»Kaufe mich, Herr«, sagte Ute, die nun an der Reihe war, wurde jedoch zurückgeschickt; Lana erging es nicht anders.
Der Fremde und Targo machten Anstalten, zum nächsten Käfig zu gehen.
Ich stand in der hinteren Ecke unseres Käfigs auf dem Stroh und schaute durch die Stäbe hinaus. Der Mann hatte sich umgedreht und betrachtete mich. Ich warf den Kopf hoch und schaute ärgerlich in eine andere Richtung. Doch ich konnte nicht anders —
nach einigen Sekunden mußte ich noch einmal hinschauen, um zu sehen, ob er mich noch anblickte.
Und sein Blick war noch immer auf mich gerichtet.
Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. Ich bekam Angst Doch schon hatte er sich mit Targo abgewandt und stand vor dem nächsten Käfig. Ich hörte, wie sich dort ein Mädchen im Stroh bewegte und sich den Stäben näherte. Ich sah mich um. Unser Käfig war so massiv — an eine Flucht war nicht zu denken, Ich kam mir hilflos vor.
An diesem Abend gelang es mir, Ute beim Essen einen Keks zu stehlen. Sie merkte nicht einmal, daß ihr jemand das Stück aus der Schale nahm. Unser Training in den Gehegen Ko-ro-bas ging seinem Ende entgegen. Unsere Körper, bis in die letzten Feinheiten mit den stilisierten Bewegungen des Sklaventums vertraut gemacht, waren nun unmißverständlich die Körper von rechtlosen Frauen. Viele angedeutete Bewegungen gehörten zum Ritual, zu der Verbindung zwischen Herr und Sklavin. Wir lernten diese Dinge, Kleinigkeiten, wie Hand-, Finger- oder Hüftbewegungen. Wir lernten aber auch die Bewegungen der Männer zu verstehen, ihr Interesse und ihre Wünsche aus solchen Dingen abzulesen. Es ist im Grunde kein Geheimnis, daß die goreanische Sklavin die Stimmungen und Wünsche ihres Herrn vorauszuahnen scheint. Die Männer zahlten höhere Preise für ausgebildete Sklavenmädchen ohne selbst zuweilen genau zu wissen, was dieses Training ausmacht — die Fähigkeit, Wünsche zu erkennen, ohne daß sie ausgesprochen werden müssen. Ich gedachte meine erworbenen Fähigkeiten dazu zu benutzen, mir meinen Herrn Untertan zu machen und ich hatte kaum Zweifel, daß mir das gelingen würde, Und dann hatte ich ein leichtes Leben — auch wenn ich den Sklavenkragen trug, würde ich die Herrin sein!
Wenn ich nachts im Stroh des Käfigs lag und nicht einschlafen konnte, dachte ich manchmal an Verna, die nun gefangen war und lachte leise vor mich hin. Ich wünschte mir eine Gelegenheit; ihr zu zeigen, wie wenig ich sie fürchtete, wie sehr ich diese Frau verachtete. In diesen letzten Tagen in Ko-ro-ba wurden Haakon aus Skjern und Rask aus Treve wieder etwas in den Hintergrund meiner Gedanken gedrängt. Es hieß, daß Rask endlich aus der Nähe der Stadt Ko-ro-ba vertrieben worden sei. Gewisse Tarnkämpfer der Stadt rühmten sich, sie hätten den gefürchteten Piraten aus dem Gebiet Ko-ro-bas vertrieben, doch andere schwiegen dazu, wie ich von unseren Wächtern erfuhr. Jedenfalls schien Rask aus Treve mit seiner Räuberbande die Ländereien der Türme des Morgens, wie Ko-ro-ba auch genannt wurde, verlassen zu haben. Sa-Tarna-Felder reiften in gelber Schönheit heran, und Karawanen hatten wieder Sicherheit. Die Himmel waren frei vom Flattern und Kreischen der Tarns aus Treve und dem wilden Kriegsgebrüll ihrer speerschleudernden Krieger. Offenbar suchte Rask aus Treve nun in anderen Gebieten nach Gold und Frauen. Haakon aus Skjern dagegen schien länger in Ko-ro-ba zu bleiben. Skjern ist eine Insel im Thassa, ziemlich weit von Ko-ro-ba entfernt. Sie liegt westlich des kahlen, felsigen Torvaldsland, sogar nördlicher als der gewaltige grüne Gürtel der Wälder. Die Männer Skjerns ließen sich selten so weit südlich oder so weit im Binnenland sehen. Haakon war offenbar mit seinen Tarnkämpfern in friedlicher Absicht hier. Sie zahlten für ihren Eintritt in die Stadt und behaupteten, sie müßten Vorräte für ihre Handelsgeschäfte kaufen. Da es sich um eine ziemlich große Gruppe fremder Krieger handelte, mußten sie ihre Waffen am großen Tor abgeben, wo sie sie bei ihrem Abflug wieder abholen konnten. In Ko-ro-ba waren die Waffenscheiden dieser Männer leer. Was war also von einem Haakon aus Skjern zu befürchten, der keine Waffe am Gürtel trug? Ich verstand die Unruhe Targos und einiger seiner Männer nicht. Haakon hatte mit ihm Geschäfte gemacht und mochte daran interessiert sein, im nächsten Frühjahr wieder einen Abschluß zu tätigen. Vielleicht wußte er nicht einmal, daß wir ebenfalls in Ko-ro-ba waren. Außerdem liefen Gerüchte um, daß er noch einige Tage länger in der Stadt bleiben wollte als wir, um dann wieder in den Norden nach Laura zu fliegen. Außerdem hatte Targo in Ko-ro-ba zusätzliche Mädchen gekauft und weitere Wächter eingestellt, und seine Karawane nach Ar würde so groß ausfallen, daß sie bestimmt nicht von vierzig oder fünfzig Tarnkämpfern aufgebracht werden konnte. Auch schien die Art und Weise, wie Haakon seine Tage in Ko-ro-ba verbrachte, nichts Bedrohliches zu haben. Er kaufte offenbar wirklich Vorräte ein, und seine Männer spielten und tranken in den Tavernen der Stadt und verbrachten ihre Zeit damit, sich mit anderen Männern, anderen Tarnkämpfern aus fremden Städten anzufreunden, die sich zufällig ebenfalls in den Mauern der Stadt aufhielten. Von Haakon aus Skjern und seinen Leuten war also nichts zu befürchten.
