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Als es dunkel zu werden begann, spürte sie, dass sie sich nicht mehr lange im Sattel halten konnte. Immer noch war kein Anzeichen für ein Lager zu sehen. Gab es überhaupt eins? Oder marschierten die Römer uneinholbar durch die Nacht, um der Gefahr zu entgehen?

Mit der Müdigkeit kam die Verzweiflung zurück. Fastrada wünschte sich nichts sehnlicher als eine halbwegs trockene Unterkunft für die Nacht.

Schließlich tauchte vor ihr in der Dunkelheit ein einzelnes Gehöft auf, das von mehreren Speicherbauten flankiert wurde. Niemand war zu sehen, noch nicht einmal Rauch stieg in den Himmel auf. Sie saß vom Pferd ab und schlich sich an das Gut heran. Nichts regte sich, nur ein Rascheln verriet ihr, dass Tiere dort angebunden waren. Sie zog das Pferd hinter sich her und schlüpfte durch eine schmale Tür ins Innere des Hauses, wo ein halbes Dutzend Pferdekörper sich schemenhaft zwischen Flechtwerkwänden abzeichnete. Ich muss es wagen, dachte sie und band ihr Pferd im hinteren Teil des Stalls an. Dann schlich sie wieder ins Freie, rannte auf einen der Speicher zu und kletterte die kurze Leiter empor. In der Dunkelheit ertastete sie einen Stapel Getreidesäcke und ließ sich darauffallen.

Sie schlief unruhig, und schon als das erste Tageslicht durch die Ritzen blinzelte, erwachte sie. Halb benebelt richtete sie sich auf und stieg vorsichtig die Treppe hinunter.

Die Luft war klar. Es sah nach einem sonnigen Tag aus. Fastrada huschte durch die Stalltür, und ohne weiter auf das durchdringende Schnarchen aus dem Wohnbereich zu achten, nahm sie ihr Pferd beim Zügel, führte es nach draußen und galoppierte davon, die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne im Rücken.

Nach kurzer Zeit öffnete sich der Wald, und eine große Lichtung kam in Sicht, über die sich ein langer, nachlässig aufgeworfener Wall mit einem unregelmäßig tiefen Graben zog. Brandgeruch wehte herüber, und noch bevor Fastrada das schützende Halbdunkel der Baumkronen hinter sich ließ, sah sie Rauchwolken träge in den wolkenlosen und windstillen Himmel steigen. Sie trabte näher heran, ritt durch eine Lücke im Wall und fand sich mitten in einem riesigen Lager wieder. Halb verkohlten Wracks von Hunderten von Wagen standen zusammengeschoben und ineinander verkeilt herum, hier und da loderten noch kleine Flammen. Auf dem Boden zeichneten sich die Abdrücke von Zelten, Räderspuren und Hufen ab, dazwischen ragten die Schäfte von Brandpfeilen aus der Erde. Der Gestank wurde stärker und fraß sich in ihre Nase.

Am anderen Ende des Lagers führte eine breite Spur auf den gegenüberliegenden Waldrand zu. Die Römer mussten die Anlage nach kurzer Rast noch in der Nacht verlassen haben, schoss es Fastrada durch den Kopf. Die Kolonne kann nicht weit sein. Sie hieb ihrem Pferd die Fersen in die Flanken und folgte der Fährte.

33

Nachdem die überall aufflackernden Brände gelöscht worden waren, hatte man die Wachen noch einmal verdoppelt. Während die einen versuchten Ruhe zu finden, tuschelten die anderen in der Dunkelheit. Vor vielen Zelten saßen die Soldaten an heruntergebrannten Feuern zusammen, übermüdet, aber zu aufgewühlt und zu misstrauisch, um sich dem Schlaf anzuvertrauen.

Männer, Frauen und Kinder wankten umher und suchten nach Angehörigen. Auf dem riesigen Areal herrschte eine unwirkliche Stimmung.

Caius eilte durch das Lager, ohne nach rechts und nach links zu sehen. Silanus hatte ihm den Namen des Lagerpräfekten genannt, Aulus Sempronius Galata. Caius hoffte, von ihm endlich etwas über den Verbleib seines Freundes zu erfahren. Im Stab hatte man ihm nicht weiterhelfen können. Lucius schien im Augenblick des ersten Angriffs vom Erdboden verschluckt worden zu sein.

Vor dem Zelt des Präfekten standen zwei Legionäre und hielten eine Menschentraube zurück, die sich dort versammelt hatte, um Informationen über Angehörige zu bekommen. Sie bestürmten die Soldaten mit Fragen, auf die diese keine Antworten geben konnten. Caius schob sich durch die Menge nach vorn und fuhr eine der beiden Wachen in barschem Ton an, er habe eine dringende Meldung vom Tribun Publius Cornelius Silanus, woraufhin er tatsächlich eingelassen wurde.

