Выбрать главу

Dann bat Smiley, getreu seinem pedantischen Gehabe, Grigo­riew möge vormachen, was er meine mit »die Hände aneinan­derhalten«, während er rauchte. Und er beobachtete gleichmü­tig, wie Grigoriew einen braunen hölzernen Bleistift aus der Ta­sche nahm und seine beiden plumpen Hände vor dem Gesicht darüber schloß, den Bleistift in beiden Händen hielt und paro­dierend daran sog, wie jemand, der beidhändig aus einem Becher trinkt.

»So!« erklärte er, und unversehends schlug seine Stimme aber­mals um, und er rief laut lachend Toby etwas auf Russisch zu, was Toby zu diesem Zeitpunkt nicht übersetzungswürdig fand und was auch in der Tonbandumschrift nur als »obszön« wie­dergegeben wird.

Der Priester befahl Grigoriew Platz zu nehmen und beschrieb zehn Minuten lang die intimsten Details von Grigoriews Liebes­verhältnis mit Eudokia, desgleichen seiner Affairen mit zwei weiteren jungen Frauen, die beide früher als seine Sekretärinnen, eine in Potsdam, die andere in Bonn, gearbeitet und schließlich -was die Grigoriewa nicht wußte - sein Lager geteilt hatten. An dieser Stelle konnte Grigoriew, wenn man ihm glauben durfte, nicht mehr an sich halten, er sprang beherzt auf und fragte, ob er deshalb quer durch halb Rußland hierhergebracht worden sei, um sich eine Moralpredigt anzuhören: »Daß jemand mit seiner Sekretärin schlief, sei kein unbekanntes Phänomen, sagte ich ihm, nicht einmal im Politbüro! Ich schwor ihm, daß ich niemals Affairen mit Ausländerinnen gehabt hätte, nur mit Russinnen. >Auch das ist mir bekannt<, sagte er. >Indes bezweifle ich, daß die Grigoriewa diesen feinen Unterschied zu würdigen wüßte.<« Und dann ließ Grigoriew zu Tobys anhaltender Verblüffung eine weitere Salve kehligen Lachens los; und obwohl de Silsky und Skordeno gemäßigter mit einstimmten, überdauerte Grigo­riews unbändige Heiterkeit die aller übrigen, so daß sie warten mußten, bis sie abgeklungen war.

»Sagen Sie uns jetzt bitte, warum der Mann, den Sie den Priester nennen, Sie holen ließ«, sagte Smiley aus den Tiefen des braunen Tweedmantels.

»Er teilte mir mit, daß ich für das Dreizehnte Direktorium einen Sonderauftrag in Bern übernehmen solle. Ich dürfe mit nieman­dem darüber sprechen, auch nicht mit meinem Botschafter, es sei zu streng geheim für jeden Dritten. >Aber<, sagt der Priester, >Ih­rer Frau werden Sie es sagen. Die persönlichen Umstände ma­chen es Ihnen unmöglich, ohne Kenntnis Ihrer Frau einen kon­spirativen Auftrag zu erfüllen. Das weiß ich, Grigoriew. Also sagen Sie's ihr.< Und er hatte recht«, kommentierte Grigoriew. »Ein kluger Mann. Er hat klar bewiesen, daß nichts Menschli­ches ihm fremd ist.«

Smiley wandte eine Seite um und schrieb weiter. »Bitte, fahren Sie fort«, sagte er.

Zuerst, sagte der Priester, müsse Grigoriew in der Schweiz ein Bankkonto eröffnen. Der Priester händigte ihm tausend Schwei­zer Franken in Hunderternoten aus und wies ihn an, sie als erste Einzahlung zu benutzen. Er solle das Konto nicht in Bern eröff­nen, wo er bekannt sei, auch nicht in Zürich, wo es eine Sowjeti­sche Handelsbank gibt. »Die Vozhod«, erläuterte Grigoriew aus freien Stücken. »Über diese Bank werden viele offizielle und inoffizielle Transaktionen abgewickelt.« Also nicht in Zürich, sondern in der kleinen Stadt Thun, wenige Kilometer von Bern entfernt. Er solle das Konto unter dem Namen Glaser, eines Schweizer Bürgers, eröffnen. »Aber ich bin sowjetischer Di­plomat!« hatte Grigoriew eingewendet. »Ich bin nicht Glaser, ich bin Grigoriew!«

