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Ich freute mich, daß ich ihnen im Wald entwischt war. Sie würden mich bestimmt nicht so leicht wiederfinden. Die Annahme daß ich zu Targo zurückgekehrt war, mußte ihnen unwahrscheinlich vorkommen. Eher war anzunehmen, daß ich allein und wehrlos im Wald an Hunger gestorben oder Panthern oder Sleen zum Opfer gefallen war.

Meine Gedanken kehrten zu jener schrecklichen Nacht zurück, da ich aus der Hütte in die Dunkelheit stürzte und das entsetzliche Pelzwesen zurückließ, das sich an dem toten Sleen gütlich tat Ich erschauderte.

Ich war einfach losgelaufen, zwischen die dunklen Bäume, stolpernd, stürzend, Purzelbäume schlagend. Manchmal lief ich zwischen den großen Turstämmen dahin, auf einem Laubteppich manchmal drängte ich mich zwischen dichter stehenden Bäume hindurch, durch Dickichte aus Lianen und verfilzten Zweigen. Schließlich stieß ich auf die Lichtung, auf der die Panthermädchen getanzt hatten. Niemand war zu sehen, und ich eilte weiter. Ab und zu blieb ich stehen und lauschte auf etwaige Verfolger, aber es war nichts zu hören. Der Mann, der das Ungeheuer in seine Blutrausch offenbar ebenso fürchtete wie ich, war Hals über Kopf geflohen. Nun hatte ich vor allem Angst, daß mir das Pelzwesen gefolgt war, aber ich ahnte, daß es sich so schnell von seiner Beute nicht lösen würde. Wahrscheinlich hatte es mein Verschwinden noch gar nicht bemerkt. Wahrscheinlich würde es fressen, bis es, nicht mehr konnte, und dann womöglich schlafen. Einmal stieß ich auf einen Sleen, der sich über einen toten Tabuk beugte, ein schlankes, antilopenartiges Geschöpf der Dickichte und Wälder. Der Sleen hob seinen langen; dreieckigen Kopf und begann drohend zu fauchen. Ich sah das Mondlicht auf den drei Reihen weißer, nadelscharfer Zähne blitzen.

Angstvoll schrie ich auf und ergriff die Flucht, und der Sleen wandte sich wieder seiner Beute zu. Im Laufen scheuchte ich zuweilen kleine Tiere auf oder hörte eine Tabukherde im Wald. Ich versuchte beim Mondlicht die Richtung zu halten und einen Weg aus dem Wald zu finden. Ich hatte Angst davor, im Kreise zu laufen. Die vorherrschenden Nordwinde jedoch, die Regen und Feuchtigkeit brachten, hatten die Nordflanken der hohen Bäume mit senkrechten Moosstreifen versehen, die sich bis zu zehn Meter hoch an den Stämmen hochzogen. Ich achtete darauf und versuchte auf diese Weise eine südliche Richtung beizubehalten. Ich hoffte einen Fluß zu finden, dem ich zum Laurius folgen konnte. Plötzlich sah ich vor mir vier leuchtende Augenpaare — eine Gruppe Waldpanther. Ich tat, als hätte ich nichts bemerkt, und wandte mich zur Seite, während mir das Herz bis zum Hals schlug. Um die Zeit waren diese Tiere bestimmt auf der Jagd. Der Waldpanther ist ein stolzes Tier und läßt sich ungern bei der Jagd stören. Da wir eine direkte Konfrontation vermieden hatten, blieb mir nur die Hoffnung, daß nicht ich die ausersehene Beute war. Die geschmeidigen Gestalten verschwanden, und ich verlor vor Erleichterung fast das Bewußtsein, so hilflos kam ich mir vor. Zu meiner Freude merkte ich, daß es anfing zu regnen. Der Regen würde meine Spur verwischen. Vielleicht entkam ich dem haarigen Monstrum! Ich bezweifelte, daß selbst ein Sleen, der beste Jäger Gors, meiner Spur noch folgen konnte. Ich lachte und versteckte mich schließlich irgendwo im Unterholz, um Schutz vor dem Unwetter zu suchen.

Nach etwa zwei Stunden hörte es so plötzlich zu regnen auf wie es begonnen hatte, und ich kroch aus dem Gebüsch und setzte meinen Weg nach Süden fort.