Der Präfekt saß auf einem Klappstuhl, neben ihm stand ein Schreiber, der auf einer Wachstafel Notizen machte, während ein Centurio Bericht über Gefallene und Vermisste erstattete. Galata war knapp fünfzig Jahre alt und hatte ein schmales Gesicht mit stark vorspringendem Kinn. Er trug immer noch seine Rüstung, und die Ärmel seiner Tunika waren mit Blut verschmiert. Sein linkes Bein war verbunden. »Was gibt es?«, fragte er.

»Ich bin Caius Cornelius Castor.«

»Aha.«

»Ich bin auf der Suche nach meinen Freund Lucius Flavius Verucla.«

»Jeder sucht hier irgendwen«, sagte Galata unfreundlich. Er streckte den Kopf vor und musterte Caius, dann hellten sich seine Züge etwas auf. »Du bist der Neffe von Silanus?«

»Genau.«

»Und dieser Verucla ist der mit der Bleimine?«

»Genau der.« Caius fürchtete einen Moment das Schlimmste, aber der Präfekt schüttelte nur langsam den Kopf.

»Er wird vermisst. Genau wie du bis gerade eben. Ehrlich gesagt, waren wir überzeugt, dass es euch beide erwischt hätte.«

»Hat ihn denn niemand gesehen?«, fragte Caius verzweifelt.

»Nein. Die Barbaren haben als Erstes versucht den Wagen des Statthalters in ihre Gewalt zu bekommen. Wir hatten alle Hände voll zu tun, Varus und den Rest des Stabes da rauszuhauen. Es tut mir leid, aber so wichtig wart ihr in diesem Moment nicht. Außerdem hattet ihr eigene Leibwächter.«

»Die waren hinten beim Tross.«

»Da waren sie ja gut aufgehoben. Oder auch nicht. Ich nehme an, sie sind niedergemacht worden, als sie euer Eigentum verteidigt haben.«

Von hinten drängelte sich ein weiterer Ankömmling ins Zelt, ein abenteuerlich aussehender Trossknecht mit wirrem Haar und abgerissener Kleidung.

»Er soll warten«, schnauzte Galata in Richtung der Wachen, dann wandte er sich erneut Caius zu. »Junge, du siehst, was hier los ist. Ich kann leider nichts für dich tun.« Damit gab er dem Centurio einen Wink, der mit seinem Bericht fortfuhr. Caius presste die Lippen zusammen und verließ das Zelt, um zu Silanus zurückzukehren.

Der Tribun lag auf seiner Pritsche. Ohne die Augen zu öffnen, murmelte er: »Leg dich hin. Drei Stunden vor Sonnenaufgang verlassen wir das Lager. Morgen wird ein anstrengender Tag.«

Es war merkwürdig, ihn ohne jede Bissigkeit reden zu hören. Wortlos griff Caius nach einer Decke und wickelte sich darin ein. Kaum hatte er sich auf dem Boden ausgestreckt, da spülte die Mattigkeit über ihn hinweg und riss ihn in den Schlaf.

Als der Klang von Hörnern ihn weckte, hatte Caius das Gefühl, fast gar nicht geschlafen zu haben. Benommen richtete er sich auf.

Ein dumpfer Schmerz schnellte bei jeder Bewegung durch seinen Körper und füllte seinen Kopf mit einem unbarmherzigen Dröhnen. Sein linkes Auge war inzwischen so zugeschwollen, dass nur noch ein schmaler Schlitz blieb.

Silanus saß auf seiner Pritsche und streckte sich. Er sah blass aus. Ein Sklave erschien und legte ihm vorsichtig den Brustpanzer an, dann reichte er ihm den Helm. Silanus wirkte gelassen und aufgeräumt. »Wir brennen die Trosswagen ab und verlassen das Lager so schnell wie möglich«, sagte er. »Du bleibst in meiner Nähe. Hoffen wir, dass wir im Lauf des Tages freies Gelände erreichen. Sie werden es nicht wagen, uns dort anzugreifen. Überraschen können sie uns jetzt jedenfalls nicht mehr. Wir haben vielleicht zweitausend Männer verloren. Hört sich schlimm an, lässt sich aber verschmerzen.«

Sie schwiegen eine Weile. Irgendwann blickte Silanus auf und sah Caius direkt ins Gesicht. Er schien zu ahnen, was dieser dachte. »Sie werden deinem Lucius schon nichts tun«, sagte er mitfühlend. »Er ist kein Soldat, und als Geisel können sie noch Geld für ihn bekommen. Und davon hat sein Vater ja wohl genug.«