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»Keine Oliven?«, fragte Fastrada spöttisch.

»Nein. Heute nicht«, antwortete Irmin. Er wirkte angespannt und kam gleich zum Thema. »Was hast du aufgeschnappt?«, fragte er.

Fastrada berichtete, was sie aus den germanischen Söldnern herausbekommen hatte. Immer wieder wurde sie durch Zwischenfragen von Irmin unterbrochen. Es kam ihr vor, als wollten die beiden Männer eigentlich nur hören, was sie ohnehin schon zu wissen glaubten: Dass Brukterer und Marser und all die anderen die Besatzer im Grunde ihres Herzens verachteten, dass sie mit der Bevormundung unzufrieden waren, mit dem zweitklassigen Sold und den drittklassigen Unterkünften.

Während Fastrada erzählte, fühlte sie sich zunehmend unwohl. Sie haben sich längst entschieden, dachte sie. Umso mehr widerstrebte es ihr, den beiden einfach zu sagen, was sie hören wollten. Außerdem entsprach es, jedenfalls nach ihrem Eindruck, nicht den Tatsachen. Natürlich waren die Hilfstruppen unzufrieden. Aber sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Leute ganz allgemein nie zufrieden waren. Mit der Ernte nicht, weil es ja immer auch mehr hätte sein können. Über den Regen klagten sie, weil sie nass wurden, und sobald die Sonne schien, ächzten sie, weil sie schwitzten. Gab es Arbeit, stöhnten sie. Gab es keine, jammerten sie. Ja, die Hilfstruppen schimpften über die Römer. Aber war das Grund genug für eine Meuterei?

Nach dem Essen trieb Irmin zum Aufbruch an, und auch Fastradas Drang, nach Hause zu kommen, war stärker als ihre Müdigkeit. Und so beschlossen sie, die Nacht durchzureiten.

Die Pferde waren schnell gesattelt. Nachdem sie aufgesessen waren, reichte Batwin ihnen zwei Taschen mit Proviant. »Gute Reise«, sagte er knapp.

»Wir sehen uns in ein paar Tagen«, erwiderte Irmin.

Dann trabten sie los und tauchten in den Wald ein. Die Sonne verschwand hinter ihnen zwischen den Bäumen. Sie ritten lange und ohne Unterbrechung und irgendwann brach die Dämmerung herein.

Sie hatten seit Stunden kein Wort miteinander gewechselt und Fastrada war unbehaglich zumute. Sie fühlte sich ausgenutzt, ohne dass sie hätte sagen können, warum eigentlich. Sie hatte ihrem Cousin einen Gefallen getan, mehr nicht. Aber je länger sie darüber nachdachte, desto mehr wurde ihr bewusst, dass ihr Unwohlsein weniger mit dem Auftrag zu tun hatte, der ihr im Nachhinein ohnehin ziemlich überflüssig vorkam, als mit Irmins Vorhaben.

Ihr missfiel die Selbstverständlichkeit, mit der er seinen Überfall plante. Wenn das Unternehmen gelang, würde die ganze römische Armee niedergemacht. Wenn nicht, war davon auszugehen, dass die Römer noch härter zurückschlugen. So oder so würden jede Menge Leute sterben.

Irmin musste spüren, dass sie etwas beschäftigte. Normalerweise war er immer zu Späßen aufgelegt, wenn sie zusammen waren. Doch jetzt schien auch ihm nicht danach zumute zu sein. Fastrada fühlte, dass aus ihrem Schweigen eine merkwürdige Fremdheit emporwuchs. Und ihr war, als ob sich diese Fremdheit in der lautlosen Zwiesprache ihrer Gedanken zu einer Gereiztheit hochschaukelte, die sie beide unterdrücken wollten und doch nicht konnten. Sie überlegte, was sie sagen könnte, um das Schweigen zu brechen. Alle möglichen Banalitäten gingen ihr durch den Kopf, und dabei wurde ihr klar, dass alle nichtssagenden Worte nur beliebige Klänge waren, die ihrer Befangenheit einen hörbaren Ausdruck gaben und umso mehr offenbarten, dass etwas anderes ausgesprochen werden wollte.

»Ich habe vor dem Lager viele Frauen gesehen«, sagte sie schließlich mit einer Stimme, die ihr selbst fremd vorkam. »Einige hatten kleine Kinder dabei.«

Irmin schwieg eine Weile. »Unsere Leute hatten auch Frauen und kleine Kinder, als die Römer auf ihrem letzten Feldzug unser Land verwüstet haben«, sagte er schließlich. »Weißt du, was sie mit denen gemacht haben?«

»Ich will es nicht wissen«, erwiderte sie barsch.

