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Es dauerte noch viele Tage, bis wir Laura erreichten.

Zum Glück stießen wir zwei Tage nach meiner Gefangennahme auf eine Boskwagen-Karawane, die von Laura nach Ko-ro-ba unterwegs war. Targo verkaufte zwei Mädchen und erstand mit etwas zusätzlichem Gold zwei Wagen und zwei Boskgespanne sowie Wasser- und Nahrungsvorräte. Er kaufte desweiteren verschiedene Ketten, Brandeisen und Peitschen, wie auch Seiden, Stoffe, Parfümflaschen, Kämme, Bürsten und Kosmetikpackungen. Auch wechselte eine große Menge grober Stoff den Besitzer. Ich sollte später erfahren, daß hieraus Kamisks geschneidert wurden die einfache, ponchoartige Kleidung der goreanischen Sklavin. Die Kamisks der Mädchen waren bei dem Überfall verbrannt und sie machten sich nun unter Targos Anleitung daran, neue knielange Kleidungsstücke zu schneidern. Auch ich beteiligte mich an der Aktion, wenn ich mich zuerst auch sehr ungeschickt anstellte. Unser Leben wurde nach der Begegnung mit der Karawane erheblich leichter.

Bei den beiden neuen Wagen handelte es sich um Händlerwagen mit roter Regenplane. Die Hinterräder waren größer als die vorderen. Jeder Wagen wurde von zwei Bosks gezogen, großen braunen Tieren mit breiten polierten Hörnern, an denen Perlen hingen. Die Hufe der Tiere waren ebenfalls poliert, und das lange, strubbelige Fell wurde täglich so lange gebürstet, bis es glänzte. Auf jedem Wagen wurden neun Mädchen untergebracht, natürlich angekettet. Aber das war mir egal. Sobald wir uns zum Schlafen hinlegen durften, war ich trotz des Knarrens und Ruckelns bald eingeschlafen. Der Qual des Geschirrs ledig zu sein war für sich schon eine köstliche Erfahrung.

Als ich viele Stunden später erwachte, fühlte sich jeder Muskel meines Körpers steif an.

Wir wurden vom Wagen geholt, mußten niederknien und erhielten etwas zu essen. In den beiden ersten Tagen nach meiner Gefangennahme hatten wir nur Beeren und Wasser bekommen und Reste kleiner Prärietiere, die von den Wachen gebraten worden waren und uns vorgeworfen wurden. Jetzt knieten wir angekettet im Kreise und reichten eine Schale heiße Suppe herum; dann erhielt jede von uns ein Sechstel eines runden Brotlaibs; schließlich reichte ein Wächter jeder von uns ein Stück gekochtes Fleisch. Ich war außer mir vor Hunger, griff danach, ohne mich um die Temperatur zu kümmern, und steckte mir den köstlichen Bissen in den Mund, zerrte daran mit Zähnen und Händen, wobei mir der Saft links und rechts übers Kinn lief. Nur wenige meiner Freunde auf der Erde hätten in diesem Augenblick Elinor Brinton wiedererkannt. Das Mahl war ein einfacher Boskbraten, noch halb roh, doch ich schlang das Fleisch mit Begeisterung hinunter. Kein noch so vorzüglich zubereitetes Filet Mignon aus einem Pariser Restaurant ließ sich mit diesem heißen, dampfenden Fleischfetzen vergleichen, den ich im Gras der goreanischen Steppe neben dem Wagen eines Sklavenhändlers hockend in mich hineinschlang.

Nach dem Essen wurden wir zu einem nahegelegenen Fluß geführt, wo wir uns wuschen. Zögernd stieg ich in das kalte Wasser, an das ich mich jedoch nach einigen Sekunden gewöhnte, so ich ich es schließlich gar nicht wieder verlassen wollte. Ich folgte dem Beispiel der anderen Mädchen und wusch mir auch die Haare. Einige der Sklavinnen begannen zu spielen und bespritzten sich lachend. Niemand beachtete mich, außer daß ich natürlich wie alle anderen von einem Wächter beobachtet wurde. Ich fühlte mich einsam und ging auf Ute zu, die sich jedoch abwandte. Sie hatte mir nicht verziehen, daß ich mich auf ihre Kosten vor der Arbeit hatte drücken wollen.

Am Ufer saß Targo und lächelte. Es freute ihn, wenn seine Mädchen zufrieden waren. Vermutlich ließ sich ein glückliches Mädchen besser verkaufen. Auch die Wächter schienen guter Laune zu sein. Sie riefen den Mädchen einige saftige Obszönitäten zu, und wurden dafür von ihnen angespritzt. Ein einäugiger älterer Wächter stürzte sich ebenfalls ins Wasser und tauchte ein besonders freches Mädchen unter — zum Vergnügen aller.

Schließlich kamen alle ans Ufer, um ihre Haare zu trocknen. Fröhlich plaudernd saßen sie im Kreise, ohne mich zu beachten.

Als der einäugige Wächter in frischer Kleidung wieder auftauchte, wurde er in den Kreis der Mädchen gezogen, wo er mit rollendem Auge und weitausholenden Gesten eine Geschichte zu erzählen begann. Die Mädchen schütteten sich aus vor Lachen und auch ich fand die Vorstellung recht komisch, auch wenn ich kein Wort verstehen konnte. Schließlich schlugen sich die Mädchen mit der rechten Hand vor die linke Schulter. Der Wächte verbeugte sich ernst und verließ den Kreis. Ich sah, wie Lana in meine Richtung blickte. Sie sprang auf, kniete vor Targo und sagte etwas zu einem seiner grinsenden Männer. Zu meinem Ärger wurde die Kleidung gebracht, die ich bei meiner Entführung auf der Erde getragen hatte.

