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Caius ertappte sich während der Befragung mehrmals dabei, wie er nach Verlegenheiten suchte, die seine Überheblichkeit diesem jungen Barbaren gegenüber gerechtfertigt hätten, doch Chariomer bot keine Angriffsfläche. Seine Antworten auf die Fragen des Vaters kamen schnell, geschliffen und präzise, während er auf seiner Kline lag und mit sichtlichem Genuss die angebotenen Austern schlürfte. Angesichts seiner Selbstsicherheit spürte Caius ein wachsendes Unbehagen. Sein Vater indessen fragte unbeirrt weiter, zuvorkommend und unvoreingenommen, und selbst als das Gespräch immer engere Kreise um die heikle Frage der Zuverlässigkeit von Chariomers Stammesgenossen gegenüber den römischen Bündnispartnern zog, wurde sein Ton niemals belehrend. In aller Sachlichkeit erinnerte Quintus den Cherusker an die Vertragsbrüche der Vergangenheit und daran, dass auch Chariomers Vater sich noch vor wenigen Jahren bei einem Aufstand des cheruskischen Adels gegen die Römer gestellt hatte. Ob die langsam fortschreitende Anpassung an die römische Lebensweise, für die er, Chariomer, ja das beste Beispiel sei, die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Aufstände verringere oder eher das Gegenteil bewirke, wollte er wissen.

Bei dieser Frage überlegte der Cherusker eine Weile. »Senator«, sagte er schließlich respektvoll und dennoch in einem selbstbewussten Ton, den Caius seinem Vater gegenüber fast schon als anmaßend empfand. »Bei uns Cheruskern und auch bei den benachbarten Stämmen sind die maßgeblichen Kreise in der Mehrheit bereit sich an die römische Lebensweise heranführen zu lassen.« Er machte eine Pause und überlegte.

»Aber?«, hakte Quintus nach.

»Aber die Minderheit, die sich unter keinen Umständen beugen will, wird stärker«, sagte Chariomer nach einer weiteren Pause. »Und der Grund dafür ist nicht die römische Lebensweise, sondern die Selbstverständlichkeit, mit der ihr voraussetzt, dass sie die bessere ist. Es verletzt ihren Stolz.«

»Sie ist ein Angebot.«

»Aber nicht alle empfinden das als Angebot … leider.« Das letzte Wort schien er sich abgerungen zu haben. Er schien mit sich zu kämpfen, dann sagte er: »Und in gewisser Weise kann ich sie verstehen. Als Tiberius den letzten Aufstand niedergeschlagen hat, verwüsteten seine Legionen das Land wie nie zuvor. Jedes Dorf, durch das sie gezogen sind, wurde abgebrannt. Das hatte nichts mit den Gesetzen zu tun, die euer Statthalter predigt.«

»Und die gefangenen römischen Offiziere, die von cheruskischen Kriegern zu Beginn des Aufstands abgeschlachtet worden sind?«, fragte Quintus immer noch sachlich, wobei er offensichtlich bewusst die zweite Person vermied. »Hatte das etwas mit den Gesetzen der Cherusker zu tun? Soweit ich weiß, herrschte zu dieser Zeit noch kein Kriegszustand.«

»Nein«, gab Chariomer zurück. »Aber wenn beide Seiten jederzeit bereit sind ihre eigenen Gesetze zu brechen – wer soll dann den Anfang machen? Müssten das nicht diejenigen tun, die verlangen, dass ihre Gesetze auch für die andere Seite gelten?«

Quintus lächelte. »Mir scheint, du hast das Problem verstanden.« Dann lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung. Er fragte nach der Bewirtschaftung des Landes und der Viehzucht, nach dem Handwerk und den Methoden der Eisenverarbeitung und schließlich nach den Göttern der Germanen, wobei er weitreichende, wenn auch sehr theoretische Vorkenntnisse bewies und versöhnliche Parallelen zur römischen Götterwelt fand. Chariomer berichtigte einige seiner Ansicht nach ungenaue Angaben der römischen Autoren, die ihre eigenen Vorstellungen zu leichtfertig auf den germanischen Olymp, wie er sich ausdrückte, übertrugen. Als der Cherusker schließlich gegangen war, blieb Caius ziemlich ungehalten zurück. Seiner Meinung nach hatte sein Vater diesem jungen Barbaren viel zu viel Anerkennung gezollt.

Doch seine Laune sollte sich bald bessern. Am nächsten Morgen stand sein Freund Lucius Flavius Verucla mit einer grandiosen Neuigkeit vor der Tür. Die beiden kannten sich aus frühesten Kindertagen, weil ihre Mütter eng befreundet waren. Sein Großvater stammte aus Hispanien. Lucius hatte seine ersten Lebensjahre in Umbrien verbracht und war als kleiner Junge nach Rom gekommen. Lucius war 13 Monate älter als Caius und bei allen Freunden als Tunichtgut bekannt, dem die Ideen nicht ausgingen. Sein Vater hatte die übliche Karriere bis zum Amt eines Aedilen durchlaufen und sich dann als Betreiber von Minen in verschiedenen Provinzen des Imperiums selbstständig gemacht. Jetzt stand er Caius im Atrium gegenüber und grinste triumphierend über beide Ohren.

»Wann reisen wir ab nach Germanien?«, fragte Lucius und schlug seinem Freund zur Begrüßung auf die Schulter, dass er fast in die Knie ging.

Caius verstand nicht recht. »Willst du dich in einer der Kisten verstecken?«, fragte er und wies in die Runde, wo sich leere, halb gepackte und bereits verschlossene Truhen stapelten.

»Nicht nötig«, gab Lucius gönnerhaft zurück. »Ich bekomme einen eigenen Wagen, zwei Leibwächter, zwei Sklaven und einen Sekretär.«

Caius konnte es immer noch nicht fassen. Lucius zusammen mit ihm in Germanien! Wie in aller Welt hatte er das wieder fertiggebracht?

Lucius, dessen Grinsen immer breiter wurde, nahm ihm die Antwort ab. »Mein verehrter Herr Vater hat eine Bleimine fünf Tagesreisen östlich des Rheins zu erwerben geruht«, sagte er näselnd. »Die Bergbauingenieure und einige Arbeiter sind schon oben. Als angehender Geschäftsführer habe ich den Auftrag, ihnen ein bisschen auf die Finger zu sehen.« Übermütig stolzierte Lucius im Atrium auf und ab. Er rieb sich die Hände und konnte sich vor Freude kaum halten.