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Kurz darauf trat Silanus ins Freie, der von einem Sklaven in aller Eile angekleidet worden war; er trug schon wieder seine Rüstung. »Ein schöner Tag«, sagte er. »Ich bin mal gespannt, ob wir das heute Abend auch noch sagen werden.«

Ein weiterer Sklave erschien mit ihren Pferden. Sie saßen auf und schlossen zum Stab auf, der gerade das Lager verließ.

Kaum hatten sie die Ebene hinter sich gelassen und waren in den Wald eingetaucht, wurde wieder Kampflärm laut. Er schien unaufhaltsam näher zu rücken. Von irgendwo wurden Befehle gebrüllt. Melder kamen und gingen. Schreie und das Klirren und Dröhnen von Waffen hallten durch den Wald. Immer öfter mussten sie Toten ausweichen, die schrecklich zugerichtet mitten auf dem Weg lagen. Hier und da stöhnte zwischen den Leichen ein Verwundeter auf. Die Soldaten zogen vorüber und taten, als hörten sie es nicht. Lethargie und Trotz waren in den Gesichtern zu lesen. Während sich die einen abgestumpft und gleichgültig voranschleppten, waren die anderen entschlossen, ihr Leben möglichst teuer zu verkaufen. Caius ritt dicht neben Fastrada. Sie sprachen nicht viel, aber ab und zu lächelte sie ihm aufmunternd zu.

Plötzlich pflanzte sich ein Aufschrei durch die Kolonne, der sie von einem Moment zum anderen aus ihrer Trägheit riss. Unzählige germanische Krieger waren rechts und links des Weges aufgetaucht. Sie hatten sich in geschlossenen Reihen zu zwei scheinbar endlosen Ketten aufgestellt. Die Römer konnten nur durch Hornsignale und heiser gebrüllte Befehle dazu gebracht werden, sich ihrerseits zu formieren. Prätorianer und Legionäre bildeten an den Flanken des Zuges eine Mauer, stellten ihre Schilde auf den Boden und gingen in Deckung. Von hinten schlossen mehrere Centurien im Laufschritt auf. Bald waren Caius und Fastrada von allen Seiten von Soldaten umgeben. Reiter sprangen von den Pferden. Auch die beiden ließen sich zu Boden gleiten und suchten Schutz neben einem Wagen.

Eine gespenstische Stille hatte sich mit einem Mal über den Wald gelegt. Caius schlang die Arme um Fastrada, die zitternd auf dem Boden hockte. Aus seiner Position konnte er nur die breiten Rücken der Legionäre sehen, die eng zusammengerückt waren. Sein Herz pochte wie wild, sie haben uns, dachte er noch, bevor in der Ferne ein Kommando erschallte, das von einem tausendstimmigen Chor beantwortet wurde, einem rhythmischen, heiseren Grölen, begleitet vom Klang der auf die Schildränder schlagenden Waffen. Der Lärm hielt eine Weile an, brauste auf wie ein Orkan. Dann gesellte sich zu den Stimmen das Trampeln von Tausenden von Füßen, die Erde schien zu beben, ein Hornsignal raste heran. Die Legionäre sprangen hoch, holten aus, schleuderten ihre Speere in Richtung der Angreifer, gefolgt vom wütenden Zischen der blankgezogenen Schwerter. Wurfspeere rauschten heran, schlugen knatternd in die Schilde, und kurz darauf trafen die Schlachtreihen aufeinander; die Legionäre wurden von der Wucht des Aufpralls zurückgeworfen, fingen sich aber sofort wieder und drängten die Germanen zurück. Überall knallte, knirschte, dröhnte und schepperte es.

Caius fühlte, wie Fastrada ihre Fingernägel in seine Schulter krallte, sein Blick hastete hin und her. Die Legionäre rückten weiter vor, Schritt für Schritt. Caius gefror das Blut in den Adern. Reiter stürzten sich ins Getümmel, eine silberne Gesichtsmaske blitzte auf und verschwand sofort wieder. Dann ließ der Lärm allmählich nach. Die Germanen zogen sich, von wilden Flüchen begleitet, zurück. Einige Legionäre schienen sofort die Verfolgung aufnehmen zu wollen, doch scharfe Befehle sorgten dafür, dass die Linie geschlossen blieb.

Während Verwundete nach hinten durchgereicht wurden, kam ein berittener Soldat angaloppiert, brachte sein Pferd neben Caius zum Stehen und ließ sich aus dem Sattel gleiten.

