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Ob es in der Dorfkneipe von Cadbury, die den schönen Namen „The Camelot“ trägt, vielleicht doch ein Stück Schokolade gegeben hätte, hat mich angesichts der Erhabenheit des Ortes dann auch gar nicht mehr interessiert. Das Internet sagt, es werden dort ordentliche Braten aufgetischt, Würstchen mit Kartoffelbrei, Sandwiches und Ploughman’s Lunch, ein traditioneller britischer Brotzeitteller, hier wahlweise mit Ham, Cheddar oder beidem.

Den Ausflug nach Cheddar spare ich mir. Daher weiß ich bis heute nicht, was es in der „Cheddar Gorge“ gegeben hätte, die dort als Sehenswürdigkeit in meinem Straßenatlas eingezeichnet ist. Ich stelle mir aber vor, dass dort eine Höhle versteckt ist, in der die Tropfsteine aus Käse bestehen. Es könnte aber auch einfach ein Schinken sein. 

RÖMER

Die Liebe zum Souvenir -ein manchmal unpassendes Verhältnis

Sogar noch auf dem Dach der Peterskirche gibt es Souvenirs. Rom, diese gierige Stadt, lässt keinen Raum ungenutzt. Wo man dort kein Seelenheil erbeten kann, gibt es für Geld allerlei Waren. Wo man nicht stehen kann, um Schaufenster oder historische Orte zu bestaunen, die man entweder später als Miniatur erwirbt oder worin man wiederum um Seelenheil bittet, wird gefahren, und das auch möglichst so, dass keine Lücke frei bleibt. Es gibt keinen Flecken und kein Bedürfnis, das in Rom nicht ausgenutzt wird. Zeigen die Fenster in den Gebäuden keine Waren, so hängen dort Speisekarten oder sie geben gleich den Blick frei auf die Bar mit Cornetto, Prosecco und Co. Nichts, gar nichts bleibt brach liegen in der ewigen Stadt. Vielleicht konnte sie genau wegen dieser Emsigkeit, diesem übereffizienten Ausnutzen aller Ressourcen, so lange überleben. Weder Vandalen noch Pilger, weder Faschisten noch Massentouristen haben der Stadt wirklich etwas anhaben können, im Gegenteil, sie hat gelernt, ihren Gewinn zu maximieren und dafür den geringstmöglichen Aufwand zu betreiben. Warum regelmäßig Busse auf die wichtigen Linien schicken, wenn es auch unregelmäßig geht und sich die Menschen darin auch stapeln können? Warum den Prosecco kühl stellen, wenn man ihn auch warm verkaufen kann?

Warum also das Dach der Peterskirche ungenutzt lassen, wo man doch nur einen lächerlichen Betrag als Eintritt verlangt hat und sogar freistellt, ob der Gast noch einen weiteren lächerlichen Betrag bezahlt, um den Aufzug statt die Treppe benutzen zu dürfen? Warum eine Ecke unbebaut lassen, die man von unten gar nicht sehen kann, deren Bebauung also den Gesamteindruck gar nicht stört, wohl aber die Gesamtbilanz verbessert? Die Kirche muss ja schließlich auch von etwas leben, und so bieten auf dem Dach des vielleicht ehrwürdigsten Gebäudes Europas brave Klosterschwestern ein Sortiment aus verzierten Kerzen, quietschbunten Heiligenbildchen, Holzkreuzen, kleinen Amuletten, Rosenkränzen, Gebetbüchern und Postkarten an. Immerhin gibt es dazu Vatikan-Briefmarken. Wer die Karten gleich auf dem Dach schreibt und einwirft, bekommt auch noch einen Vatikan-Stempel, wenn er denn genug Vertrauen in die Tatsache hat, dass die Karten aus diesem Kasten auch wirklich abgeholt und zur italienischen Post weitergebracht werden statt als weißer oder schwarzer Rauch auf Nimmerwiedersehen in den Äther zu gehen.

