»Aber gewiß doch.«
Meine Hände waren klamm, als ich meine Tasche auf die Theke stellte. Aber es gelang mir, nicht zu zittern, als ich das Bündel niederlegte, das Taschentuch fein säuberlich ausbreitete und den Schakal enthüllte.
Das Wieselgesicht des Mannes blieb unverändert. »Exquisit«, kommentierte er und nahm den Schakal in eine Hand. »Ein hübsches Stück. Überhaupt nicht beschädigt.«
Ich beobachtete ihn, wie er den Schakal prüfend drehte und wendete, und hatte plötzlich das komische Gefühl, daß er sich selbst im Zaume hielt und daß sein Verhalten einstudiert war. Es war natürlich eine absurde Idee, denn es gab keinen Grund, dies anzunehmen. Mr. Khouri lächelte, war höflich und zeigte wie alle anderen ein freundliches Interesse. Und dennoch. irgend etwas war anders an ihm. Etwas, das bei den anderen nicht dagewesen war, eine leise Vorahnung, die ich bei den anderen Händlern nicht verspürt hatte.
»Wo haben Sie dieses reizende Stück gefunden?« hörte ich ihn fragen.
Dann sah ich die vollgestopften Wände rings um mich her aufragen, spürte die schweren Schatten in allen Ecken und wurde plötzlich von dem Gefühl überwältigt, in eine Falle geraten zu sein. »Ich habe noch andere.«, antwortete ich unsicher. Er lächelte weiter auf seine zuckersüße, einschmeichelnde Art. »Dessen bin ich gewiß. Aber lassen Sie mich dieses hier in besserem Licht sehen.« Der Ägypter lief um die Theke herum, um sich unter die von der Decke herabhängende Lampe zu stellen. Und als er dies tat, meinte ich, eine Bewegung hinter dem Perlenvorhang wahrzunehmen.
Mr. Khouri trat neben mich, wobei er den Schakal ein übers andere Mal in den Händen drehte und wendete. Er stand jetzt vor der Theke, so daß ich mich umdrehen mußte. »Das Stück scheint echt zu sein«, stellte er fest. »Neues Reich, würde ich meinen.« Dann sah er mit seinen zusammengekniffenen Augen zu mir auf. »Was haben Sie sonst noch?«
Ich schluckte schwer und beschloß, das Wagnis einzugehen. »Das habe ich Ihnen doch schon beim letzten Mal gesagt, als ich hier war.«
Sein Grinsen verbreiterte sich. »Allerdings. Ich weiß nicht, warum Sie vorgaben, nicht schon früher hiergewesen zu sein, aber das macht nichts. Ich wußte, daß Sie zurückkommen würden.« Er blickte auf den Schakal hinunter, klopfte damit nachdenklich gegen seine Handfläche und sagte schließlich: »Aber ich teilte Ihnen damals auch mit, daß ich keine Geschäfte über Sie machen würde, Madam, sondern daß ich nur direkt mit Ihrem Auftraggeber verhandeln will.« Mein Herz begann wieder zu rasen. Adele arbeitete also für jemanden.
»Und bei dieser großen Menge Ware, die Sie anbieten«, fuhr der ölige Mr. Khouri fort, »bezweifelte ich, daß irgend jemand anderes in Luxor oder Kairo sich die Finger daran verbrennen würde. Nur ich kann eine solche Menge richtig handhaben.«
Ich schluckte abermals. Wie es schien, gab es tatsächlich ein Grab. »Wenn Sie interessiert sind«, gab ich verwegen zurück, »dann werden wir nur durch meine Person ins Geschäft kommen.« Aber er schüttelte den Kopf und hielt mir den Schakal hin, den ich von ihm entgegennahm. »Bedaure, Madam. Das kann ich nicht riskieren. Bitte richten Sie Dr. Jelks aus, daß wir uns unter vier Augen treffen müssen oder überhaupt nicht.«
Ich hielt den Atem an. Mein Herz klopfte wie wild. Er hatte den Namen Jelks ausgesprochen.
Im nächsten Augenblick vernahm ich ein Geräusch hinter mir, und als ich herumfuhr, schaute ich geradewegs in zwei dicke Brillengläser.
