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Sie waren ja alle so schwach, während ich stark und entschlossen war. Befriedigt legte ich mich zurück und versuchte zu schlafen. Doch nun wanderten meine Gedanken zu Soron aus Ar, der in Targos Begleitung durch das Gehege gewandert war.

»Kaufe mich, Herr«, hatte ich zu ihm gesagt, doch er hatte mit einem ›Nein‹ reagiert.

Er hatte überhaupt kein Mädchen gekauft, was mir seltsam erschien, doch nur mir hatte er mit einem klaren ›Nein‹ geantwortet. Warum regte ich mich darüber so auf — mir war doch nur lieb, daß er mich nicht gekauft hatte! Aber er hatte mich später noch einmal abschätzend angesehen, sein Blick hatte auf mir geruht, und ich war mir dabei seltsam hilflos vorgekommen. Und das ließ mich jetzt nicht einschlafen. Als ich schließlich doch in einen unruhigen Schlummer fiel, hatte ich einen seltsamen Traum. Ich träumte, mir wäre die Flucht gelungen, und ich liefe frei durch das hohe Gras der goreanischen Steppe. Wie sehr ich mich über meine Freiheit freute!

Und dann drehte ich mich plötzlich um und sah dicht hinter mir, das Gesicht halb hinter seiner großen Kapuze verborgen Soron aus Ar. Ich floh, aber plötzlich stand er wieder vor mir, und als ich eine andere Richtung einschlug, tauchte er erneut vor mir auf. Es kein Entkommen. Ich erwachte in Schweiß gebadet.

»Still!« rief Lana und schüttelte mich. »Sei endlich still!« Ich mußte im Schlaf geschrien haben. Auch Ute und Inge hatten sich schläfrig aufgerichtet und starrten zu mir herüber. Ich eilte zu Ute und schmiegte mich an sie.

»O Ute, ich habe solche Angst«, sagte ich schluchzend.

»Es ist doch nur ein Traum«, sagte sie. »Wir bleiben ein Weilchen wach, und dann schlafen wir weiter, ja?«

Ich hielt Utes Hand und schlief nach einer Weile wieder ein.

12

Wie schön es war, frei herumlaufen zu können! Im Gras stehend, im hellen Schein der Sonne, reckte ich mich und lachte. Ich trug einen neuen Kamisk und freute mich darüber.

Ich hatte ihn am ersten Tag der Reise im Wagen genäht. Mein altes Kleidungsstück war schon zu unansehnlich geworden.

Es war ein schöner Tag, im Frühsommer, am zweiten En’Var. Nach der Zeitrechnung Ars, der Stadt, die unser Ziel war, zählten wir das Jahr 10 121.

Ich spürte das Gras an den Beinen, die Sonne auf dem Gesicht; und an den Armen und Beinen und die frische, lockere Erde unter meinen bloßen Füßen.

Ich war glücklich.

Ich hob mein Gesicht und schloß die Augen und genoß die Wärme der Sonnenstrahlen.

Im nächsten Augenblick spürte ich einen Zug an meinem Hals und öffnete die Augen. Mit einer etwa drei Meter langen Lederschnur war Ute an mich gefesselt. Wir pflückten Beeren.

Elinor Brinton, das goreanische Sklavenmädchen, bückte sich emsig, zupfte Beeren von den Zweigen eines kleinen Busches und tat sie in ihren Ledereimer.

Ute hatte mir den Rücken zugewandt, ebenso der Wächter, der sich schläfrig auf seinen Speer stützte.

Wir waren etwa einen Pasang von der Karawane entfernt. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte, konnte ich von dem Hügel aus, auf dem wir Beeren pflückten, die flachen Dächer der Wagen sehen, deren blau-gelbe Planen in der Sonne schimmerten.

Seit der Abfahrt aus Ko-ro-ba waren neun Tage vergangen. Es würde noch Wochen dauern, bis wir Ar erreichten, wo wir verkauft werden sollten.

Mich freute das schöne Wetter und der laue Wind. Wie schön es war, dem Gestank der Sklavengehege entronnen zu sein.

Ich bückte mich und rieb mir die Fußgelenke. Sie taten mir von der langen Fahrt weh. Die Sklavenkette während der Fahrt war nur etwa dreißig Zentimeter lang, und die Plane, die den harten Boden polsterte, war dünn. Aber jetzt war ich im Freien und konnte mich nach Belieben bewegen — nur war ich eben an Ute gefesselt.

