Ich war ihnen nun mal in die Hände gefallen und mußte das Beste aus der Situation machen, Mit meinem Vermögen konnte mir die Passage zur Erde jederzeit leisten, und ich würde Mittel und Wege finden, mich mit Personen in Verbindung zu setzen, die mir die Rückkehr ermöglichen konnten.
Da fiel mein Blick auf den Wagen. Er war ziemlich groß, an mehreren Stellen angesengt und zersplittert, die Plane zerfetzt, die Farbe abgeblättert oder weggekratzt.
Dies, zusammen mit Targos lädierter Erscheinung und der Besorgnis der Männer, daß ich noch Begleiter haben könnte, brachte mich endlich auf die Wahrheit: Targo war auf der Flucht. Er war angegriffen worden. Auf dem Wagen entdeckte ich Gegenstände — einige Truhen und Kästen. Ich betrachtete auch die Mädchen vor dem Fahrzeug — es waren insgesamt neunzehn.
Unwillkürlich riß ich die Augen auf, als ich bemerkte, wie schön sie waren. Ich selbst hielt mich für ausgesprochen attraktiv und hatte auf der Erde selten eine Konkurrentin gefunden, die es in diesem Punkt mit mir aufnehmen konnte. In dieser kleinen Gruppe jedoch waren mindestens zehn Mädchen hübscher als ich. das versetzte meinem Selbstbewußtsein doch einen Schlag. Ich erholte mich etwas bei dem Gedanken, daß ich hinsichtlich meines Reichtums und meiner Bildung diesen Geschöpfen bestimmt überlegen war. Dabei sahen mich diese Frauen durchaus neugierig an. Ich würde mich gegen sie durchsetzen müssen. Wichtig war vor allem, daß ich gerettet war.
Bestimmt fand ich in der nächsten Stadt jemanden, der Englisch verstand, der mir Kontakt zu Menschen verschaffen konnte, die mich zur Erde zurückbrachten.
Mir gefiel allerdings nicht, daß die beiden Männer noch immer meine Handgelenke gepackt hielten. Ich begann mich wütend zu wehren, kam jedoch nicht frei.
Targo hatte sich inzwischen wieder in eine Wut hineingesteigert, nachdem er geduldig versucht hatte, mit mir zu sprechen. Er war ein Narr! Keiner schien Englisch zu verstehen. Dabei mußte es auf dieser Welt Menschen geben, die unsere Sprache kannten. Ich hatte einen der Männer des schwarzen Schiffs mit dem großen Mann Englisch sprechen hören!
Ich war Targos überdrüssig.
»Ich verstehe dich nicht«, sagte ich zu ihm, wobei ich langsam und verächtlich sprach.
Dann wandte ich hochmütig den Kopf ab.
Er sagte etwas zu einem Untergebenen, und augenblicklich wurden mir die Kleider vom Leib gerissen.
Ich begann zu schreien. Die Mädchen an der Wagendeichsel lachten. »Kajira!« lachte eine und deutete auf meinen Schenkel. Ich wurde über und über rot.
»Kajira!« lachte auch Targo, und die anderen fielen in sein Gelächter ein. Tränen rannen dem dicken Mann über die Wangen bis er abrupt ernst wurde.
In scharfem Tonfall sagte er etwas zu den beiden Männern, die meine Handgelenke hielten. Sofort wurde ich nach vorn gezerrt bis ich mit dem Gesicht nach unten im Gras lag und mich kaum noch rühren konnte. »Lana!« rief Targo.
Ein Mann ging nach vorn. Ich konnte nicht sehen, was er dort tat, aber ich hörte das Lachen eines Mädchens. Gleich darauf hatte sie die Wagendeichsel verlassen und mußte irgendwo hinter mir stehen. Ich war immer ein umhätscheltes Kind gewesen, von Gouvernanten und Kinderschwestern großgezogen. Sie hatten mich ständig ausgeschimpft, mich aber nie geschlagen. In meinem ganzer Leben war ich noch nie gezüchtigt worden.
Und jetzt wurde ich ausgepeitscht.
Das Mädchen Lana beugte sich mit einer Geißel aus einer Handvoll harter Lederstreifen über mich und hieb mir damit über den Rücken. Ich schrie und schluchzte und versuchte mich aufzurichten, was mir natürlich nicht gelang. Die Züchtigung dauerte bestimmt nur einige Sekunden, höchstens eine Minute, aber mir kam sie wie eine Ewigkeit vor. Targo rief Lana etwas zu, und die Schläge hörten auf. Die beiden Männer zerrten mich hoch, so daß ich im Grase kniete. Ich mußte einen Schock erlitten haben, denn ich konnte plötzlich kaum noch etwas sehen. Ich hörte die Mädchen lachen und erbrach mich ins Gras. Die Männer zerrten mich zur Seite, bis ich wieder vor Targo kniete.
