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»Hat Ihre Gattin Sie auf dieser Reise begleitet?«

Grigoriew stieß eine hohle Lache aus. »Jetzt hält er uns für Kapi­talisten!« belehrte er Toby. »Er glaubt, wir lassen unsere Ehe­frauen wegen einer Konferenz von zwei Wochen in der Welt herumfliegen, erster Klasse, Swissair.«

»>Im September dieses Jahres erhielt ich Anweisung, allein nach Moskau zu fliegen, um dort an einer zwei Wochen dauernden Wirtschaftskonferenz teilzunehmen«, faßte Smiley zusammen, als verlese er Grigoriews Aussage. »>Meine Frau blieb in Bern<. Bitte beschreiben Sie den Zweck der Konferenz.«

»Der Gegenstand unserer auf höchster Ebene geführten Bespre­chung war streng geheim«, erwiderte Grigoriew resigniert. »Mein Ministerium wollte Möglichkeiten erwägen, wie der offi­ziellen sowjetischen Haltung gegenüber solchen Nationen, die Waffen an China liefern, mehr Nachdruck verliehen werden könnte. Wir sollten darüber beraten, mit welchen Sanktionen die Schuldigen zu belegen seien.«

Smileys Ausdruckslosigkeit, das Verhalten des Bürokraten, der, wenn auch bedauernd, nur seine Pflicht tut, war jetzt nicht mehr lediglich angedeutet, sagt Toby, es war perfekt: Grigoriew hatte es in Bausch und Bogen akzeptiert, mit philosophischem und sehr russischem Pessimismus. Die übrigen Anwesenden konn­ten später kaum glauben, daß der Botschaftsrat nicht bereits in redseliger Stimmung die Wohnung betreten hatte.

»Wo fand die Konferenz statt?« fragte Smiley, als interessierten Geheimsachen ihn weit weniger als formale Einzelheiten.

»Im Wirtschaftsministerium. Vierte Etage ... im Konferenz­zimmer. Gegenüber den Toiletten«, parierte Grigoriew mit mißglücktem Sarkasmus.

»Wo wohnten Sie?«

In einem Gästehaus für höhere Beamte, erwiderte Grigoriew. Er nannte die Anschrift und fügte sogar ironisch seine Zimmer­nummer hinzu. Manchmal endeten unsere Besprechungen erst spät nachts, sagte er - jetzt gab er sogar Auskünfte, die gar nicht verlangt worden waren; doch am Freitag herrschte noch immer sehr heißes Sommerwetter, und daher wurde die Sitzung früher aufgehoben, damit die Teilnehmer, wenn sie dies wünschten, aufs Land fahren könnten. Grigoriew hatte keine derartigen Plä­ne. Grigoriew sagte, er habe über das Wochenende in Moskau bleiben wollen. Aus gutem Grund: »Ich hatte verabredet, zwei Tage in der Wohnung einer jungen Frau namens Eudokia zu ver­bringen, meiner früheren Sekretärin. Ihr Mann war auswärts beim Militär«, erklärte er, als handelte es sich hier um ein ganz gängiges Arrangement zwischen Männern von Welt; ein Arran­gement, das zumindest Toby, als verwandte Seele, gebilligt hät­te, auch wenn seelenlose Kommissare dafür kein Verständnis aufbrachten. Dann ging es, zu Tobys Erstaunen, straks weiter. Von seinem Techtelmechtel mit Eudokia kam Grigoriew uner­wartet und unmittelbar zum Kern aller Fragen:

»Leider scheiterte meine Wahrnehmung des getroffenen Über­einkommens am Dazwischentreten von Mitgliedern des Drei­zehnten Direktoriums, bekannt auch als Karla-Direktorium. Ich erhielt Anweisung, mich unverzüglich zu einer Besprechung einzustellen.«

In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Toby nahm den An­ruf entgegen, legte auf und sprach zu Smiley.

»Sie ist wieder zu Hause eingetroffen«, sagte er, immer noch auf Deutsch.

Ohne Umschweife wandte Smiley sich direkt an Grigoriew: »Herr Botschaftsrat, man meldet uns, Ihre Gattin sei jetzt wie­der zu Hause. Es läßt sich daher nicht umgehen, daß Sie unver­züglich dort anrufen.«

»Dort anrufen?« Grigoriew fuhr entsetzt zu Toby herum. »Er sagt mir, dort anrufen! Was sage ich ihr? >Grigoriewa, hier spricht liebender Gatte! Bin von West-Spionen entführt!< Ihr Kommissar ist verrückt! Verrückt!«

»Sagen Sie ihr bitte, daß Sie gegen Ihren Willen aufgehalten wur­den«, sagte Smiley.

Seine Friedfertigkeit schürte noch Grigoriews lodernde Entrü­stung: »Ich sage das zu meiner Frau? Zu Grigoriewa? Bilden Sie sich ein, Sie wird mir glauben? Sie wird mich sofort bei meinem Botschafter anzeigen. >Herr Botschafter, mein Mann ist wegge­laufen! Holen Sie ihn zurück!<«

»Der Kurier Krassky überbringt Ihnen allwöchentlich Befehle aus Moskau, nicht wahr?« fragte Smiley.

