Выбрать главу

Smiley hob das Jackett auf, durchsuchte die Taschen, hing es dann wieder in den Schrank zurück und schlug die Tür zu, um zu sehen, ob es herunterfallen würde.

Was es tat.

Sie haben die Schlüssel nicht genommen, und sie haben seine Wohnung nicht durchsucht, dachte er. Sie haben Wladimir durchsucht, wurden jedoch, nach Meinung des Superintendent, dabei gestört.

Sagen Sie ihm, ich habe zwei Beweise und kann sie mitbringen. Er ging wieder ins Küchenrevier zurück, stellte sich vor das Schränkchen und betrachtete nochmals eingehend die blaue Pak­kung, die obenauf lag. Dann schaute er in den Papierkorb. Wie­derum nachdenklich auf den Aschenbecher. Dann in den Ab­falleimer, ob das fehlende Päckchen vielleicht zerknüllt darin lie­ge. Er fand nichts, und aus irgendeinem Grund freute er sich darüber.

Zeit zu gehen.

Aber er ging nicht, noch nicht. Eine weitere Viertelstunde grub und stocherte Smiley herum, wobei er mit einem Ohr auf ver­dächtige Geräusche lauschte. Er hob Dinge auf und stellte sie wieder zurück, immer noch auf der Suche nach dem losen Die­lenbrett oder der klassischen Nische hinter den Regalen. Aber diesmal wollte er nichts finden. Diesmal wollte er nur ein Nicht­vorhandensein feststellen. Erst als er sich soweit überzeugt hatte, wie die Umstände dies zuließen, trat er endlich leise auf den Treppenabsatz hinaus und versperrte hinter sich die Tür. Auf dem Podest der nächsten Etage begegnete er einem Aushilfs­briefträger mit Armbinde, der aus einem anderen Korridor auf­getaucht war. Smiley tippte ihn am Ellbogen an.

»Wenn Sie irgendetwas für Wohnung 6 B haben, dann kann ich Ihnen den Aufstieg ersparen«, sagte er bescheiden.

Der Briefträger kramte in seiner Tasche und brachte einen brau­nen Umschlag zum Vorschein. Abgestempelt in Paris vor fünf Tagen, im fünfzehnten Arrondissement. Smiley steckte ihn ein. Noch ein Stockwerk weiter unten würde eine Tür zur Feuer­treppe führen, die mit einem Riegel gesichert und nur von innen zu öffnen war. Smiley hatte sich das beim Hinaufsteigen im Geist notiert. Er drückte, die Tür gab nach, er klomm eine ekelhafte Betontreppe hinab und ging durch einen Innenhof auf eine men­schenleere Hintergasse hinaus, wobei er noch immer über die Unterlassung nachgrübelte. Warum hatten sie seine Wohnung nicht durchsucht? Die Moskauer Zentrale hatte, wie jeder andere bürokratische Apparat, feste Prozeduren. Man beschließt, einen Mann zu töten. Also stellt man Posten vor seinem Haus sowie auf seinem Weg auf und setzt dann das Mörderteam an, tötet ihn. Die klassische Methode. Warum also nicht auch seine Wohnung durchsuchen? - Wladimir, ein Junggeselle, der in einem Haus wohnte, wo dauernd Fremde aus- und eingingen? Warum nicht die Posten heraufschicken, sobald er sich auf den Weg gemacht hatte? Weil sie wußten, daß er es bei sich hatte, dachte Smiley. Und die Durchsuchung des Toten, die der Superintendent als flüchtig bezeichnet hatte? Angenommen, sie waren nicht gestört worden, sondern hatten bereits gefunden, was sie suchten?

Er rief ein Taxi und sagte zum Fahrer: »Bywater Street in Chel­sea bitte, an der King's Road.«

Nach Hause, dachte er. Ein Bad nehmen, die Sache durchden­ken. Rasieren. Sagen Sie ihm, ich habe zwei Beweise und kann sie mitbringen.

Plötzlich beugte er sich vor, klopfte an die Trennscheibe und nannte ein neues Ziel. Als sie wendeten, hielt der Motorradfah­rer kreischend hinter ihnen an, stieg ab und schob seine mächtige schwarze Maschine samt Beiwagen gemessen auf die Gegenspur. Ein Herrschaftsdiener, dachte Smiley, der ihm zusah. Ein Herr­schaftsdiener, der den Teewagen hereinrollt. Mit durchgedrück­tem Kreuz und ausgestellten Ellbogen folgte er ihnen wie eine of­fizielle Eskorte durch die Außenviertel von Camden, dann, im­mer noch in vorschriftsmäßigem Abstand, langsam hügelan. Das Taxi hielt, Smiley beugte sich vor, um den Fahrpreis zu entrich­ten. In diesem Augenblick zog die dunkle Gestalt feierlich an ih­nen vorbei, die ledergepanzerte Faust salutierend aus dem Ellbo­gen hochgewinkelt.