Ich sah, daß er nun meine Kleidung in einer Hand hielt, die ich kaum wiedererkannte. In der anderen Hand baumelten die Lederriemen, mit denen ich ausgepeitscht worden war. Lana wurde eben wieder zur Wagendeichsel geführt. Mein Rücken, meine Beine und Arme schienen in Flammen zu stehen. Die beiden Männer ließen mich los. »Kajira«, sagte Targo und hob die Lederriemen. Ich schauderte zusammen und neigte den Kopf. Die Mädchen lachten. Er durfte mich nicht wieder schlagen!
Targo gab ein kurzes Kommando und wandte sich ab. Die beiden Männer führten mich an die Spitze des Wagens. Auf einer Seite der Deichsel standen neun, auf der anderen Seite zehn Mädchen. Ich sah Lana, die mich geschlagen hatte, einige Reihen vor mir. Dabei fiel mir auf, daß sie tatsächlich in einer Art Geschirr stand. Mit Metallnägeln beschlagene Lederriemen lagen um ihre Handgelenke und fesselten sie an die Deichsel. Und um ihren Körper, vorn um die Brust und über eine Schulter, zog sich ein breiter Lederriemen, der an der Wagendeichsel befestigt war. Die anderen Mädchen waren ähnlich festgemacht, und ich wurde nun ebenso angeschürt; meine Hände wurden durch Schlaufen geführt, so daß ich meinen Platz nicht verlassen konnte, und über meine Schulter hob man ein schweres Lederband. Ich schluchzte. Ich konnte kaum noch stehen. Meine Beine zitterten. Der Mann begann das Geschirr anzupassen. Auf der anderen Seite der Wagendeichsel lächelte mich ein kleines dunkelhaariges Mädchen an. »Ute«, sagte sie und deutete auf sich. Dann richtete sich der Zeigefinger auf mich »La?« fragte sie.
Ich bemerkte, daß alle Mädchen am linken Bein das Zeichen trugen, das ich auf so rätselhafte Weise erhalten hatte.
»Ute«, wiederholte das kleine Mädchen und deutete auf sich. »La?« »Elinor«, flüsterte ich.
»El-in-or«, wiederholte sie lächelnd. Dann wandte sie sich an die anderen Mädchen und deutete auf mich. »El-in-or«, sagte sie lebhaft. Sie schien sich zu freuen.
Aus irgendeinem Grunde war ich sehr dankbar, daß sich da nette Mädchen über meinen Namen freute.
Die meisten anderen drehten sich betont desinteressiert um und sahen mich an. Lana, die mich geschlagen hatte, starrte unbeirrbar nach vorn. Ein anderes Mädchen, groß und blond, zwei Reihen vor mir stehend, lächelte und sagte: »Inge«, wobei sie auf sich deutete.
Ich lächelte.
Targo gab jetzt hastige Befehle. Er sah sich nervös um.
Einer seiner Männer rief uns etwas zu, und die Mädchen stemmten sich ins Geschirr. Zwei Männer halfen bei den Hinterrädern nach, und der Wagen setzte sich in Bewegung.
Ich lehnte mich in die Lederriemen und tat, als strenge ich mich an. Die Mädchen brauchten mich nicht. Sie hatten den Wagen auch ohne mich gezogen. Ich stemmte die Füße ins Gras, als gäbe ich mir größte Mühe, und stöhnte auch ein wenig, um meine Schau noch wirksamer zu gestalten.
Ute, die rechts von mir stand, warf mir einen finsteren Blick zu — das war mir egal, Ich schrie auf, als die Peitsche meinen Körper traf. Schluchzend stemmte ich mich mit voller Kraft ins Leder. Ute begann zu lachen. Nach einer Weile sah ich, wie auch Lana von der Peitsche getroffen wurde. Sie schrie vor Scham und Schmerz auf, und die anderen Mädchen lachten. Ich merkte, daß Lana nicht sehr beliebt war und freute mich, daß sie ebenfalls gezüchtigt worden war Warum sollten wir für sie mitziehen?
»Har-ta!« rief Targo. »Har-ta!«
Wir gaben uns Mühe, das Tempo des Wagens zu erhöhen. Von Zeit zu Zeit halfen die Männer an den Rädern nach. Da Gefährt rumpelte schwerfällig durchs Gras.
Targo schritt neben uns aus. Er hätte natürlich im Wagen fahren können, aber offenbar lag ihm mehr daran, daß wir schnell vorankamen. Was war nur aus Elinor Brinton geworden, daß sie sich jetzt hier inmitten von Barbaren abmühen mußte, die nicht einmal ihre Sprache sprachen! Ich warf einen Blick auf Ute, die mich unfreundlich musterte. Sie hatte nicht vergessen, daß ich mich vor der Arbeit hatte drücken wollen. Bisher hatte ich immer durchgesetzt, was ich wollte, doch hier schien mir diese Möglichkeit verbaut. Hier sorgte die Peitsche dafür, daß ich tat, was von mir verlangt wurde.
Schluchzend stemmte ich mich mit voller Kraft in den Lendengurt.