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Ich hatte Angst.

Ich schrie auf, als ich hundert Meter hinter mir eine Masse zerbeulten Metalls entdeckte, ein verbogenes Gebilde aus schwarzem Stahl, halb im Gras vergraben.

Es war das Schiff.

Ich bemerkte, daß ich den Fußreif nicht mehr trug. Jemand hatte ihn mir abgenommen. Dagegen hatte ich noch die Kleidung an, in der man mich gefangengenommen hatte, die braune Hose, die kurze schwarze Bluse. Am liebsten wäre ich vor dem Schiff geflohen, aber es wirkte so tot, so verlassen. Außerdem hatte ich großen Hunger.

Ich kroch auf den Bach zu, legte mich auf den Bauch und schaufelte mir Wasser in den Mund. Was ich für eine Unterwasserblume gehalten hatte, zuckte plötzlich auseinander und wurde zu einer Gruppe kleiner gelber Fische.

Ich schrak zusammen.

Vielleicht gab es an Bord des Schiffs etwas zu essen.

Vorsichtig näherte ich mich dem Gebilde. In zwanzig Meter Abstand umkreiste ich das Wrack. Die Schiffshülle war an mehreren Stellen aufgerissen, angeschwärzt und zum Teil geschmolzen. Keine Spur von Leben war in dem Wrack zu bemerken.

Nun näherte ich mich dem Schiff. Durch einen der großen Risse schaute ich hinein. Da und dort war Stahl geschmolzen und wieder erkaltet. Das Innere des Schiffs war ausgebrannt. Die Rohrleitungen waren an mehreren Stellen geborsten. Die Wände wiesen Risse auf und enthüllten allerlei verkohlte Schaltkreise.

Barfuß, den Atem anhaltend, betrat ich das Schiff.

Niemand schien an Bord zu sein.

Das Gebilde war kompakt angelegt, mit nur geringem Platz zwischen Leitungen, Instrumenten und sonstigen Anlagen. Die ohnehin schmalen Gänge waren da und dort versperrt, doch ich schlängelte mich durch. So stieß ich auf eine Art Kontrollraum mit zwei Pilotensesseln und einem großen Panoramafenster. In diesem Raum gab es vier weitere Sitze an den Seiten, vor zahlreichen Anzeigetafeln und Kontrollkonsolen. Ein Maschinenraum war nicht zu finden. Die Antriebsquelle lag vielleicht unter dem Fußboden.

Ich entdeckte schließlich auch die Plastikzylinder, in denen die Mädchen gesteckt hatten, die Zylinder waren offen und leer.

Hinter mir erklang ein Geräusch, und ich stieß einen Schrei aus. Ein kleines Pelztier huschte an mir vorbei; seine Krallen kratzten über den Stahl.

Wo mochten all die Menschen stecken? Offenbar hatte es einen Absturz gegeben. Aber keine Leichen. Doch wenn es Überlebende gab, wohin waren sie verschwunden? Kamen sie bald zurück?

Ich wandte mich wieder dem Hauptteil des Schiffs zu und betrachtete noch einmal die breiten Risse, die nicht nur von der Absturzkatastrophe stammen konnten. Ich entdeckte insgesamt vier. Die eine Öffnung, ziemlich weit unten, maß etwa anderthalb Meter im Quadrat. Zwei weitere Risse, links davon, waren kleiner. Der Riß, durch den ich in das Fahrzeug eingedrungen war, schien der größte zu sein. Natürlich gab es zahlreiche andere Schadenstellen im und am Schiff, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß das Schiff vielleicht angegriffen worden war.

Erschreckt eilte ich durch die Gänge, auf der Suche nach Nahrung oder Waffen. Ich fand schließlich die Mannschaftsquartiere, ebenfalls leer. Die Spinde waren aufgebrochen und ausgeräumt worden. Auf einer Koje schimmerte frisches Blut.

Ich zog mich hastig zurück. In der winzigen Kombüse stieß ich schließlich auf etwas Eßbares, das ich bis auf den letzten Bissen verschlang. Aber es reichte kaum, meinen Heißhunger zu stillen, ich kratzte den Behälter aus, leckte mir sogar die Finger ab und war schließlich doch etwas gestärkt.

Niedergeschlagen sah ich mich um. Auf meiner Nahrungssuche hatte ich verschiedene Gebrauchsgegenstände gefunden, aber kein Messer und keine Waffen.

Da fiel mir ein, daß ich vielleicht schon viel zu lange beim Schiff geblieben war. Wenn es Überlebende gegeben hatte, mochten sie zurückkehren. Ich bekam Angst. Über meinem Hunger hatte ich alles andere vergessen.

Ich öffnete die Kombüsentür.

