»Weitergehen, Mädchen«, sagte der Wächter.
Ich war verzweifelt. Morgen sollte ich, Elinor Brinton, einen Sklavenkragen bekommen!
Ich sah mir nun auch das Innere des Lagers an. Ich betrachte die Zelte und die Lagerfeuer und die Männer, die sich unterhielten und die Mädchen, die ihrer Arbeit nachgingen.
An einer Stelle stieß ich auf eine grasbewachsene Erhebung. Hier befand sich ein schwerer Metallring im Gras. An einer anderen Stelle entdeckte ich eine waagerechte Stange, an der wohl Fleisch abgehangen wurde. Dicht daneben fand ich einen kleinen Eisenkasten, etwa einen Meter im Quadrat, der vorn von einer kleine Eisentür mit zwei Schlitzen abgeschlossen wurde. Diese Tür war mit zwei schweren Riegeln und einem Vorhängeschloß versehen. Ich fragte mich, was man in einem solchen Kasten aufbewahre mochte.
An einer anderen Stelle stieß ich auf einen langen, niedrige Schuppen aus schweren Balken. Das Gebäude war fensterlos. Seine schwere Plankentür hatte zwei Riegel und zwei Vorhängeschlösser. Vermutlich handelte es sich um einen Vorratsraum.
Dann näherte ich mich der Mitte des Lagers.
Hier entdeckte ich ein langes, flaches Zelt aus roter Leinwand mit acht Pfosten. Drinnen sah ich seidene Trennwände. Das Bauwerk war so niedrig, daß man nur zur Mitte hin aufrecht stehen konnte. In einem Behälter brannte ein kleines Kohlenfeuer, und über den Flammen ruhte eine metallene Weinflasche. Die Krieger aus Treve, so hatte ich erzählen hören, lieben warme Weine, Wahrscheinlich trank auch Rask aus Treve seinen Wein auf diese Art. Weiche Teppiche bedeckten den Boden, und an den Zeltpfosten hingen Tharlarionöllämpchen aus Messing. Ich fragte mich wie es sein mochte, in einem solchen Zelt den Wünschen seines Herrn unterworfen zu sein.
»Wessen Zelt ist das?« fragte ich ein vorbeigehendes Sklavenmädchen. »Sei doch kein Dummerchen, Kajira«, sagte sie. »Das ist Rasks Zelt.«
Ich hatte die Antwort natürlich gewußt.
Vor dem Zelt hockten zwei Wächter im Gras.
»Verschwinde«, sagte einer und stand auf.
Ich drehte mich um und eilte zum Zelt der Frauen zurück. Dort warf ich mich weinend auf einen weichen Teppich.
»Ich will keine Sklavin sein!« schluchzte ich.
Ena beugte sich über mich. »Es ist nicht leicht«, sagte sie. »Ich habe gehört, daß Rask aus Treve ein harter Herr sein soll«, schluchzte ich.
Sie lächelte und sagte: »Das ist richtig.«
»Es heißt auch, daß kein Mann auf Gor eine Frau so erniedrigen kann wie er.«
»Ich bin von ihm nicht erniedrigt worden«, sagte Ena. »Wenn er sich so etwas aber in den Kopf setzte, könnte ich mir vorstellen, daß er das recht gut fertigbrächte.«
Ich musterte sie angstvoll. »Es heißt, er gebraucht jede Frau nur einmal und anschließend verkauft er sie.«
»Ich bin viele Male mit ihm zusammengewesen«, sagte Ena. »Rask aus Treve ist kein Wahnsinniger.« Sie lächelte. »Als Rask mich gefangennahm, war ich frei. Und in seinen Armen wurde ich zur Sklavin. In den Armen eines Mannes wie er wird sich jede Frau wie eine Sklavin fühlen.«
»Ich aber nicht!« rief ich.
Sie lächelte nur.
Ich wollte mehr über den Mann wissen, der mich gefangen hatte, der mich hilflos in seinen Sattel gezogen hatte und der mir morgen seinen Kragen umlegen wollte.
»Man erzählt, daß es Rask aus Treve sehr auf Frauen abgesehen hat, und sie verachtet.«
»Er mag uns«, lächelte Ena, »das stimmt.«
»Aber er verachtet uns auch!« rief ich.
»Rask aus Treve ist ein Krieger«, sagte sie. »Für solche Männer steht eine Frau nicht auf gleicher Stufe.«
»Das werde ich nicht dulden!« rief ich.
»Hitzköpfige kleine Kajira«, sagte Ena lachend.