Nicht ohne Mühe zog Lana sie an. Wie schön sie in meinen Sachen aussah!

Im nächsten Augenblick wurde der protestierende Targo von zwei kreischenden Mädchen in die Mitte des Kreises gezerrt, wo sich Lana herrisch zu gebärden begann. Ihre Vorstellung gefiel mir ganz und gar nicht; die Mädchen jedoch schienen großen Gefallen daran zu finden. Lana marschierte um Targo herum, wandte sich auch an die anderen Mädchen, als verspottete sie sie, als hielte sie sie für unwürdig, mit ihr im gleichen Wagen zu schlafen. Die Mädchen kreischten vor Vergnügen. Lana war eine ausgezeichnete Schauspielerin, und ich war wütend. Dann sprangen die beiden Mädchen, die Targo in den Kreis geführt hatten, auf Lana los, zerrten sie zu Boden und taten, als würde sie ausgepeitscht. Lana wand sich in gespieltem Schmerz brüllend auf dem Boden, dann warf sie sich vor Targo hin und schmiegte sich an ihn. Mehrere Mädchen blickten zu mir herüber um meine Reaktion abzupassen, doch ich wandte trotzig den Kopf.

Targo klatschte zweimal in die Hände, und die Ordnung war wiederhergestellt. Eine Schachtel mit Kämmen und Bürsten wurde gebracht, und die Mädchen setzten sich paarweise zusammen um sich gegenseitig die Haare zu bürsten.

Ich erhielt ebenfalls einen Kamm und näherte mich schüchtern Ute. Ich verstand ihre Sprache nicht, und es tat mir leid, daß ich mich im Geschirr so dumm angestellt hatte. Ich konnte ihr nicht sagen, wie unglücklich und einsam ich war.

Ute blickte mir kühl entgegen. Ich hielt unschlüssig den Kamm hoch, und Tränen traten mir in die Augen.

»El-in-or«, sagte sie leise und umarmte mich.

Ich begann zu weinen und küßte sie. Dann begann ich ihr Haar zu kämmen; als ich fertig war, drehten wir uns um, und sie nahm den Kamm.

Meine Favoritinnen unter den Mädchen waren Ute und Inge, und in den nächsten Tagen unserer Reise zum Laurius freundeten wir uns etwas an. Ute wie auch Inge, die beide kein Wort Englisch verstanden, machten sich daran, mich in der goreanischen Sprache zu unterweisen. Unterwegs stießen wir auf vier weitere Karawanen, und bei jeder Gelegenheit legte Targo seine Vorführkette aus. Ich war die vierte an der Kette, doch ich dachte seltsamerweise nicht an die Möglichkeit, daß ich verkauft werden könnte. Einmal jedoch fuhr mir der Schreck in die Glieder, als ein potentieller Käufer vor mir stehenblieb und mich mit Interesse musterte und prüfend betastete. Ein seltsames Gefühl der Leere durchzog mich. Ich wurde bleich. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte die Flucht ergriffen. Zu meiner unsäglichen Erleichterung ging er jedoch weiter und kaufte schließlich das neunte und elfte Mädchen an der Kette. Ich sah aus der Ferne, wie Targo bezahlt wurde und die Mädchen ablieferte.

Zweimal machten wir bei Palisadendörfern Station, in denen Boskzüchter wohnten. Diese Aufenthalte gefielen mir, denn dabei gab es frische, warme Boskmilch, und wir hatten eine Nacht lang ein Dach über dem Kopf, auch wenn es nur aus trockenem Gras bestand. Die Dorfbewohner streuten uns immer frisches Stroh in die Hütte, in der wir für die Nacht angekettet wurden. Es roch frisch und war trocken. Ich legte mich gern darauf schlafen, ein herrliches Gefühl nach der harten klammen Plane, die auf die rohen Bohlen des Wagens gebreitet wurde. Ute und Inge — besonders Ute — waren geduldige Lehrmeister. Jeden Tag übten sie stundenlang mit mir die goreanische Sprache, und natürlich hörte ich nichts als diese Sprache. Ich stellte bald fest, daß ich Goreanisch sprach, ohne darüber nachzudenken. Ich lernte wie ein Kind, das keine vergleichende Sprache kennt. So lernte Ich das Goreanische auf direktem Weg, fließend, nicht als Architektur grammatischer Fälle und Serie von Vokabellisten, in denen bekannte Begriffe den unbekannten Worten gegenüberstanden. Ute und Inge, die das Englische nicht kannten, hätten mir keine abstrakten Übertragungen und Vergleiche klarmachen können, und so hatten sie keine andere Wahl, als mir ihre lebendige Sprache beizubringen, in der täglichen Praxis, handgreiflich wie ein Werkzeug, ausdrucksvoll und schön wie Blumen und Wolken Es dauerte nicht lange, bis ich feststellte, daß ich streckenweise, schon goreanisch dachte. Und knapp zehn Tage nach dem Beginn meines Unterrichts hatte ich einen ersten Traum, in dem jemand mit mir verständliches Goreanisch sprach und ich spontan, ohne nachzudenken, in derselben Sprache antwortete. Interessanterweise handelte es sich um einen Traum, in dem es mir gelang, eine Süßigkeit zu stehlen und Lana die Schuld zuzuschieben, so daß sie dafür geschlagen wurde. Mir machte der Traum Spaß, aber dann hatte es den Anschein, als wollte sich Targo mit der Peitsche auch um mich kümmern. Ich erwachte im Wagen, sicher angekettet. Es regnete draußen, und ich hörte die Tropfen auf die rote Plane über unseren Köpfen prasseln und die ruhigen Atemzüge der schlafenden Mädchen neben mir. Ich lauschte einen Augenblick lang und schlief bald wieder ein.