Выбрать главу

   »Woher wissen Sie, dass ich Gertrud heiße?«, fragte  meine  Mutter  verblüfft,  und  Roswitha Gansauge lachte und sagte:

   »Komisch, ja, ich weiß immer sofort, wie die Leute heißen, das ist so eine Art sechster Sinn von mir.«

Onkel  Hans  zündete  sich  noch  eine  Zigarre an und sagte: »Käthe ist noch verrückter: Die wusste, wie meine Tiere heißen, ohne dass ich etwas sagen musste.«

   »Wahrscheinlich haben ihr die Tiere selbst den Namen gesagt«, sagte Roswitha Gansauge,

»und  wahrscheinlich  versteht  Katharina  die Tiersprache«, und sie zwinkerte mir zu.

      »Sonst  noch  was«,  sagte  meine  Mutter, schnitt  aber  immerhin  den  Kirschkuchen  an.

   Es wurde ein sehr vergnügter Abend, obwohl ich  irgendwann  am  Tisch  eingeschlafen  bin.

Aber  bis  in  meinen  Schlaf  hinein  hörte  ich Gelächter, sogar meine Mutter lachte, und Onkel Hans holte noch eine Flasche Rotwein und sagte:

   »Schluss mit dem Früchtetee, Gertrud, jetzt kippst du auch mal einen.«

   Am nächsten Morgen war Roswitha Gansauge  mit  Gustavo  verschwunden,  und  ich fürchtete  schon,  ihren  Besuch  nur  geträumt zu haben, aber Onkel Hans hatte sehr gute Laune und rieb sich die Hände.

   »Tolle Person«, sagte er, »da hast du was  Fa-

»Typisch«, sagte meine Mutter,

»die Ziege nennt er Gertrud.«

belhaftes  kennen  gelernt,  sie  kommt  morgen mit einem Rheumamittel für den Hund.«

   Und sogar meine Mutter sagte: »Endlich mal nicht  so  eine  Trutsche,  wie  du  sie  sonst  immer heimgebracht hast. Ich muss nur an Caroline denken, die immer so blöd kicherte, und an  Christel,  die  Missionsschwester  in  Indien werden wollte, und was wurde sie? Verkäufe-rin  für  Damenwäsche.  Pah.  Oder  Helga,  die nichts  konnte  als  Doppelkopf  spielen.«

   »Darin war sie aber gut!«, warf Onkel Hans ein. »Immerhin war sie mal Zweite der westfä-

lischen  Meisterschaften.«

   Und meine Mutter sagte: »Ja, sonst noch was.«

Er  fuhr  uns  zum  Bahnhof,  nachdem  ich  von allen  Tieren  gründlich Abschied  genommen und  sie  gebeten  hatte,  mich  nicht  zu  verges-sen. Der Hahn war froh, nun wieder um fünf krähen zu dürfen, der Esel bedankte sich noch einmal dafür, dass er nicht mehr Erwin heißen musste,  und  Gürtelchen  meckerte:  »Komm wieder,  kleine  Käthe!« Aber  Gertrud  sagte:

»Sonst  noch  wahahahahas.«

Mein Onkel Hans und Roswitha Gansauge haben natürlich geheiratet und sind sehr glücklich geworden. Nur Bella und Gustavo konn-ten sich nie aneinander gewöhnen und jagten und  kniffen  sich,  wo  immer  sie  sich  er-wischten.  Jahre  später,  als  mein  Onkel  Hans schon tot war, denn er war sehr viel älter gewesen als Tante Roswitha, besuchte ich sie noch einmal  auf  dem  kleinen  Hof.  Wir  gingen  zusammen  zum  Friedhof,  und  sie  legte  ein  frisches Ei von Monika und etwas Wolle von den Schafen auf das Grab und erzählte dann alles, was zu Hause los war. Sie sprach von Igor, der taub  geworden  war,  und  vom  Hund,  der  im Garten  begraben  lag,  und  auf  seinem  Grab blühte tatsächlich ein Aprikosenbäumchen, und das  im  rauhen  Westerwald.  Sie  erzählte,  dass Christel eine Karte aus Indien geschickt hatte und  wirklich  doch    noch    Missionsschwester geworden   war und dass Helga   endlich Erste geworden war bei den westfälischen Doppel-kopfmeisterschaften. Sie sagte,   dass Bella fast nur noch auf der Heizung läge und sich einbil-dete, sie sei eine ägyptische Tempelkatze, und

dass  die  grün  karierten  Küchentücher  jetzt endgültig  durchgescheuert  seien  und  dass  sie rot  karierte  gekauft  hätte.  Ich  hörte  erstaunt zu, und sie erklärte mir: »Die Toten hören uns, wenn  wir  mit  ihnen  sprechen.«

   Ich glaubte ihr sofort. Sie hatte ja schon einmal  Recht  gehabt.  »Aber  antworten  können sie  leider  nicht  mehr«,  sagte  ich  und  musste ein bisschen weinen, weil ich Orikel Hans so lieb gehabt hatte.

  »Ach«, sagte Tante Roswitha, »wenn man ganz genau hinhört, antworten sie manchmal sogar.«

   Viele Jahre später stand ich am Grab meiner Mutter  und  versuchte,  ihr  von  meinem  Leben zu erzählen. Ich wusste, mein Leben wür-de  ihr  nicht  gefallen,  und  als  ich  die  Bumen ordnete, seufzte und mich umwandte, um zu gehen,  war  mir,  als  hörte  ich  ganz  leise  und streng: »Ja, sonst noch was.«

Sie legte ein frisches Ei von Monika und etwas Wolle von den Schafen auf das Grab.