Gleichwohl händigte der Priester ihm einen schweizerischen Paß auf den Namen Adolf Glaser aus. Jeden Monat, sagte der Prie­ster, würden auf dieses Konto mehrere tausend Schweizer Fran­ken überwiesen werden, manchmal sogar zehn- oder fünfzehn­tausend. Grigoriew werde jeweils Anweisung erhalten, wie er sie zu verwenden habe. Es sei streng geheim, wiederholte der Prie­ster geduldig, und zu dem Geheimnis gehörte sowohl eine Be­lohnung wie eine Drohung. Beides machte der Priester ihm un­geschminkt deutlich, ganz ähnlich, wie Smiley es vor einer Stunde getan hatte. »Sie hätten ihn sehen sollen, wie er mir ge­genübersaß«, sagte Grigoriew ergriffen zu Smiley. »Seine Ruhe, seine Autorität in jeder Situation! Beim Schach würde er jedes Spiel gewinnen, allein durch seine Nerven.«

»Aber er hat nicht Schach gespielt«, wandte Smiley ungerührt ein.

»Nein, wahrhaftig nicht«, pflichtete Grigoriew ihm bei und nahm unter betrübtem Kopfschütteln seine Erzählung wieder auf.

»Eine Belohnung und eine Drohung«, wiederholte er.

Die Drohung bestand aus einem Wink an Grigoriews zuständi­ges Ministerium, daß er aufgrund seiner Liebesaffairen unzuver­lässig sei und daher für Auslandsposten künftig nicht mehr in Frage komme. Dies würde nicht nur Grigoriews Karriere scha­den, sondern auch seiner Ehe. Soweit die Drohung.

»Es würde äußerst gräßlich für mich sein«, fügte Grigoriew überflüssigerweise hinzu.

Nun zur Belohnung, und die würde beträchtlich sein. Wenn Grigoriew seine Sache gut machte und absolutes Schweigen wahrte, wolle man seine Karriere fördern und über seine Affai­ren hinwegsehen. Er würde sich in Bern eine angenehmere Wohnung nehmen können, was der Grigoriewa gewiß gefiele; aus einem Spezialfonds dürfe er sich einen imposanten Wagen kaufen, was durchaus in Grigoriewas Sinn wäre; auch könnte er dann auf Botschafts-Chauffeure verzichten, die zwar in der Mehrzahl Nachbarn seien, aber keinen Zugang zu diesem gro­ßen Geheimnis bekommen dürften. Und schließlich, sagte der Priester, sollte seine Beförderung zum Botschaftsrat beschleu­nigt werden, womit sich sein höherer Lebensstandard erklären ließe.

Grigoriew blickte nun auf den Stapel Schweizer Franken, der zwischen ihnen auf dem Schreibtisch lag, dann auf den Schwei­zer Paß, dann auf den Priester. Und er fragte, was passieren würde, wenn er sagte, daß er sich lieber doch nicht an dieser Ver­schwörung beteiligen möchte. Der Priester nickte. Auch er habe, so versicherte er Grigoriew, diese dritte Möglichkeit er­wogen, doch leider lasse die Dringlichkeit des Falles einen sol­chen Ausweg nicht zu.

»Dann sagen Sie mir, was ich mit diesem Geld tun muß«, sagte Grigoriew.

Reine Routine, erwiderte der Priester, und dies sei ein weiterer Grund, warum man gerade Grigoriew ausgesucht habe. »In Routineangelegenheiten gelten Sie als sehr tüchtig«, sagte er. Obgleich Grigoriew bereits von kaltem Grausen erfaßt war, durch alles, was der Priester ihm mitgeteilt hatte, fühlte er sich jetzt doch geschmeichelt. »Man hat mich ihm empfohlen«, er­klärte er Smiley voll Stolz. Dann erzählte der Priester Grigoriew von dem verrückten Mädchen.

Smiley zuckte nicht mit der Wimper. Er hielt beim Schreiben die Augen fast geschlossen, aber er schrieb unentwegt - obwohl nur Gott allein weiß, was er schrieb, sagt Toby, denn George hätte sich nicht im Traum einfallen lassen, irgendetwas von auch nur vorübergehender Wichtigkeit einem Notizblock anzuvertrauen. Von Zeit zu Zeit, sagt Toby, während Grigoriew weitersprach, sei aus dem Mantelkragen Georges Kopf gerade weit genug auf­getaucht, daß er die Hände des Sprechenden oder sogar sein Ge­sicht betrachten konnte. Im übrigen scheine er von allem und al­len im Zimmer unendlich weit entfernt gewesen zu sein. Millie McCraig stand unter der Tür, de Silsky und Skordeno glichen zwei Statuen, während Toby nur still betete, Grigoriew möge »weiterreden, ich meine weiterreden um jeden Preis, ganz egal. Wir haben jetzt Karlas Verfahrenstechnik aus erster Hand ken­nengelernt.«