»Der Kommissar weiß alles«, sagte Grigoriew zu Toby und fuhr sich mit der Hand übers Kinn. »Wenn er alles weiß, warum spricht er dann nicht selber mit Grigoriewa?«

»Sie werden am Telefon einen dienstlichen Ton anschlagen, Herr Botschafter«, riet Smiley. »Erwähnen Sie Krassky nicht nament­lich, aber lassen Sie durchblicken, daß Sie Anweisung erhielten, ihn zu einem konspirativen Gespräch irgendwo in der Stadt zu treffen. Dringender Fall. Krassky hat seine Pläne geändert. Sie haben keine Ahnung, wann Sie nach Hause kommen oder was er will. Wenn sie protestiert, machen Sie kurzen Prozeß. Sagen Sie ihr, es sei ein Staatsgeheimnis.«

Sie sahen, wie er erschrak, sie sahen, wie er nachdachte. Und dann sahen sie, wie sich ein leises Lächeln in seine Züge stahl. »Ein Geheimnis«, wiederholte Grigoriew leise. »Ein Staatsge­heimnis. Ja.«

Kühnen Schritts begab er sich zum Telefon und wählte eine Nummer. Toby stand dicht neben ihm und hielt eine Hand dis­kret in der Schwebe, um sie auf die Gabel zu schmettern, falls Grigoriew irgendeinen Trick versuchen sollte, doch Smiley wies ihn mit einem kleinen Kopfnicken auf seinen Platz zurück. Sie hörten Grigoriewas Stimme »Ja?« sagen, auf Deutsch. Sie hörten Grigoriews kühne Erwiderung, danach wieder seine Gattin - es ist alles auf Band -, die energisch zu wissen begehrte, wo er jetzt sei. Sie sahen, wie er sich straffte und das Kinn reckte und eine dienstliche Miene aufsetzte; sie hörten ihn ein paar knappe Sätze bellen und eine Frage stellen, auf die offenbar keine Antwort er­folgte. Sie sahen, wie er den Hörer wieder auflegte, blankäugig und rosig vor Vergnügen und die kurzen Arme entzückt in die Luft warf, wie jemand, der ein Tor geschossen hat. Und dann brach es aus ihm hervor, ein dröhnendes anhaltendes Lachen, pralle Schwaden slavischen Lachens, die Tonleiter hinauf und hinunter. Spontan fielen die anderen in dieses Lachen mit ein -Skordeno, de Silsky und Toby. Grigoriew schüttelte Toby die Hand.

»Heute freut Konspiration mich ungemein!« schrie Grigoriew zwischen weiteren Anfällen brausenden Lachens. »Konspiration ist heute sehr gut!«

Smiley schloß sich der allgemeinen Feststimmung nicht an, doch obwohl er sich die Rolle des Spielverderbers auferlegt hatte, saß er da und blätterte geduldig in seinem Notizbuch, bis der Spaß sich ausgetobt hatte.

»Sie schilderten zuletzt, wie Sie von Mitgliedern des Dreizehn­ten Direktoriums aufgesucht wurden«, sagte Smiley, als wieder Ruhe eingekehrt war. »Auch bekannt als das Karla-Direkto­rium. Bitte fortzufahren.«

25

Fühlte Grigoriew die neue Hochspannung im Raum - das Er­starren jeglicher Bewegung? Fiel ihm auf, wie Skordenos und de Silskys Blicke Smileys ausdrucksloses Gesicht suchten und daran haften blieben? Wie Millie McCraig lautlos in die Küche ver­schwand, um nochmals ihre Bandgeräte zu kontrollieren, für den Fall, daß die Hand einer mißgünstigen Gottheit den Haupt­apparat und die Reservegarnitur gleichzeitig außer Betrieb ge­setzt hätte? Fiel ihm Smileys jetzt fast orientalische Apathie auf-das genaue Gegenteil von Interessiertheit -, die Art, wie seine ganze Person sich in den Faltenwurf des braunen Reisemantels zurückzog, während er geduldig Daumen und Zeigefinger netzte und eine neue Seite aufschlug?

Toby jedenfalls entging dies alles nicht - Toby hatte in seiner dunklen Ecke neben dem Telefon einen Logenplatz, von dem aus er jeden beobachten und selber so gut wie unbeobachtet blei­ben konnte. Wäre eine Fliege über den Fußboden gekrochen, Tobys wachsame Augen hätten ihre Odyssee vom Start bis zum Ziel registriert. Toby beschreibt sogar seine eigenen Symptome -ein heißes Gefühl rings um das Halsbündchen, sagt er, ein Krampf in der Kehle und im Magen -, Toby ertrug solches Un­gemach nicht nur, er behielt es auch treulich im Gedächtnis. Ob Grigoriew auf die veränderte Atmosphäre ansprach, ist eine an­dere Frage. Höchstwahrscheinlich war er zu sehr von seiner zen­tralen Rolle durchdrungen. Der Triumph des Telefongesprächs hatte ihn stimuliert und sein Selbstvertrauen neu belebt, und es war bezeichnend, daß die ersten Worte, die er nun wieder an sein gebannt lauschendes Publikum richtete, nicht dem Karla-Direk­torium galten, sondern seiner eigenen Bravour als Liebhaber von Klein-Natascha. »In unserem Alter braucht man so ein Mädel«, erklärte er Toby augenzwinkernd, »es macht uns wieder zu den jungen Männern, die wir einmal waren!«