Ich war wütend und frustriert. Ich wollte nicht nur ein Sex-Objekt sein! »Ich hasse die Männer!«
Ena musterte mich zweifelnd. »Ich frage mich, ob Rask aus Treve seine Freude an dir haben wird. Dabei ist er ein Mann, dem jede Frau zu Gefallen sein will. Du wirst das auch noch merken. Ob es dir gelingt, weiß ich nicht. Rask aus Treve ist ein erfahrener Liebhaber. Er kennt viele Frauen.«
»Wenn ich es wollte, könnte ich ihm bestimmt gefallen.« »Vielleicht«, sagte Ena. »Du bist ein sehr trotziges Mädchen. Aber nun mußt du ruhen. Morgen ist ein anstrengender Tag.«
Ich kniete auf dem roten Teppich im Zelt der Frauen. Die Mädchen hatten mich gewaschen und kämmten mich jetzt. In lange Strichen fuhr der breite Hornkamm durch mein Haar.
»Bist du nicht aufgeregt?« fragte das Mädchen, das den Kamm führte. Ich brachte kein Wort heraus.
»Kennst du deine Rolle bei der Feier?« fragte Ena nicht zum erstenmal. Ich nickte wortlos. Ich hatte Angst.
Ich roch das Parfüm, mit dem man mich betupft hatte. Es duftete herrlich. So etwas hätte ich auf der Erde niemals kaufen können. Eine Viertel-Ahn verging, ohne daß etwas passierte.
»Vielleicht hat er heute keine Zeit«, sagte eines der Mädchen. Eine Sklavin, die am Zelteingang Ausschau gehalten hatte fuhr plötzlich auf. »Macht sie fertig!« rief sie.
»Steh auf«, befahl Ena.
Die Mädchen brachten ein langes Kleid aus schimmernder Seide. Hinter mir drehte eine Sklavin mein Haar zu einem lange Zopf zusammen und steckte ihn mit einer Nadel fest. Der Umhang wurde mir über die Schulter gelegt.
»Du bist sehr hübsch«, sagte Ena leise.
Ich starrte sie entsetzt an, doch im nächsten Augenblick zog mir jemand die Kapuze des Seidengewands über den Kopf.
»Sie sind fertig«, sagte das Mädchen am Eingang.
»Führt sie hinaus«, befahl Ena.
Ich wurde durch das Lager geleitet, und da und dort schlossen sich Männer und Sklavinnen dem kleinen Zug an. Ich erreichte die Lichtung vor Rasks Zelt. Er wartete bereits. Ich wurde vor ihn hingeführt und sah ihn furchtsam an.
An seinem Gürtel steckte eine Sklavenfessel; sie bestand aus flachem, biegsamem Leder, wie Tarnkämpfer sie benutzen, um Gefangene zu sichern.
Rask und ich sahen uns an, dann trat er vor mich hin. Mit einer Hand schob er meine Kapuze zurück. Ich blickte ihn starr an.
»Unterwirf dich«, sagte er.
Und ich konnte ihm nicht widersprechen.
Ich fiel vor ihm auf die Knie, wobei ich mich auf die Hacke setzte, und streckte ihm mit überkreuz gehaltenen Handgelenke die Arme entgegen — die klassische Geste der Unterwerfung auf Gor. »Ich, Miß Elinor Brinton aus New York, unterwerfe mich dem Krieger Rask aus der Hohen Stadt Treve.«
Kaum hatte ich die Worte gesprochen, als meine Handgelenke zusammengebunden wurden. Als ich aufblickte, nahm er einem Krieger einen Gegenstand ab. Es war ein geöffneter Sklavenkragen. Er hielt mir das Gebilde hin.
»Lies mir den Text vor«, sagte Rask.
»Ich kann nicht lesen«, flüsterte ich.
»Sie kennt unsere Schrift noch nicht«, sagte Ena.
»Unwissende Barbarin!« hörte ich ein Mädchen lachen.
Ich war beschämt und betrachtete die winzigen eingravierten Buchstaben, die ich nicht zu lesen vermochte.
»Lies es ihr vor«, wandte sich Rask an Ena.
»Hier steht«, sagte Ena, »>Ich bin Eigentum von Rask aus Treve.‹« Ich schwieg.
»Verstehst du das?« fragte Ena.
»Ja«, sagte ich. »Ja!«
Mit beiden Händen streckte er jetzt den Kragen vor, hielt ihn mir um den Hals. Ich schaute zu ihm auf. Sein Blick war spöttisch, leicht amüsiert, in meinen Augen stand die nackte Angst. Im nächsten Augenblick schnappte der Kragen mit lautem Klicken zu, und die Mädchen und Männer ringsum stimmten ein Freudengeschrei an. Sie schlugen sich mit der rechten Hand gegen die linke Schulter.
Ich öffnete die Augen, ohne den Kopf zu heben. Im Schmutz vor mir sah ich Rasks Sandalen.
Er richtete mich auf, eine Hand um meine Arme gelegt. Jetzt trug ich seinen Kragen. Behutsam legte mir Rask die Hände um den Kopf, neigte ihn hoch — unwillkürlich öffnete ich meine Lippen, als wollte ich seinen Kuß empfangen. Doch er beugte sich nicht vor. Vielmehr hielt er mich von sich ab.
»Steckt sie in eine Arbeitstunika und schickt sie in den Schuppen.«