8

Er stand an der Mündung der Allee und spähte in den Tunnel aus Birkenbäumen, die wie eine Armee auf dem Rückzug immer mehr im Dunst versanken. Die Dunkelheit war widerstrebend einem Stubendämmer gewichen. Es hätte schon auf den Abend zugehen können: Teestunde in einem alten Landhaus. Die Stra­ßenlampen rechts und links von ihm waren trübe Funzeln, die nichts erhellten. Die Luft war warm und schwer. Er hatte erwar­tet, noch Polizisten zu sehen und eine abgesperrte Fläche. Er hatte Journalisten und neugierige Gaffer erwartet. Es ist über­haupt nie passiert, sagte er sich, als er langsam den Hang hinun­terging. Ich habe den Schauplatz kaum verlassen, da hat sich Wladimir, mit dem Stock in der Hand, vergnügt aufgerappelt, sein grauenhaftes Make-up weggewischt und ist mit dem übrigen Ensemble auf ein Bierchen zum Polizeirevier geflitzt.

Stock in der Hand, wiederholte er für sich, und dachte dabei an etwas, das der Superintendent zu ihm gesagt hatte. Linke Hand oder rechte Hand? »Kreidespur an der linken Hand«, hatte Mr. Murgotroyd im Kastenwagen gesagt. »Daumen, Zeige- und Mittelfinger.«

Während er weiterging, wurde die Allee immer dunkler und der Dunst dichter. Seine Schritte warfen ein blechernes Echo voraus. Zwanzig Yards höher brannte braunes Sonnenlicht wie ein schwelendes Freudenfeuer. Doch hier unten in der Senke hatte der Dunst sich zu einem kalten Nebel verdichtet, und Wladimir war tot, ein für allemal. Er sah Reifenspuren, wo die Polizeifahr­zeuge geparkt hatten, bemerkte das Fehlen von Laub und die unnatürliche Sauberkeit des Kieswegs. Was tun sie nur? fragte er sich. Den Weg mit einem Schlauch abspritzen? Das Laub in ein paar von ihren Plastikkopfkissen kehren?

Seine Müdigkeit war einer neuen geheimnisvollen Klarheit gewi­chen. Er schritt weiter die Allee entlang, wünschte Wladimir gu­ten Morgen und gute Nacht und kam sich dabei nicht lächerlich vor, dachte intensiv nach über Reißzwecken und Kreide und französische Zigaretten und Moskauer Regeln, hielt Ausschau nach einer Blechhütte an einem Spielfeld. Der Reihe nach vorge­hen, ermahnte er sich. Mit dem Anfang beginnen. Laß die Gau­loises auf ihrem Regal. Er kam zu einer Wegkreuzung, über­querte sie, ging weiter hügelan. Zu seiner Rechten erschienen Torpfosten und dahinter eine grüne, angerostete und anschei­nend leere Wellblechhütte. Er stapfte über das Spielfeld, wobei Regenwasser seine Schuhe durchnäßte. Hinter der Hütte lief eine steile Schlammböschung entlang, auf der die Kinder glatte Schlitterbahnen gezogen hatten. Er kletterte die Böschung hin­auf, drang in ein Dickicht und kletterte weiter. Der Nebel war noch nicht zwischen die Bäume gedrungen, und als Smiley auf dem Hügelrücken ankam, war die Luft klar. Es war noch immer niemand in Sicht. Er kehrte um und näherte sich durch die Bäume der Hütte. Es war ein Blechschuppen, weiter nichts, an der Spielfeldseite offen. Das einzige Möbel war eine roh gezim­merte Bank voller Kerben und messergeschnitzter Inschriften, der einzige Anwesende eine Gestalt, die bäuchlings auf der Bank lag, unter einer Decke, die den Kopf verhüllte und nur die brau­nen Stiefel freiließ. Eine Schrecksekunde lang fragte sich Smiley, ob man wohl dem Liegenden auch das Gesicht weggeschossen habe. Balken stützten das Dach, ernste moralische Appelle be­lebten den abblätternden grünen Anstrich. »Punks sind zerset­zend. Die Gesellschaft braucht sie nicht.« Diese Behauptung rief in ihm einen Augenblick der Unentschlossenheit hervor. »Oh, die Gesellschaft braucht sie sehr wohl«, hätte er gern erwidert; »die Gesellschaft ist eine Ansammlung von Minderheiten.« Die Reißzwecke befand sich dort, wo Mostyn gesagt hatte, daß sie sein würde, genau in Kopfhöhe, ordnungsgemäß nach bester Sarratt-Tradition, ihr ärarischer Messingkopf war so neu und unbefleckt, wie der Knabe, der sie angebracht hatte.