Ein Vogel zwitscherte. Er war klein, etwa so groß wie ein Spatz, wirkte aber eher wie eine winzige Eule, mit Federbüschen über den Augen. Er hockte auf einem gebrochenen Rohr. Das Tier starrte mich einen Augenblick lang an und schwirrte dann aus dem Schiff.

Ich folgte ihm so schnell ich konnte.

Draußen schien alles ruhig zu sein. Ich blieb stehen. Hinter dem Schiff begann in einiger Entfernung der dunkle Wald. Nach rechts erstreckten sich Felder. Und weiter links erhob sich das gelbe Dickicht, das ich schon bemerkt hatte. Die Schatten waren länger geworden. Ich nahm an, es müsse auf dieser Welt nun Nachmittag sein. Es war nicht kalt. Vielleicht herrschte gerade Frühling, wenn es hier so etwas gab. Als ich mich draußen etwas eingehender umsah, stieß ich auf zertrampeltes Gras, als seien hier schwere Gegenstände abgestellt worden. An einer Stelle fand ich einige Frauenlocken, an einer anderen Stelle rötlichbraune Flecken im Gras.

Ich mußte fort!

Ich wandte mich dem Wald zu, doch seine Düsternis erschreckte mich. Außerdem tönte in diesem Augenblick von dort das Röhren eines großen Tiers herüber.

Also wandte ich mich vom Wald ab und begann über freies Gelände zu laufen, durch das Gras, blindlings eine Richtung wählend. Ich war noch nicht weit gekommen, als ich am Himmel eine winzige Scheibe aufblitzen sah. Sofort warf ich mich ins Gras.

Als nach einer Weile nichts geschehen war, hob ich den Kopf. Die silberne Scheibe war neben dem schwarzen Schiffswrack niedergegangen. Luken öffneten sich, Männer stiegen aus, die seltsame Röhren, vielleicht Waffen, trugen. Sie waren ebenfalls in Tuniken gekleidet, doch aus einem purpurnen Material. Ihr Köpfe waren kahlgeschoren. Einige Männer verteilten sich um das Schiff, andere drangen in das Wrack ein.

Im nächsten Augenblick stieg zu meinem Entsetzen ein großes bizarr aussehendes Wesen aus dem Schiff — es war golden und hatte sechs Beine, von denen es die vier langen Hinterbeine zur Fortbewegung benutzte. Es hatte große Augen und, wie ich mir einbildete, auch Antennen. Es bewegte sich schnell und anmutig auf das Schiff zu, beugte sich hinein und verschwand darin. Einige Männer folgten ihm. Nach kaum einer Minute kamen das Wesen und die Männer wieder zum Vorschein und kehrten in das silbrige Schiff zurück. Die Luken glitten zu, und im nächsten Moment stieg das Gebilde auf, lautlos, bis es dreißig Meter über dem Gras und über dem schwarzen Wrack schwebte. Da zuckte plötzlich ein blaues Licht auf, gefolgt von einer unerträglichen Hitzewelle. Ich senkte den Kopf. Als ich wieder aufblickte, war das Silberschiff verschwunden und das unansehnliche Wrack ebenfalls. Die Vertiefung, in der es gelegen hatte, und ein gewisser Umkreis waren verkohlt, doch das eigentliche Schiff war spurlos verschwunden. Ich machte kehrt und ergriff die Flucht.

Als ich den Bach erreichte, aus dem ich vorher getrunken hatte, watete ich hinein. Das Wasser ging mir bis zu den Hüften. Etwas berührte meine Wade. Ich schrie auf, stürzte ans andere Ufer und lief wieder los. Stundenlang bewegte ich mich so über Land.

Einmal legte ich eine Pause ein. Im Gras liegend hörte ich j plötzlich ein Rascheln. Ich wandte den Kopf und riß entsetzt die Augen auf. Das Wesen sah wie eine Schlange aus — ein augenloser, gespaltener, hülsenähnlicher Kopf bewegte sich in meine Richtung, wobei er sich etwas vom Boden anhob. Kreischend sprang ich auf. Im gleichen Augenblick zuckte das Ding vor, versuchte sich in meine Wade zu verbeißen. Wieder griff es an, wie durch meinen Geruch oder meine Körperwärme angezogen, doch es war im Boden verwurzelt und konnte mich nicht mehr erreichen. Verzweifelt sah ich mich um, entdeckte weitere dieser Pflanzen und eilte entsetzt davon, bis ich mich wieder im offenen grasbewachsenen Gelände befand.

Und ich marschierte weiter.

Schließlich wurde es kühler. Die Dämmerung brach herein. Ich konnte nicht weiter und ließ mich ins Gras fallen.

Es war eine dunkle, schöne, windige Nacht. Weiße Wolken segelten über den Himmel. Ich betrachtete die Sterne, die mir nie zuvor so strahlend vorgekommen waren. »Wie schön diese Welt Ist«, sagte ich leise. Ich lag auf dem Rücken und blickte zu den Sternen und den Monden empor.