Die wirklich guten Souvenirs gibt es aber draußen, auf dem profanen Boden der Welt. Die Schneekugel etwa, in der der Papst größer ist als die Peterskirche - in der Via della Conciliazione. Auf dem überbreiten Boulevard, der so etwas wie die Hausauffahrt des Vatikans ist und daher selbstverständlich Aussicht auf die Peterskirche im Format 16:9 bieten muss, haben sich mit die besten Souvenirhändler angesiedelt. Was es nicht alles gibt. Eine kleine Schachtel in Rosen-Form, die normalerweise türkische Juweliere zum Verpacken von Ringen aus Gelbgold benutzen, ist hier zur einer Krippe zum Aufklappen umgebaut: In den Schlitz, in den der Schmuck gehört, sind Zinnfiguren gesteckt. Da gibt es Kühlschrankmagneten mit dem Konterfei des Heiligen Vaters, aber nicht nur des aktuellen, sondern auf Anfrage auch des letzten und vorletzten. Bemalte Teller mit der Kuppel des Petersdoms sind ausgestellt, eine nachts leuchtende Skulptur des Erzengels Michael, springende Glasdelfine für die Vitrine, Flaschenuntersetzer, Puppenstühle mit dem Gesicht von Padre Pio ... Die Regale in den Läden sind vollgestopft mit Dingen, die seit den 70er Jahren vielleicht nur noch einmal im halben Jahr verlangt werden, aber auch für diesen Fall möchte man gerüstet sein, nicht, dass einem das Geschäft entgeht, weil der Kunde es im Laden nebenan entdeckt hat.

Je weiter man sich vom Vatikan entfernt, desto weltlicher werden die Souvenirs. Am Trevi-Brunnen quellen gewebte Taschen mit allerlei Motiven aus einem Laden wie Federn aus einem geplatzten Kissen. In den Gassen, die weiter führen zum Pantheon, stecken Riesenbleistifte in einem Blecheimer wie monströse Amor-Pfeile, und weil die Häuser so eng an die Gassen herangerückt sind, bleibt man im Fußgängerstrom gelegentlich stecken und kommt ganz buchstäblich nicht mehr an den Souvenirs vorbei. Dann wird es gefährlich. Eigentlich will man ja schon lange keine mehr kaufen, weil in der Wohnung ohnehin zu viel Kram herumliegt und weil man kein einziges dieser Stücke wirklich brauchen kann. Wegwerfen will man sie aber auch nicht. Bei den geschenkten ist es leichter - weg mit den Miniatur-Holzschuhen, die einem die entfernte Bekannte aus Holland angeschleppt hat. In die Tonne mit der Reederei-Tasse von der Luxuskreuzfahrt der anderen Bekannten. Mit den in der eigenen Handtasche importierten Souvenirs ist es schwierig, denn ob man will oder nicht, man hat einen Bezug dazu aufgebaut. Peinlich aber wahr: Wie könnte man das kleine Marien-Amulett vom Dach des Petersdoms zu den leeren Joghurtbechern und den Apfelbutzen in den Müll geben, wenn einem jedes Mal, kommt es einem in die Finger, die weichen Augen der Klosterschwester in der Verkaufsbude einfallen? Das gäbe schlechtes Karma!

Die emotionale Bindung zum Souvenir beginnt schon beim Kauf: Man hat dieses eine Stück aus tausenden anderen ausgewählt, es hat nicht nur den Blick gefangen, sondern auch das Hin- und Herdrehen in den Händen überlebt, die Frage nach dem Preis, das nochmalige Umsehen im Laden, im argen Fall sogar das Geschwätz des Verkäufers, er hätte hier noch dies und jenes, und im ärgsten Fall auch den Spott der Mitreisenden.

Ein Souvenir zu kaufen ist so, wie sich zu verlieben: Schon in dem Moment, in dem man es sieht, weiß man tief drinnen, dass es um einen geschehen ist und man es haben muss. Um die Gier jedoch zu kaschieren lässt man es langsam angehen, prüft nochmal eingehend und mit möglichst vielen Sinnen, ob man sich nicht getäuscht hat, und sucht noch einmal alibihalber nach etwas Besserem. Entschieden hat man sich aber dennoch, da nutzt auch kein Zureden mehr. Der Verkäufer weiß sogar schon früher als man selbst, dass es gefunkt hat, und wird gerade auf dieses eine Stück keinen Rabatt geben. Ist das heiß begehrte Souvenir einmal bezahlt, in Papier gewickelt und in der Tasche, hat man schon eine feste Beziehung aufgebaut, die ein Leben lang halten kann. Das Fatale ist, dass man mit Souvenirs herrlich polygam leben kann und sie manchmal so in seinen Alltag integriert, dass man ganz vergessen hat, wo und wie die Beziehung begann. Man muss die Gegenstände des eigenen Alltags hinterfragen. Der Zuckerlöffel? Inder-Markt in Dubai. Der Arne-Jacobsen-Design-Kerzenständer auf dem Couchtisch? Illums Bolighus, Kopenhagen. Die Saunaschlappen - aus dem Assawan Spa in Dubai. Das Feuerzeug mit den brennenden Twin Towers drauf - vom Chinesenmarkt in New York. Wer behauptet, er hätte kein einziges Souvenir zu Hause, der lügt. Selbst jemand, der noch nie seinen Geburts-Landkreis verlassen hat, wird irgendwo ein Erinnerungs-Bierglas vom Schützenfest im Nachbardorf haben.