»Ich mache mit dir, was ich will«, erwiderte er.
»Ja, Krieger.«
Wieder blickte ich zu ihm auf.
»Warum hast du mich nicht bei Targo gekauft?« fragte ich. Er senkte den Kopf. »Ich kaufe nie Frauen«, sagte er.
»Aber du bist doch Sklavenhändler!«
»Nein.«
»Doch! Du bist Soron aus Ar.«
»Soron aus Ar«, sagte er langsam, »gibt es nicht.«
Ich starrte ihn entsetzt an.
»Wer bist du?« fragte ich schließlich.
Ich werde nie seine Worte vergessen, die mir einen kalte Schauder über den Rücken schickten. »Lo Rask«, sagte er. »Rarius Civitatis Trevis.« »Ich bin Rask«, lauteten seine Worte, »aus der Kriegerkaste, aus der Stadt Treve.«
14
Mein zweiter Tag im geheimen Kriegerlager Rasks aus Treve hatte begonnen.
Als sein Tarn mit heftig schlagenden Flügeln auf der Lichtung zwischen den Zelten landete, hatte es ein lebhaftes Willkommen gegeben. Rask aus Treve war beliebt bei seinen Leuten.
Ich erkannte zwischen den Kriegern zahlreiche Sklavenmädchen, in kurzen Reptuch-Tuniken. Auch sie schienen sich zu freuen Ihre Augen leuchteten. Lachend, die Hände erhoben, ließ Rask die Begrüßung über sich ergehen.
Ich roch gebratenes Boskfleisch. Es war später Nachmittag. Er löste meine Fußgelenke vom Sattelring. Dann löste er die Schlinge, die meine Hände am Sattel festhielt, nahm mich in die Arme und ließ mich vom Rücken des Tarn gleiten. Sanft stellte mich neben dem Tier auf die Füße.
Ich wagte nicht ihn anzuschauen.
»Ein hübsches Exemplar«, sagte die Stimme einer Frau. Sie war unglaublich schön, trug einen Sklavenkragen und war weiß gekleidet in ein knöchellanges, klassisch anmutendes Gewand. Sie trug nicht die kurze Arbeitstunika der anderen Mädchen. Wahrscheinlich war sie das Erste Mädchen im Lager und ich und die anderen Sklavinnen mußten ihr gehorchen. Es ist nicht ungewöhnlich, eine der Sklavinnen den anderen überzuordnen. Männer unterweisen uns nicht in den kleinen Aufgaben. Sie wollen nur, daß die Arbeit getan wird.
»Knie nieder«, sagte die Frau, und ich gehorchte.
Einige Männer murmelten anerkennend.
»Ich sehe, daß sie trainiert ist.«
»Sie ist eine Vergnügungssklavin«, sagte Rask aus Treve, »aber ein armseliges Exemplar. Und sie ist raffiniert und charakterlos, eine Lügnerin und Diebin.«
Ich war außer mir.
Die Frau umfaßte meinen Kopf mit den Händen. »Sie hat durchstochene Ohren«, sagte sie. »Soso, du bist also eine Lügnerin und eine Diebin?« Ich senkte den Kopf. Ich vermochte ihr nicht in die Augen zu schauen. »Sieh mich an!« befahl sie. »Hast du die Absicht, auch in diesem Lager zu lügen und zu stehlen?« fragte sie.
Ich schüttelte heftig den Kopf.
Die Männer lachten.
»Wenn du das nämlich tust«, sagte sie, »wirst du bestraft, und die Strafe wird nicht angenehm ausfallen.«
»Du wirst ausgepeitscht«, sagte ein Mädchen, das in der Nähe stand, »und kommst in den Sklavenkasten.«
Ich wußte zwar nicht, was ein Sklavenkasten war, beeilte mich aber zu versichern, daß ich nicht lügen und stehlen wollte.
»Gut«, erwiderte die weißgekleidete Sklavin.
»Sie ist schmutzig und stinkt«, sagte Rask aus Treve. »Säubert sie.« »Willst du sie selbst übernehmen?« fragte die Frau.
Eine Pause trat ein. Ich senkte den Kopf. »Ja«, hörte ich Rask aus Treve sagen, der sich dann mit den anderen abwandte.
»Komm mit ins Zelt der Frauen«, sagte die Sklavin, und ich folgte ihr. Der Morgen des zweiten Tages im Lager Rasks war angebrochen. Heute sollte ich meinen Sklavenkragen erhalten.
Sklavinnen knieten rings um mich und bereiteten mich auf die Zeremonie vor. Ich schaute durch die Zeltöffnung nach draußen Im Lager herrschte lebhaftes Treiben.