Nun hatte ich zwar keine Angst mehr vor einem Verfolger, war mir jedoch meiner Hilflosigkeit mehr bewußt. Ich versuchte die Fessel durchzuscheuern, die meine Handgelenke umschlang, und schabte sie an einem umgestürzten Baum hin und her, doch ich vermochte nichts auszurichten. Goreanische Fesseln sind nicht leicht zu durchtrennen. Kurz vor Mittag stieß ich auf einen kleinen Wasserlauf, der nur zum Laurius führen konnte. Ich warf mich am Ufer zu Boden und stillte meinen Durst mit dem frischen Wasser. Dann watete ich mit der Strömung dahin. So vermied ich, eine weitere Spur zu hinterlassen. Schließlich mündete der Bach in ein Flüßchen, den ich weiter folgte. Während ich so durch das Wasser stapfte, überlegte ich, ob ich mich wirklich zum Laurius durchschlagen und von dort nach Laura wandern sollte. Dort würde ich zwar zu essen bekommen, aber auch wieder versklavt werden. War es nicht besser, so überlegte ich, zunächst irgendwo im Wald Schutz zu suchen? Und ich durfte die Panthermädchen nicht vergessen.

Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Aber die Entscheidung wurde mir Sekunden später abgenommen. In Gedanken versunken übersah ich den Mann, der im Unterholz am Ufer stand. Plötzlich legte sich eine Lederschlaufe um meinen Hals und zog sich zu.

Ich wurde ans Ufer gezerrt. Ich weiß nicht, ob die Angst, der Hunger oder die Erschöpfung daran schuld waren — jedenfalls wurde mir plötzlich schwarz vor Augen, und ich verlor das Bewußtsein. Einige Zeit später erwachte ich. Ich lag in den Armen eines Mannes, der mich trug. Ich hatte sein Hemd an, das länger war als eine normale Sklaventunika. Meine Handgelenke waren nicht länger grausam zusammengeschnürt, sondern steckten in Sklavenfesseln.

»Du bist wach, El-in-or?« fragte er.

Er gehörte zu Targos Wächtern, der Mann, der mich zum Arzt gebracht hatte.

»Ja, Herr«, sagte ich.

»Wir dachten, wir hätten dich verloren.«

»Ich wurde von den Panthermädchen gestohlen«, sagte ich. »Sie verkauften mich an den Mann mit dem Monstrum. Er floh und ich bin entwischt.«

Ich mochte den Griff seiner kräftigen Arme, und das erschreckte mich. »Ich bin noch immer von weißer Seide«, sagte ich hastig. »Ich weiß.«

Ich errötete.

»Dein Glück«, fuhr er fort und senkte den Blick.

Plötzlich ließ er mich fallen.

»Du bist wach, du kannst laufen.«

Im Gras sitzend, starrte ich mißmutig zu ihm empor. »Nein, ich kann nicht laufen«, sagte ich. »Ich kann nicht mal stehen.«

Wortlos drehte er sich um und begann einen Ast von einem Busch zu schneiden, mit dem er mich züchtigen wollte.

Als er fertig war, stand ich längst auf den Füßen. »Gut«, sagte er nur und warf den Ast fort. Wir gingen weiter.

»Wärst du bei uns geblieben«, sagte er, »hättest du Marlenus aus Ar sehen können.«

Mir stockte der Atem. Ich hatte von dem großen Ubar gehört. »In Laura?« fragte ich ungläubig.

»Er kommt manchmal mit einigen hundert Tarnkämpfern nach Norden, um in den Wäldern zu jagen.« »Was jagt er denn?«

»Sleen, Panther und Frauen«, sagte der Wächter. »Oh.«

»Er jagt etwa eine oder zwei Wochen lang und kehrt dann nach Ar zurück.« Er schob mich vor sich her, weil ich unwillkürlich langsamer gegangen war. »Ein Ubar hat viele Pflichten«, fuhr er fort, »und Marlenus freut sich immer sehr auf seine Jagd. Ist er fertig, bringt er seine Beute mit einer Karawane zurück.« »Hat er es auf etwas Besonderes abgesehen?« fragte ich. »Ja«, sagte der Mann, »auf eine Gesetzesbrecherin, eine gewisse Verna.«

Ich blieb stehen. »Verna und ihre Mädchen haben mich gefangengenommen.«

»Es heißt, sie soll sehr schön sein«, sagte der Mann. »Stimmt das?« »Frag doch die Männer im Lager, die sie überfallen hat.« Seine Hand grub sich in meine Haare, zog mir den Kopf zurück. »Ja«, sagte ich hastig. »Sie ist schön, sehr schön.«

»Marlenus wird sie fangen«, versicherte er, »und sie in einem Käfig nach Ar schicken.«

»Erst muß er sie aufspüren«, warf ich spöttisch ein. »Und in seinen Vergnügungsgärten wird sie ihm aus der Hand fressen.«

»Du scheinst zu glauben, daß sich jede Frau zähmen läßt.« »Ja.« Es freute mich, daß Marlenus Verna und ihre Mädchen jagte. Ich wünschte ihm Erfolg, denn ich hatte nichts dagegen, auch Verna einmal als Sklavin zu sehen.

Am späten Nachmittag rasteten wir, und mein Wächter gab mir aus seinem Beutel zu essen. Auf seinen Befehl hin erhob ich mich wieder, und wir setzten unseren Weg fort.