An diesem Abend war ich glücklich. Wir fuhren in einer Holzbarke über den Fluß und erreichten Targos Lager. Ute und Inge waren da und die anderen Mädchen, die ich kannte. Targo freute sich sehr über meine Rückkehr. In dieser Nacht schlief ich zufrieden auf der Plane im Sklavenwagen.
Wir machten uns auf den Weg nach Ko-ro-ba, wo wir trainiert werden sollten und von wo aus unsere Reise in südöstlicher Richtung weitergehen sollte nach Ar.
»Woran denkst du, El-in-or?« fragte Ute.
Ich lag auf dem Bauch im Stroh, im Käfig des ko-ro-banischen Geheges, und stocherte mit einem Strohhalm herum.
»An nichts«, sagte ich. Aber ich dachte an den Mann in der Hütte. Er und sein sprechendes Monstrum hatten mir nach dem Regen nicht mehr folgen können. Wahrscheinlich nahmen sie an daß ich umgekommen war. Bei Targo würden sie mich zuletzt suchen. Außerdem hatte dieser Laura bereits verlassen, ehe ich die Stadt erreichen konnte. Wenn der Mann und sein Pelzwesen überhaupt nach mir suchten, dann bestimmt in der Nähe Lauras oder weiter nördlich, im Wald.
Ich war in Sicherheit — als Sklavenmädchen in den Gehegen Ko-ro-bas. Ich hatte keine Hoffnung mehr, zur Erde zurückzukehren, und begann mich damit abzufinden, ein Sklavinnendasein zu führen, Ich faßte den Entschluß, das Beste daraus zu machen.
In diesem Augenblick hörte ich einen Wächter. Ich erkannte die einzelnen Männer an ihrem Schritt, und vor diesem Mann hatte ich Angst. Ich neigte den Kopf und tat, als ob ich schliefe. Er ging vorbei. Er war bestimmt nicht der letzte Goreaner, den ich täuschen würde. Einige Tage vor unserer Abreise nach Ar verbreitete sich eine Nachricht wie ein Lauffeuer in den Sklavengehegen Ko-ro-bas.
»Das Panthermädchen Verna!« rief jemand. »Sie ist von Marlenus gefangengenommen worden!«
Ich eilte an die Gitterwand meines Käfigs. Wie sehr ich die stolze Frau und ihre Mädchen haßte! Ja, sie sollten erfahren, wie es war, ein Sklavendasein zu führen! Sie sollten Angst haben vor der Peitsche! »Arme Verna«, sagte Ute.
»Soll sie doch eine Sklavin sein wie wir!« rief ich. Doch Ute und Inge sahen mich nur schweigend an. »Marlenus wird sie zähmen. Sie wird ihm in seinen Vergnügungsgärten aus der Hand fressen müssen!« Zwei weitere Neuigkeiten drangen in diesen Tagen in die abgeschlossene Welt der Gehege. Zum einen befand sich Haakon aus Skjern in Ko-ro-ba, jener Mann, von dem Targo seine hundert nordischen Schönheiten erworben hatte, deren Training gerade zu Ende ging.
Aus unerfindlichen Gründen schien Targo diese Nachricht wenig zu gefallen.
Und die andere Neuigkeit hatte mit den kühnen Überfällen Rasks aus Treve zu tun.
Ganz Ko-ro-ba schien sich darüber aufzuregen. Vier Karawanen waren den kühn angreifenden Tarnkämpfern aus Treve zum Opfer gefallen. Und Rasks Männer hatten Dutzende von Feldern angesteckt und die Sa-Tarna-Ernte vernichtet. Der Rauch von zwei Feldern war sogar von den hohen Brücken Ko-ro-bas aus zu sehen gewesen.
Die ko-ro-banischen Tarnkämpfer waren ständig unterwegs, sogar des Nachts, wenn die Signalfeuer auf den hohen Mauern brannten. Sie flogen Patrouillen und setzten auch manchen Überraschungsflug an — aber es gelang ihnen nicht, die heimtückische Bande des schrecklichen Rask aus Treve aufzuspüren.
Ich kannte diesen Namen — Rask aus Treve —, und auch Targo hatte allen Grund, sich dieses Mannes mit Schrecken zu entsinnen. Er war es gewesen, der Targos Sklavenkarawane überfiel, ehe ich versklavt wurde. Er war es gewesen, der Targo und seine Leute in das Dickicht getrieben hatte, wo sie mit Mühe einen Wagen und neunzehn Mädchen hatten retten können.
