zwei Männer mit einer Trage. Die Menge der Zuschauer begann sich zu zerstreuen, alle plapperten aufgeregt durcheinander.

Caius schaute zu Silanus, der eine Wachstafel in seiner Hand betrachtete und den Tod des Sklaven schon vergessen zu haben schien. Dann sah er auf, und als ihre Blicke sich trafen, erhellte sich die Miene des Tribuns. »Ich habe eine Überraschung für euch«, sagte er. »Der Statthalter wird euch empfangen, wenn wir in Castra Lupiana sind. Habt ihr eure Sachen schon gepackt?«

»Nein«, murmelte Caius.

»Dann beeilt euch. Oder von mir aus auch nicht, Hauptsache, ihr seid morgen früh so weit. Bei Sonnenaufgang geht es los. Ihr fahrt mit mir. Sonst kommt ihr in Novaesium nicht ins Lager. Also seid pünktlich!« Mit diesen Worten drehte er sich um und bahnte sich seinen Weg durch die letzten Gaffer zum Eingang des Stabsgebäudes.

15

Sie verließen Oppidum Ubiorum in einer scheinbar endlosen Kolonne von Wagen und mit einer riesigen berittenen Eskorte. Der Zug kam schnell voran auf den gut ausgebauten Straßen. Die Landschaft ähnelte der zwischen den Alpen und Mogontiacum: römische Siedlungen wechselten sich mit keltischen Dörfern ab, und während auf der linken Seite des Rheins überall betriebsamer Verkehr herrschte, lag das rechte Ufer, das inzwischen wegen der Breite des immer stärker anschwellenden Stroms in die Ferne gerückt war, wie der Saum eines grünen Mantels vor der schweigenden und unermesslichen Weite der germanischen Wälder. Ein paarmal entfernte sich die Straße vom Fluss, um eine Biegung abzuschneiden. Die Fahrt wurde kaum unterbrochen, denn sobald ein Hindernis dem Zug in den Weg kam, sorgte die Leibwache des Statthalters rücksichtslos für freie Bahn, indem sie Ochsenkarren, Maultiergespanne, Handwagen und Fußgänger dazu zwang, an den Straßenrand auszuweichen. Einmal brach einem Bauern die Achse seines Wagens, als er beim Ausschwenken in ein tiefes Schlagloch geriet. Ein großer Korb mit Eiern fiel von dem Karren und bildete eine matschige gelbliche Pfütze auf der Straße. Als das Pferd von einem der Leibwächter darin ausglitt und fast gestürzt wäre, warf der Reiter dem Bauern einen halb aufgegessenen Apfel an den Kopf.

Am späten Abend erreichten sie das Lager von Novaesium, wo die XVII. Legion stationiert war. Sie fuhren in der hereinbrechenden Dunkelheit durch das Lagertor, ohne dass jemand die Wagen kontrollierte. Als Caius und Lucius gerädert von der endlosen Schaukelei ausstiegen, stand ein Sklave von Silanus am Wagenschlag, der ihnen und ihren Begleitern ein Quartier in einer spartanischen Unterkunft anwies. Da die Offiziere anscheinend viel zu besprechen hatten und sich ansonsten niemand um sie kümmerte, gingen die beiden bald zu Bett und schliefen sofort ein.

Der Sklave von Silanus hatte ihnen noch ausgerichtet, dass sie besser daran täten, am nächsten Tag in aller Frühe nach Castra Vetera aufzubrechen, um nicht im Gewühl des Abtransports der Legion steckenzubleiben, die schon im Morgengrauen mit dem ganzen Gepäck auf Boote verladen werden sollte. Und so wurde es eine kurze Nacht.

Bevor der Tag anbrach, weckte sie einer ihrer Sklaven. Caius und Lucius rieben sich den Schlaf aus den Augen, standen auf und ließen die Wagen wieder anspannen, während überall im Lager die ersten Frühaufsteher auf die Beine kamen. Als der kleine Zug das Lagertor von Novaesium passierte, erklangen hinter ihnen die Hörner zum Wecken.

Wieder waren sie einen ganzen Tag in einem eintönigen Wechsel aus Uferstraßen und Abkürzungen durchs Binnenland unterwegs, bis nach einer engen Flussschleife endlich Castra Vetera in Sicht kam. Wie in Mogontiacum gab es auch hier eine zu beachtlicher Größe angeschwollene Vorstadt, in der sich die Familien der Soldaten und Heereslieferanten, aber auch einheimische Handwerker und Händler niedergelassen hatten, um ihr Stück vom großen Auftragskuchen abzubekommen. Weil Silanus noch nicht da war, mieteten sie sich mit ihrer kleinen Gruppe in einer Taverne ein. Die Müdigkeit war noch bleierner als am Vorabend, und abermals fiel der Schlaf über sie her wie ein Wolfsrudel über ein altersschwaches Schaf.