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»Mach mich los!« rief Ute.

Wir waren mit einer breiten Lederschnur aneinandergefesselt deren Knoten nicht einfach zu lösen war. Meine Finger hantierten daran herum. In meiner Aufregung machte ich kaum Fortschritte. Ungeduldig stieß mich Ute zur Seite und begann verzweifelt auf dem Lederband zu kauen. Nicht alle Tarnkämpfer waren gelandet, einige wirbelten noch in engen Kreisen am Himmel. Ich sah Zweikämpfe bei den Wagen, sah einige Männer fallen.

Einer der Tarnkämpfer, der noch auf seinem Tier saß, nahm den Helm ab und wischte sich die Stirn. Er war der Anführer, den ich sogar auf diese Entfernung erkannte.

»Es ist Haakon!« rief ich. »Haakon aus Skjern!«

»Natürlich ist das Haakon aus Skjern!« rief Ute und setzte ihre Bemühungen fort.

Mehrere Wagen standen nun in Flammen. Ich sah Männer herumlaufen. Zwei Mädchen eilten über die Steppe davon.

Haakon mußte an die hundert Leute bei sich haben. Als er nach Ko-ro-ba kam, war seine Truppe nur vierzig Mann stark gewesen: er mußte also weitere Söldner angeworben haben!

Schwertgeklirr klang herüber. Ich war außer mir.

Unter den brennenden Wagen lief plötzlich ein Dutzend Mädchen hervor, verstreuten sich in alle Richtungen.

»Er treibt die Mädchen davon!« rief Ute wütend und zerrte an dem Leder, das sie nicht durchbeißen konnte. Sie sah mich wütend an. »Sie haben uns noch nicht gesehen. Wir müssen fliehen!«

Ich schüttelte den Kopf. Wohin sollten wir uns wenden?

»Du kommst mit, oder ich bringe dich um!« schrie Ute.

»Ich komme ja!« willigte ich ein.

Ich sah, daß die Tarnkämpfer von den brennenden Wagen abließen und zu ihren Tarns zurückkehrten. An den Wagen und den Vorräten darin hatten sie kein Interesse, solange der eigentliche Schatz entkam. Targo hatte sich entschlossen, die Mädchen freizulassen, um sich damit die Angreifer vom Halse zu schaffen. Es war eine Verzweiflungsmaßnahme, zu der er nur in höchster Not gegriffen hatte — aber er und seine Männer waren hoffnungslos in der Minderheit. »Komm, El-in-or!« rief Ute. »Komm!«

Sie zerrte mit beiden Händen an der Leine, die uns miteinander verband, und ächzend setzte ich mich in Bewegung.

Als wir uns einmal umsahen, sahen wir fliegende Tarnkämpfer, die einzelne Mädchen jagten. Sie lenkten ihre Tiere nur wenige Zentimeter über dem Boden dahin, und oft packte der Tarn sein Opfer mit den Krallen und riß es in die Luft. Anschließend landete der Tarnkämpfer und zog das Mädchen zu sich in den Sattel. Einige hatten bereits hysterisch schluchzende Mädchen vor sich liegen. Verschiedene Angreifer stießen den rennenden Mädchen die Lanzenschäfte in den Rücken, so daß sie ins Gras stürzten. Wieder andere fingen die fliehenden Sklavinnen mit de Lasso ein und mußten dazu nicht einmal absteigen.

Es war ein entsetzlicher Anblick, und ich geriet ins Stolpern. »Beeil dich!« rief Ute.

Ich rappelte mich wieder auf und folgte ihr ins Ungewisse.

13

Ich stand in dem reißenden Fluß; das Wasser reichte mir bis über die Knie. Ich hatte meinen Kamisk hochgebunden, damit er nicht naß wurde. Mit erhobenen Händen starrte ich auf die silbrige Gestalt, sich im klaren Wasser drehte.

Sie näherte sich dem Zaun aus kleinen Stöcken, die Ute in das Flußbett gesteckt hatte, und scheute zurück, als sei sie verwirrt. Meine Hände zuckten darauf zu, packten zu. Ich berührte das Wesen. Wasser wurde aufgewühlt. Mit einem Schrei des Ekels zog ich die Hände zurück. Der glitzernde Körper schoß durchs Wasser. Ich richtete mich wieder auf. So leicht entkam mir das Wesen nicht. Es befand sich in Utes Stockfalle, die aus zwei Teilen bestand. Der erste, einige Meter flußabwärts, hatte die Form eines flußabwärts zeigenden ›V‹. Hier konnte ein Fisch leicht eindringen, ohne aber so schnell den Ausgang wiederzufinden, der zweite Teil war eine gekurvte Stockwand, die die Falle völlig schloß.

Ute war beim Jagen. Sie hatte an verschiedenen Stellen Schlingen ausgelegt und dazu den Lederriemen benutzt, mit dem wir aneinandergefesselt gewesen waren.