Ansonsten war wenig bekannt über diesen Rask aus Treve, wie überhaupt die Stadt Treve von vielen Gerüchten und Sagen umwoben war. Sie lag irgendwo in den unzugänglichen Schluchten der schroffen Voltaiberge und war angeblich nur auf dem Rücken eines Tarn zu erreichen. Frauen konnten nur als Sklavinnen in die Stadt gebracht werden, quer auf dem Sattel eines Tarn. Sogar Händlern und Kaufleuten wurde eine Annäherung an die Stadt nur in Begleitung Einheimischer gestattet — und mit verbundenen Augen. Offenbar durfte die Lage der Stadt nur ihren Bürgern bekannt sein. Und war man erst einmal in Treve, beschränkte sich der Ausblick von ihren steilen Mauern auf schroffe Abhänge der Voltaiberge und auf tiefe Abgründe und den Befestigungen, die eine Flucht unmöglich machten.
Von Rask aus Treve wurde erzählt, daß er jung, kühn und rücksichtslos sei, daß er sich brutal und mutig gebe, daß er klug ausweichend und ein Meister der Verkleidung und der Täuschung sei. Es hieß, er sehe sich zuweilen in Verkleidung Frauen an, um festzustellen, ob er sie später besitzen wolle — er, ein gutaussehender, wilder, langhaariger Mann, ein Tarnreiter, ein Krieger reinsten Wassers, einer der großen goreanischen Meister mit dem Schwert. Die Krieger fürchteten seine Waffe, und die Frauen fürchteten den Stahl seiner Sklavenkragen.
Frauen, so ging das Gerücht, hatten besonderen Grund, Rask aus Treve zu fürchten. Angeblich verachtete er das schwache Geschlecht und gebrauchte jede Frau nur einmal, als habe er ihr Möglichkeiten mit dem einen Beisammensein erschöpft, als hab, er ihr alles genommen, was sie ihm geben konnte. Kein Mann auf Gor, so hieß es, konnte eine Frau so erniedrigen wie Rask aus Treve. Und doch gab es nur wenige Frauen, die sich nicht für diesen Krieger interessierten.
Es hieß, daß Rask aus Treve noch niemals eine Frau gekauft habe. Er pflegte sie zu erobern, sie mit Gewalt zu nehmen. Rask aus Treve zog wie viele goreanische Krieger die freien Frauen vor, die er sich Untertan machte, aber auch gegen Sklavinnen hatte er nichts.
Ich jedenfalls hatte keine Angst vor ihm. Mein Training und meine Intelligenz machten mich zu einem Gegner, mit dem jeder Mann rechnen mußte — auch die seltsam anziehenden mächtiger Männer dieses Planeten!
Unser Training nahm seinen Fortgang.
Einmal kam ein Besucher in die Gehege, ein großer Fremder der sein Gesicht unter einer Kapuze verbarg, in blau-gelbe Seidenhosen gekleidet, wie ein Sklavenhändler. Über dem linken Auge trug er einen Lederstreifen, der sich um seinen Kopf zog, Targo führte ihn durch unsere Sektion der Sklavengehege. »Dies ist Soron aus Ar«, sagte Targo und blieb vor unserem; Käfig stehen. Dann sagte er: »El-in-or.«
Ich war nervös. Ich wollte nicht verkauft werden, solange wir noch nicht in Ar waren. Ich wollte mich auf dem großen Block im Curuleum dieser Stadt präsentieren können, denn dort kamen die reichsten Käufer Gors zusammen.
»El-in-or!« befahl Targo in scharfem Tonfall.
Ich ging zum Gitter und kniete nieder.
»Versteht sich das Mädchen nicht darzubieten?« fragte der Mann. Targo war wütend und starrte mich funkelnd an.
Ich bekam Angst, neigte den Kopf und sagte die traditionelle Formeclass="underline" »Kaufe mich, Herr.«
»Nein«, sagte der Fremde knapp und wandte sich ab.
Wütend sprang ich auf und wich zurück. Er hätte sich nicht so brutal äußern sollen. Ich hatte mich gut dargeboten, doch er hatte nicht das geringste Interesse gezeigt.
»Kaufe mich, Herr«, sagte Inge, die nun auf ein Zeichen Targos ans Gitter getreten war.
Es gefiel mir nicht, wie Inge das ›mich‹ betonte, als wollte sie sich von mir und meinem Versagen abheben. Hielt sie sich etwa für überlegen? Hielt sie sich für attraktiver?
Der Mann betrachtete sie anerkennend von Kopf bis Fuß, wie ein Herr, der eine wirklich gute Ware taxiert.
»Hast du mal den Schriftgelehrten angehört?« fragte er schließlich. »Ja«, sagte Inge verblüfft.
»Ich hab’s an deinem Akzent gemerkt«, sagte er.
»Danke, Herr«, erwiderte Inge und senkte den Kopf.
»Ausgezeichnete Ware«, sagte der Fremde zu Targo. »Sie sollte an einen Schriftgelehrten verkauft werden.«
Targo breitete die Hände aus und lächelte. »Wer am meisten bezahlt.« »Du kannst an deinen Platz zurückkehren«, sagte der Fremde. Leichtfüßig wie eine Katze kehrte Inge auf das Strohlager zurück. In diesem Augenblick haßte ich sie.