Ena, das Erste Mädchen im Lager, hatte mir erzählt, wie ich förmlich in Rasks Besitz übergehen würde, Mangels einer anderen Heimatstadt sollte ich mich als Miß Elinor Brinton aus New York vorstellen. Ich lächelte vor mich hin. Ein seltsamer Name auf dieser barbarischen Welt. Am Abend zuvor hatten mich die Sklavinnen unter Enas Anleitung gewaschen und gekämmt und mir dann zu essen gegeben. Die Mahlzeit war reichlich ausgefallen — Brot und gebratenes Boskfleisch, Käse und Larmafrüchte. Ausgehungert von den Entbehrungen der Wildnis hatte ich gut gegessen und anschließend sogar einen Schluck Ka-la-na-Wein bekommen.
Ich hatte Angst, aber man hatte mich gut behandelt.
Nach der Mahlzeit hatte Ena zu mir gesagt: »Du kannst dich frei im Lager bewegen, wenn du möchtest.«
Das hatte mich überrascht.
»Du wirst nicht entkommen können«, sagte Ena lächelnd, als sie meinen Blick bemerkte. Sie reichte mir ein Stück Reptuch, das ich mir um den Leib schlang, und schickte mich ins Lager hinauf Wir befanden uns in einem Kriegslager in einer entlegene waldreichen Gebirgsgegend. Wahrscheinlich lag dieses Lager irgendwo im Reiche Ar, vielleicht im nördlichsten Gebiet in den Vorbergen des Voltai-Gebirges. Es war ein typisch goreanische Kriegslager, wenn auch sehr klein. Es hatte ein Gehege, in dem die Tarns angebunden hockten, und Schuppen zum Kochen und Waschen. Viele Krieger waren zu sehen, etwa hundert, die Männer Rasks aus Treve, und dazu etwa zwanzig Mädchen von ausgesuchter Schönheit, die sich um das Kochen, Putzen oder das Polieren der Geschirre und Ledersachen kümmerten. Treve, das war mir bekannt, befand sich offiziell mit mehreren Städten im Kriegszustand, von denen jede der anderen ohnehin mit Mißtrauen begegnete. Rask aus Treve trug auf seine Art den Krieg zum Feinde. Vor einigen Monaten hatte er die Felder und Karawanen Ko-ro-bas heimgesucht und hielt sich nun im Gebiet Ars auf. Er war wirklich ein tollkühner Tarnkämpfer. Wahrscheinlich hätte Marlenus aus Ar viel darum gegeben, die Lage dieses kleinen von Palisaden umschlossenen Lagers zu kennen. Ich genoß die Gerüche und Geräusche des Lagers. Ich sah zu, wie zwei Kriege mit ihren schnellen kurzen Klingen in einem Sandviereck übten. Das Klirren der Schwerter erregte und erschreckte mich, vor allem die Schnelligkeit und Grausamkeit dieser Beschäftigung. Wie mutig ein Mann sein mußte, sich einem anderen so zu stellen, von Angesicht zu Angesicht. Ich hätte so etwas nicht fertiggebracht — ich wäre geflohen. Einen Augenblick lang wünschte ich mich zur Erde zurück, wo es kaum Dinge gab, die eine Frau nicht genauso gut oder besser tun konnte als ein Mann. Aber dann besann ich mich eines anderen — etwas tief in mir war eigentlich ganz zufrieden, daß ich hier war, auf Gor, wo es solche Männer gab.
»Ho!« rief einer der Krieger, und der Kampf war vorbei.
Ich machte kehrt und näherte mich dem Palisadenzaun, der das Lager umgab. Er war fast vier Meter hoch und bestand aus angespitzten Baumstämmen.
Langsam ging ich innen daran entlang. Ich strich mit den Fingern über das Holz, das geglättet worden war. Die Stämme standen dicht beieinander. Ich blickte zu den Spitzen auf. Eine solche Mauer war für mich unüberwindlich. Langsam ging ich daran entlang und bog nur ab, als ich das Tarngehege erreichte, das daran angrenzte.
Bald erreichte ich das Tor.
Auch das Tor bestand aus Baumstämmen, die aber etwas Weiter voneinander entfernt waren. Es handelte sich um eine doppelte Barriere, die geschlossen war, zwei Balken als Riegel davor. Zwischen den Stämmen hindurchschauend, stellte ich fest, daß es weiter draußen noch ein zweites Tor gab und das Lager tatsächlich von einer doppelten Palisadenmauer umgeben war. Die äußere Mauer war innen mit einem Rundgang versehen, der eine Verteidigung ermöglichte. Die innere Wand, hoch und glatt, diente zur Abschreckung der Sklaven. »Mädchen dürfen sich nicht am Tor herumtreiben«, sagte ein Wächter. »Ja, Herr«, erwiderte ich und wandte mich ab.
Ich setzte meinen Rundgang fort. An einer Stelle fand ich eine winzige Tür, kaum fünfzig Zentimeter hoch. Sie war gerade groß genug, daß ein Mensch hindurchkriechen konnte. Zwei schwere Ketten und ein Schloß sicherten sie — und ein Wächter stand in der Nähe.
Ich sah, daß ich die Spitzen der Palisade auch nicht erreichte, wenn ich mich auf die Ketten stellte — meine Finger waren dann noch immer fast einen Meter vom Rand entfernt.