Wieder näherte ich mich dem silbrigen Körper in der Falle. Ute und ich waren entkommen — was mich doch sehr überrascht hatte. Wir waren ziemlich weit von den Wagen entfernt gewesen — und es war sicher dieser Tatsache und der allgemeine Verwirrung zuzuschreiben, daß uns niemand bemerkt hatte.

Wir waren etwa eine Ahn lang gerannt, bis wir den Rand eines großen Ka-la-na-Dickichts erreichten. Hier hatten wir uns ins Gras geworfen. »Ute, ich habe Angst!« hatte ich geflüstert.

»Verstehst du nicht?« erwiderte sie mit blitzenden Augen. »Wir sind frei!«

Ute kroch zu mir und begann mit ihren kurzen starken Fingern an den Knoten zu arbeiten, die uns fesselten. »Wir brauchen das Leder«, sagte sie, als sie den Knoten gelöst hatte.

»Was können wir machen, Ute?« fragte ich nervös.

Sie rollte das breite Lederband zusammen, legte es sich über die Schulter und stand auf. »Komm«, sagte sie. »Wir müssen tiefer ins Dickicht.«

»Ich kann nicht laufen«, sagte ich. »Ich bin zu müde.«

»Leb wohl, El-in-or«, sagte sie, machte kehrt und marschierte davon. Als ich ihr nachschrie, drehte sie sich nicht einmal um. Da war ich aufgesprungen und ihr nachgeeilt. »Ute, nimm mich mit!« flehte ich.

Meine Hände lauerten über dem silbrigen Fischkörper im Wasser. Und wieder packte ich zu. Diesmal erwischte ich das Wesen, das sich kraftvoll zwischen meinen Fingern wand. Ein schreckliches Gefühl! Mit heftigem Schwanzschlag machte es sich frei und huschte flußabwärts davon, wo es jedoch auf die Stockwand stieß und reglos im Wasser verharrte.

Ich wich zurück, näherte mich dem offenen Ende des ›V‹. Ich konnte zumindest dafür sorgen, daß das Ding in der Falle blieb. Wir waren nun schon fünf Tage unterwegs. Wir hatten uns tagsüber im Ka-la-na-Dickicht aufgehalten und waren nachts über die Steppe gewandert. Ute hatte die südwestliche Richtung eingeschlagen. Das winzige Dorf Rarir, in dem sie geboren war, lag südlich des Vosk nahe der Thassaküste.

»Warum möchtest du dorthin?« hatte ich gefragt.

Sie war als kleines Mädchen aus dem Dorf entführt worden. Ihre Eltern waren ein Jahr vorher wilden Larls zum Opfer gefallen. Ute war ein Abkömmling der Lederarbeiter; ihr Vater hatte dieser Kaste angehört. »Ich will ja eigentlich gar nicht dorthin«, erwiderte Ute. »Aber wohin soll man sich sonst wenden? In meinem Dorf macht man mich wenigstens nicht zur Sklavin.«

Im Alter von zwölf Jahren war Ute von einem Lederarbeiter erworben worden, der auf der Austauschinsel wohnte, die von den Kaufleuten von Teletus unterhalten wurde. Er und seine Gefährtin hatten Ute befreit und sie mit der Arbeit der Lederarbeiter vertraut gemacht.

An ihrem neunzehnten Geburtstag waren Mitglieder der Kaste der Wissenden ins Haus gekommen und hatten angeregt, daß sie nun die Reise in das Sardargebirge unternehmen müsse, die nach den Lehren der Kaste der Wissenden jedem Goreaner unter fünfundzwanzig obliegt — eine Pflicht, die er gegenüber den Priesterkönigen hat. Eine Stadt, die nicht dafür sorgt, daß ihre Jugend diese Reise macht, wird nach den Worten der Wissenden von Unheil heimgesucht.

Ute war zu einer Reisegruppe gestoßen, die von den Wissenden zusammengestellt wurde. Und sie bekam das Sardargebirge zu sehen — doch nur als Sklavin.

Ihr Schiff wurde von den schwarzen Sklavenhändlern aus Schendi aufgebracht. Sie und andere wurden verkauft und in Sklavenwagen zum Sardargebirge geschafft, wo sie auf dem großen Frühlings-Jahrmarkt des En’Kara verkauft wurde. Als sie auf dem Block stand und angeboten wurde, sah sie über dem gewaltigen Palisadenzaun die Gipfel des Sardargebirges.

Vier Jahre lang wanderte Ute, als Schönheit geschätzt, von einem Herrn zum anderen, von Stadt zu Stadt.

Dann wurde sie wieder einmal am Sardargebirge verkauft, um Schulden ihres Herrn auszugleichen. Und hier wurde sie von Barus aus der Kaste der Lederarbeiter erworben. Sie hatte viele Herren gehabt, doch nur diesen Herrn geliebt. Dabei hatte sie den Fehler gemacht, ihn einmal ihrem Willen unterwerfen zu wollen.