Es war Silanus. »Wir sind völlig eingekeilt!«, schrie er keuchend. »Vor uns ist alles voll von diesen Wilden, sie haben da einen mächtigen Erdwall aufgeschüttet. Als die Vorhut gerade vorbei war, sind sie dahinter vorgestürmt und haben die ersten beiden Kohorten vollständig niedergemacht.«

»Einen Erdwall mitten im Wald?«, fragte Caius.

»Ja«, sagte Silanus, dessen Atem sich langsam beruhigte. »Hübsch mit Palisade, Wassergraben und ein paar Tordurchlässen. So, wie sie es von uns gelernt haben. Ziemlich gute Arbeit. Wir sitzen in der Falle. Es werden immer mehr.«

»Dann gehen wir alle unter«, sagte Caius tonlos.

Silanus ging nicht darauf ein. »Varus will dich sprechen«, sagte er unvermittelt.

»Der Statthalter?«

»Der Statthalter«, wiederholte Silanus. »Wenn wir ihn noch so nennen wollen, nachdem seine Provinz in den letzten Tagen etwas geschrumpft ist.« Er blickte sich um und begann auf einmal zu lachen. »Dramatisch geschrumpft. Ich würde sagen, so breit wie dieser Waldweg und vielleicht noch vier Meilen lang. Der Rest ist wieder, was er immer gewesen ist: Barbarenland.«

»Was will Varus von mir?«

»Ich glaube, er möchte deine guten Beziehungen zu unseren Gegnern nutzen«, sagte Silanus und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

Obwohl es Caius dämmerte, worum es ging, stellte er sich ahnungslos. »Will er mit Arminius verhandeln?«

»Was hätte denn der Knochen mit dem Hund zu verhandeln?«, fragte Silanus bissig zurück. »Nein. Er will, dass du etwas beiseiteschaffst. Ich weiß zwar nicht, was es ist. Aber es scheint ihm wichtiger zu sein als sein Leben. Du bist wohl der Einzige, dem er zutraut, damit über den Rhein zu kommen. Und jetzt los, bevor sie sich neu formiert haben. Dem nächsten Ansturm werden wir nicht mehr standhalten.«

Caius blickte zu Fastrada, die ihn auffordernd ansah. »Beeil dich«, sagte sie nur.

Caius stapfte über den vom Kampf aufgewühlten Waldboden, auf dem dicht an dicht Tote lagen. Die Reihen hatten sich aufgelöst. Soldaten standen in kleinen Gruppen herum und redeten aufgeregt durcheinander. Nach kurzer Zeit kam der Wagen des Statthalters in Sicht, der von einer Wache aus etwa hundert Prätorianern abgeschirmt wurde. Sie ließen ihn anstandslos passieren.

Ein Sklave hielt ihm den Schlag des großen Reisewagens auf und Caius kletterte über eine dreistufige Leiter hinein. Drinnen war es ziemlich dunkel.

Varus saß allein auf einer gepolsterten Sitzbank, die die ganze Breite des Gefährts einnahm. Er forderte Caius auf ihm gegenüber Platz zu nehmen. Schließlich holte er tief Luft. »Wir sind damals in Castra Lupiana unterbrochen worden«, fing er leise an zu sprechen. »Ich denke, es ist Zeit, dass wir die Unterhaltung zu Ende bringen.« Er überlegte kurz, während von draußen die aufgeregten Stimmen der Soldaten hereindrangen. »Du weißt, dass ich etwas bei mir habe, was dem Princeps gehört«, fuhr Varus fort. Ich hatte vor, es ihm persönlich zu übergeben, aber die Gelegenheit werde ich wohl nicht mehr bekommen. Ich gehe mit dem Schiff unter, das ich auf die Klippen gelenkt habe. Aber was ich bei mir trage, darf nicht in die falschen Hände geraten. Es muss nach Rom gebracht werden, und du bist wahrscheinlich der Einzige, der es dorthin schaffen kann. Du und dieses Mädchen. Wie heißt sie noch mal?«

»Fastrada«, sagte Caius tonlos.

»Fastrada«, wiederholte Varus. »Sie stammt aus diesem Land und weiß, wie man sich hier bewegt. Du bist kein Soldat und damit für die Germanen weitgehend uninteressant. Und dass ihr euch durchschlagen könnt, habt ihr beide bewiesen.«

»Was ist mit Rullianus?«, fragte Caius.

Varus lächelte mit zusammengepressten Lippen. »Vor einer halben Stunde kam einer unserer Soldaten aus der Vorhut zu mir, der bei den Gefechten von den Barbaren gefangen wurde. Sie haben ihn unter der Bedingung laufen gelassen, dass er mir das hier überbringt.« Varus griff nach einem dunklen Beutel aus grobem Leinen, der neben seinen Füßen gelegen hatte. Mit angewidertem Gesicht öffnete er ihn.