»Sklaven raus«, sagte der Wächter und drehte den Schlüssel unseres Käfigs um.
Nach wenigen Minuten kniete ich auf der hölzernen Plattform in den öffentlichen Sklavengehegen Ko-ro-bas. Diesmal braucht mich niemand festzuhalten; ich legte freiwillig den Kopf in de Nacken. Der Lederarbeiter weitete den Ring, den ich in der Nase trug und entfernte ihn vorsichtig. Erleichtert sprang ich von der Plattform und eilte zur Wand. Ich betastete mein Gesicht und lachte. Endlich war ich den verhaßten Ring los!
»El-in-or«, sagte Targo. »Du bist schön, wenn du glücklich bist«, sagte er.
Ich errötete und senkte den Kopf. »Danke, Herr«, sagte ich. In diesem Augenblick kam Ute, auch sie war ihren Nasenring los. Ich war so überschwenglicher Stimmung, daß ich sie am liebsten umarmt hätte. »Ute, ich bin so glücklich«, sagte ich.
»Gut«, erwiderte sie und wandte sich ab.
Ich war gekränkt und wandte mich Inge zu, die nun von der Plattform kam. Aber auch sie hatte unsere früheren Differenzen nicht vergessen. Ich kam mir plötzlich sehr einsam vor.
Als Lana zur Mauer kam, näherte ich mich ihr schüchtern. »Ich möchte deine Freundin sein«, sagte ich leise.
»Stell mal fest, wann wir Ar verlassen«, sagte Lana. »Frag Targo, er mag dich.«
»Bitte, Lana!« flehte ich, doch sie wandte nur den Kopf. Zitternd näherte ich mich Targo, kniete neben ihm nieder. »Darf ich sprechen?« fragte ich.
»Ja.«
»Wann«, flüsterte ich, »wann reisen wir nach Ar, Herr?«
Nach kurzem Schweigen sagte er streng: »Neugier steht einer Sklavin nicht.«
Ich stöhnte auf und wandte mich ab.
»El-in-or«, sagte Targo hinter meinem Rücken.
Ich blickte auf.
»Morgen früh«, sagte Targo, »bekommen die Sklavinnen vor dem Morgengrauen zu essen. Und wenn es hell wird, verlassen wir Ko-ro-ba in Richtung Ar.«
»Danke, Herr«, sagte ich und eilte zu Lana zurück.
»Wir fahren morgen früh«, sagte ich aufgeregt zu Lana und umfaßte ihren Arm. »Ich möchte deine Freundin sein.«
»Na gut«, sagte Lana.
»Du bist die einzige Freundin, die ich habe.«
»Das stimmt«, sagte Lana kühl. »Aber daran bist du selbst schuld mit deinem arroganten Gehabe. Wie du dich wegen jedes Vorteils anbiederst, ist widerlich.«
Am Abend vor unserer Abfahrt konnte ich nicht einschlafen. Ute, Inge und Lana waren längst entschlummert, während ich noch im Stroh lag und zur Käfigdecke emporstarrte.
Ich haßte Ute, dieses selbstgefällige kleine Scheusal. Und auch Inge und Lana. Ich hoffte, daß ich einen besseren Preis erzielte als die drei zusammen — das war dann die richtige Rache!
Ich erhob mich auf die Knie und beobachtete meinen Schatten an der rückwärtigen Käfigwand, vom Licht der Laterne scharf gezeichnet. Ich reckte mich und fragte mich zum tausendstenmal, wieviel ein Mann wohl für mich bezahlen würde.
Unwillkürlich mußte ich an das Panthermädchen Verna denken. Sie hatte mich gefangen und für hundert Pfeilspitzen verkauft! Vielleicht würde Marlenus sie auf den Auktionsblock bringen. Vielleicht bezahlte man für sie auch nur hundert Pfeilspitzen! Ich erinnerte mich, wie Verna und ihre Mädchen auf der Lichtung getanzt hatten, unfähig, sich zu beherrschen — auch die stolze, arrogante Verna!