Irmin fuhr unbeirrt fort und klang nun selbst gereizt. »Und als sie in Pannonien den Aufstand niedergeschlagen haben, waren da auch Frauen und kleine Kinder. Hast du eine Ahnung, was sie denen angetan haben? Einen Teil der Frauen haben sie vor Ort erschlagen. Die anderen haben sie vergewaltigt und anschließend mit den Kindern zusammen auf Karren geladen und nach Rom verschleppt. Tiberius wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch in diesem Jahr einen Triumphzug abhalten, bei dem er sie durch die Straßen zum Jupitertempel auf dem Kapitol schleppen lässt. Hinterher werden sie auf Sklavenmärkten verkauft.«

Fastrada spürte ihre Wut stärker werden. »Wieso sie? Du hast doch auch mitgemacht! Du bewunderst diesen Tiberius doch!« Irmin schwieg wieder, und Fastradas Augen füllten sich mit Tränen. Sie sprach leise, entsetzt über die plötzliche Feindseligkeit, die sie ihrem Cousin gegenüber empfand. »Hast du dabei mitgemacht oder nicht? Hast du Frauen vergewaltigt?«

»Nein.« Er klang auf merkwürdige Weise zornig und nachdenklich zugleich.

»Warum auch. Dafür habt ihr ja Bordelle.«

Er ging nicht darauf ein. Als er weitersprach, war seine Stimme entschlossener und auch trotziger. »Und ich habe keine Kinder erschlagen.«

»Aber Männer, die Kinder hatten!«

»Verdammt noch mal, so ist das im Krieg!«

»Ich weiß. Ich frage mich nur, warum du es eilig hast, wieder damit anzufangen. Macht es Spaß?«

»Nein.«

»Doch. Ihr redet doch die ganze Zeit darüber. Und ihr lacht.«

»Das kannst du nicht beurteilen.«

»Natürlich kann ich beurteilen, ob ihr lacht.«

»Aber nicht, ob das Töten uns Spaß macht.«

»Warum seid ihr dann stolz darauf?«, hakte Fastrada nach.

»Weil wir es für unser Volk tun.«

Die Antwort klang in Fastradas Ohren unerträglich selbstherrlich. Sie fühlte einen fast schon körperlichen Ekel vor dem Pathos, das in diesem Satz mitschwang. Sie hielt ihr Pferd an, und auch Irmin kam zum Stehen. In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nur schemenhaft erkennen. Ihr Cousin sagte nichts, vielleicht wollte er den Streit nicht eskalieren lassen. Auch Fastrada hatte nicht die Absicht, die Feindseligkeit weiter anzuheizen. Doch gleichzeitig kam ihr ein Gedanke, der ausgesprochen werden wollte. »Du tust es nur für dich selbst«, sagte sie und versuchte dabei sachlich zu klingen. »Ja, für dich selbst. Du willst nach oben. Du willst werden wie Tiberius. Du willst, dass andere am Lagerfeuer von dir erzählen.« Sie zitterte am ganzen Körper. »Aber bei den Römern kommst du nicht weiter. Es reicht dir nicht Präfekt der Hilfstruppen zu sein, denn du weißt, dass später niemand über Caius Julius Arminius sprechen wird. Stattdessen glaubst du, dass unsere Nachfahren bis in alle Ewigkeit Heldenlieder von Irmin dem Cherusker singen, wenn dein Plan gelingt.«

Er schwieg noch immer, und sie spürte, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte.

»Und selbst wenn du recht hast«, sagte er leise und mit einem unheilvollen Unterton in der Stimme. »Ich werde es trotzdem tun.«

»Ich weiß«, sagte sie. »Spätestens seit heute Abend ist mir das klar. Aber denk an deine eigenen Worte: Die Römer sind hartnäckig. Sie werden sich nicht geschlagen geben. Sie werden wiederkommen. Und sie werden ihre eigene Geschichte daraus machen. Es wird die Geschichte von Caius Julius Arminius sein, dem Verräter.«

Er beugte sich vom Rücken seines Pferdes zu ihr herüber und blickte sie an. Seine Augen waren kalt. »Du irrst dich, Fastrada«, sagte er langsam. »Sie werden mich sogar zum Übermenschen machen. Anders werden sie es nämlich gar nicht ertragen können, dass ich sie besiegt habe.« Damit hieb er seinem Pferd die Fersen in die Flanken und ritt weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen.