»Ah!« Er verbeugte sich leicht. »Darf ich Ihnen etwas Tee einschenken?«
Eine stattliche Kanne und mehrere Teegläser nahmen den größten Teil der Tischplatte ein, und die stickige Luft war angefüllt mit dem Duft von Pfefferminztee.
»Was kann Ramesch Gupta für Sie tun?«
Ich schaute in sein Gesicht, in seine Augen und sah nichts weiter als Höflichkeit gegenüber einem neuen Kunden. Ich blickte mich in dem winzigen, spärlich beleuchteten Laden um, überflog das kärgliche Inventar und wunderte mich, warum Mr. Raschid mich hierher geschickt hatte.
»Wünschen Sie etwas zu kaufen, Madam? Alle meine Antiquitäten sind echt und behördlich registriert. Lassen Sie mich Ihnen zeigen.«
Er griff nach einem ungeheuren Buch, das von einem Regal über dem Schreibtisch aufragte, und ließ es mit einem Bums fallen. Dabei öffnete es sich zufällig, und die beiden Seiten, die zum Vorschein kamen, hätten aus dem Telefonbuch von Manhattan stammen können. Tausende von Artikeln waren in dem Gupta-Katalog aufgelistet, jeder mit Beschreibung, Alter, Registriernummer und Preis. Alles ziemlich klein geschrieben. Deshalb war ich also hier. Dieser Händler war größer als die übrigen. Möglicherweise sogar der größte. »Ich möchte, daß Sie sich etwas ansehen.«
»Natürlich.« Auf seinem Gesicht zeigte sich noch immer dasselbe Lächeln, dieselbe Beflissenheit.
Doch als ich den Schakal auspackte und ihn auf den Schreibtisch stellte, änderte sich sein Gesichtsausdruck. Zuerst runzelte er die Stirn, dann, als ob er sich erinnerte, kehrte sein Lächeln zurück. »Aha, das Fräulein mit dem Schakal. Sie haben also noch immer keinen Käufer gefunden?«
Mein Herz klopfte zum Zerspringen. »Ich hoffte, Sie könnten mir weiterhelfen.«
»Aber, Madam«, erwiderte er mit freundlichentschuldigender Bestimmtheit, »ich habe Ihnen doch schon einmal gesagt, daß ich mit solchen Sachen nicht handle. Ich mache meine Geschäfte nur mit der Regierung. Das müssen Sie verstehen. Ich bin ein ehrlicher Mann. Und ich muß Sie warnen. Vor zwei Tagen waren nämlich zwei Beamte von der Behörde für Altertümer hier und stellten mir Fragen. Ich habe natürlich nichts gesagt.«
»Das weiß ich zu schätzen, vielen Dank. Aber vielleicht könnten Sie mir trotzdem sagen, wer.«
»Aber ich habe Sie doch schon einmal darauf hingewiesen, daß ich damit nichts zu tun haben will. Ich kann Ihnen nicht einmal den Namen von Händlern bekanntgeben, die sich möglicherweise darauf einließen, denn die Regierung verfährt mit Gesetzesbrechern sehr streng. Ich will meine Lizenz behalten, Madam.« Ich stand einen Augenblick da und überlegte meinen nächsten Schritt. Er hatte noch immer nichts gesagt, was Jelks mit der Sache in Verbindung brachte, obgleich es nun keinen Zweifel mehr daran gab, daß Adele in illegale Machenschaften verwickelt war. Auch hatte mir dieser Inder keinen Hinweis darauf gegeben, wieviel er wußte. Hatte Adele ihm gegenüber ein Grab erwähnt?
Ramesch Gupta lieferte mir von sich aus die Antwort. »Sie sollten auf meinen Rat hören, Madam, auf den Rat, den ich Ihnen schon das letzte Mal gab. Eine Handvoll antiker Kunstgegenstände stellt noch kein großes Vergehen dar. Bringen Sie sie zu den ägyptischen Behörden. Es ist bei weitem besser, den Gegenwert dafür zu verlieren, als Ihre Freiheit einzubüßen.«
Ich dankte ihm und traf mich etwas weiter die Straße hinunter in einer Nische, wo wir nicht gesehen werden konnten, wieder mit Mr. Raschid. Nachdem ich ihm Wort für Wort alles berichtet hatte, meinte er: »Allem Anschein nach ist Ihre Schwester behutsam vorgegangen. Vielleicht gab sie vor, sie hätte nur wenige Artikel zu verkaufen und der Schakal sei einer davon. Ich schätze aber, wenn sie auf einen Händler stieße, der sich im Gegensatz zu Gupta bereit erklärte, ihr die paar Stücke abzukaufen, dann würde sie ihm auch von dem Grab erzählen.«
»Und von Jelks.«
»Ja. Bis jetzt haben wir praktisch nichts in der Hand. Wir müssen weitermachen.«
»Ja, ich denke schon.«
»Geht es Ihnen gut?« In seinen Augen spiegelte sich Besorgnis. Im Dunkel des Schattens, in dem wir standen, während eine trübe Dämmerung langsam alles Licht aus der engen Straße vertrieb, ergriff Achmed Raschid meine Hand und drückte sie fest. Wir standen dicht beieinander, so dicht, daß wir uns fast berührten. »Es geht schon.«
»Rossiter könnte sich da draußen herumtreiben«, entgegnete er ruhig und wies in die Richtung der belebten Marktstraße, die man von hier aus hören, aber nicht sehen konnte. »Ich weiß.«
»Miss Harris, wir können auch ins Hotel zurückgehen und einen anderen Plan ausprobieren. Vielleicht sollten wir auch einfach zu Paul Jelks’ Camp hinausfahren und auf unser Glück vertrauen, daß er derjenige ist, den wir suchen.«
»Nein«, widersprach ich schnell. »Nehmen wir einmal an, er ist es nicht. Oder nehmen wir an, er ist es, aber Sie sind sich nicht ganz sicher. Sie würden ihn dann nicht verhaften, oder? Nicht, wenn Sie im Zweifel wären. Und das würde alles vereiteln. Ich gehe weiter in die Geschäfte, bis sich jemand verplappert. Wenn wir erst einmal wissen, daß Jelks dahintersteckt, sind wir am Ziel.« Ich sah ihm lange in die Augen, spürte seine Nähe, meine Hand in seiner Hand, und dann fühlte ich seine Kraft und meine eigene Kraft. »Achmed. ändere nicht wegen mir deinen Angriffsplan. Ich kann schon auf mich selbst aufpassen!« Vor elf Tagen wäre ich nicht so mutig gewesen. Doch heute war das anders. Heute würde ich der Hölle und dem Teufel trotzen - und vielleicht sogar Arnold Rossiter -, um meine Schwester zurückzubekommen.
Die nächsten beiden Geschäfte ergaben nichts. Es war dunkel geworden, als ich wieder zu Achmed Raschid stieß, und meine Besorgnis wuchs. Vielleicht war es nur meiner Einbildungskraft zuzuschreiben, oder war es die Folge davon, daß ich in dem überfüllten Basar ständig angerempelt und herumgeschubst wurde - die erschreckende Erinnerung an das Muski-Viertel begann mich wieder heimzusuchen -, aber ich fühlte mich allmählich ganz unsicher. Irgendwie verlief alles zu glatt, zu reibungslos. Schließlich erreichten wir das
Geschäft von S. Khouri, lizenzierter Händler für authentische Antiquitäten. Es befand sich direkt an der eigentlichen Einkaufsstraße und hatte ein großes Schaufenster, in dem antike Statuen, Säulenfüße und Vasen ausgestellt waren. Achmed sprach mir Mut zu, trat dann in die Menge zurück und war im Nu verschwunden. Ich stieß rasch die Tür auf. Der Laden war verstaubt und klein, bis unter die Decke vollgestopft mit Messingschmuck, Wandteppichen, Skulpturen und Gemälden. Seine einzige Lichtquelle bildeten zwei trübe, von der Decke herabhängende Lampen, so daß man nichts deutlich erkennen konnte. Das Dämmerlicht ließ den Laden noch enger und überfüllter erscheinen. Ich drängte mich durch einen schmalen Gang nach hinten zu der gläsernen Theke und mußte aufpassen, daß ich nicht an die kleinen Tische stieß, auf denen zierliche Statuetten ausgestellt waren. Als die Tür zuging, meldeten an einer Schnur befestigte Glöckchen meine Ankunft. Gleich darauf trat der Inhaber hinter einem Perlenvorhang heraus. Er war ein kleiner wieselartiger Mann mit glänzenden Augen und einem spitz zulaufenden Gesicht. Sein öliges, schwarzes Haar klebte ihm am Schädel wie ein Helm und reflektierte das schwache Licht von oben. Als ich auf ihn zuging, hatte ich ein wachsames Auge auf sein Gesicht und achtete auf das geringste Anzeichen dafür, daß er mich wiedererkannte. Doch es tat sich nichts. Er lächelte, rang die Hände und sagte gewandt: »Guten Abend, Madam.«
»Guten Tag.« Ich trat näher an ihn heran, so daß nur noch die Theke zwischen uns stand, und noch immer verriet sein Gesicht kein Wiedererkennen. Nichts als Lächeln und Diensteifer.
»Madam interessiert sich für Antiquitäten?«
»Gewissermaßen, ja.« Ich blickte mich um. Ein schwerer Geruch von Weihrauch hing in der Luft. Ich hatte das Gefühl, eingesperrt und in meiner Bewegungsfreiheit beschränkt zu sein. »Ich möchte, daß Sie sich etwas ansehen.«