Ich erinnerte mich an den Morgen, an dem wir Ko-ro-ba verließen. Es war noch dunkel, als man uns aus den Käfigen holte. Wir erhielten reichlich zu essen, weil wir erst gegen Abend wieder etwas bekommen sollten. Im Hof zwischen den Käfigen mußten wir uns den Gestank der Gehege von den Körpern waschen. Dann erst durften wir die Wagen betreten. Auf den Wagenflächen saßen wir, die Rücken nach außen, zu fünft auf jeder Seite; so wurden wir festgemacht; anschließend zog man die Plane herunter.

»Ho!« brüllte unser Fahrer, und langsam setzte sich der Wagen in Bewegung.

Die Karawane hielt auf Ko-ro-bas Straße des Feldtors zu, das südlichste Tor der Stadt.

Wir kamen nur langsam voran. Trotz der frühen Stunde herrschte ein lebhaftes Treiben in der Stadt. Wir spürten, daß eine Art Feiertagsstimmung in der Luft lag.

»Was ist los?« hatte ich Inge gefragt.

»Ich weiß nicht«, lautete die Antwort.

Wir hatten die Fahrer fluchen und in die Menge brüllen hören, doch wir blieben immer wieder stecken.

Wir merkten bald, daß auch andere Wagen in den Straßen feststeckten. Zentimeterweise fuhren wir weiter und erreichten schließlich die Straße des Feldtors.

In den Wagen lauschten wir auf das Lärmen der Menge, war inzwischen hell geworden, und Licht drang durch die Schutz plane des Wagens.

Die Mädchen waren aufgeregt, wußten aber nicht, was los war Wütend verfluchte ich die Planen.

Aus der Ferne ertönte Musik — Trompeten, Trommeln, Zimbeln. Wir sahen uns an, vermochten uns kaum noch zu beherrschen.

»Auf die Seite fahren und anhalten!« befahl in diesem Augenblick eine tiefe Stimme.

Unser Wagen fuhr an den Rand der breiten Straße, und wir merkten, daß sich draußen viele Menschen drängten. Die Musik kam näher. »Der Fang des Marlenus!« rief ein Mann.

Mein Herz machte einen Sprung.

Ich drehte mich um, kniete nieder, verdrehte meine Fußkette und fuhr mit den Fingern unter den Rand der Regenplane.

Die Musik war nun schon ziemlich nahe. Ich hob die Plane an und blinzelte hindurch.

Ein Jagdmeister, auf einem riesigen Tharlarion sitzend, führte mit einem Stab, an dem Pantherhaar flatterte, den Zug an. Eine Maske aus der Kopfhaut eines Waldpanthers bedeckte zur Hälfte sein Gesicht. Um den Hals trug er eine doppelte Halskette aus Pantherklauen. Auf seinem Rücken wippte ein Köcher mit Pfeilen, ein Bogen war an seinem Sattel befestigt. Er trug Felle, zumeist von Sleen und Waldpanthern.

Hinter ihm kamen die Musiker mit ihren Trompeten und Zimbeln und Trommeln. Auch sie waren jagdmäßig gekleidet.

Auf Fahrgestellen, von kleinen gehörnten Tharlarion gezogen schlössen sich Holzkäfige und Pfosten mit allerlei Jagdtrophäen an. In einigen Käfigen schnaubten und fauchten Waldsleen oder die sandfarbenen Panther der nördlichen Wälder. An den Masten hingen die Felle und Köpfe zahlreicher Tiere, zumeist Panther und Sleen. In einem Käfig ringelte sich Görs gefürchtete Riesenschlange, die nur in bestimmten Waldgegenden zu finden ist, Marlenus’ Jagdgesellschaft mußte große Entfernungen zurückgelegt haben. Zwischen den Wagen schritten gefesselte männliche Sklaven. Sie trugen kurze Wollkleidung und schwere Eisenringe um den Hals. Sie hatten langes, verfilztes schwarzes Haar. Einige trugen große Körbe mit Früchten oder Nüssen auf den Rücken, andere Körbe mit Blumen oder buntgefiederte Waldvögel am Gürtel. Die anderen Mädchen schauten nun ebenfalls aufgeregt hinaus; sie waren auf unsere Seite herübergekommen, hatten sich zwischen uns geschoben und starrten in die Helligkeit. »Sind die Sklaven nicht aufregend?« fragte eine. »Schamlos!« tadelte ich.

»Paß auf, daß du nicht mit einem zusammengetan wirst!« Ich schlug wütend nach ihr. Mir war der Gedanke noch nicht gekommen — aber so konnte es kommen. Wenn es meinem Herrn gefiel, mußte ich es mit jedem Sklaven treiben, den er für mich aussuchte, zu seinem Vergnügen und um Nachkommen für die Sklavenmärkte zu zeugen.