»Guten Abend«, grüßte der fettleibige Zeitgenosse. »Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Ich stieß einen erstickten Schrei aus und drehte mich blitzschnell wieder um. Mr. Khouri war verschwunden.
»Erlauben Sie mir, daß ich mich vorstelle. Ich bin Karl Schweitzer.«
Ich wandte mich um und stand ihm wieder gegenüber. Ein rührseliges, süß-saures Lächeln zeigte sich im Halbdunkel auf seinem Gesicht, und seine Augen wirkten hinter den starken Brillengläsern beängstigend groß.
»Es wäre durchaus möglich, daß ich Ihnen helfen kann«, fuhr er mit einem deutschen Akzent fort.
Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf. Ich wußte, daß Achmed sich auf der anderen Straßenseite befand und nicht in den Laden hineinsehen konnte und daß er mich auch nicht hören würde, wenn ich schrie. Der Antiquitätenhändler war verschwunden - entweder gezwungenermaßen oder nach Absprache mit diesem Mann. Und so blieb ich in diesem winzigen Ramschladen mit dem Mann, der John Treadwell umgebracht hatte, allein zurück. »Inwiefern wünschen Sie, mir zu helfen, Mr. Schweitzer?« fragte ich mit zugeschnürter Kehle. Ich bewegte langsam meinen Fuß rückwärts und spürte, daß ich gegen ein Hindernis stieß. Links von mir stand die Theke, und vor mir hatte sich der Dickwanst aufgebaut. Das bedeutete, mein einziger Fluchtweg lag rechts von mir, ein langer, enger Gang voller Hindernisse, an dessen Ende sich die Tür befand.
»Ich handle gelegentlich mit Antiquitäten.« Er deutete auf den Schakal in meiner Hand. »Wie ich sehe, haben Sie etwas zu verkaufen?«
»Nun.« Ich versuchte Zeit zu schinden, um die Lage abzuwägen. Es war möglich, daß Schweitzer nicht wußte, daß ich ihn kannte. Es war möglich, daß er mir etwas vorgaukeln wollte, um mich wegzulocken. Alles war möglich. Und ich verspürte mit einem Mal überhaupt keine Lust mehr, mich auf irgendwelche Spielchen einzulassen. Ich wollte, daß das alles vorbei wäre. Ich wollte meine Schwester zurück. Und ich wollte, daß der Alptraum ein Ende nähme. Er sollte aber nicht mit Täuschung und Lüge und Schauspielerei und Tricks enden. Er würde mit schonungsloser Ehrlichkeit und vielleicht sogar mit einem Kampf zu Ende gehen.
Ich wollte das Risiko eingehen. So sagte ich: »Ich weiß, wer Sie sind, Mr. Schweitzer.«
Das Lächeln auf seinem Gesicht erstarrte. »Sie wissen.?«
»Sie waren mit mir im Domus Aurea.« Er sagte kein Wort, blieb regungslos stehen. »Und ich sah Sie mit John, bevor er ermordet wurde.« Schweitzer nickte langsam. »Ich verstehe.«
Meine Finger wanden sich krampfhaft um den Kopf des Schakals. Seine lange Schnauze und seine spitzen Ohren gruben sich in meine Hand. Ich hielt ihn fest wie einen Dolch, bereit zuzustoßen. »Dann brauchen wir keine Zeit zu verschwenden«, sprach er leise weiter. Wir starrten einander in der Dunkelheit an, beide auf der Hut und in höchster Alarmbereitschaft.
»Wir können einander behilflich sein«, meinte er vorsichtig. »Wie?« Mein Körper begann zu zittern.
Im Bruchteil einer Sekunde griff er blitzschnell unter seine Jacke und förderte eine Pistole zutage. Ihr Lauf war aus einer Entfernung von wenigen Zentimetern auf meine Brust gerichtet. »Ich will, daß Sie mit mir kommen«, erklärte er mit gedämpfter Stimme. Ich starrte ungläubig auf die Schußwaffe. »Wohin?«
»Sicher wissen Sie, wohin. Wenn Sie schon wissen, wer ich bin, wie Sie sagen, dann müssen Sie wohl auch wissen, wohin wir gehen.«
»Wir können uns hier unterhalten«, entgegnete ich ruhig. Das Herz schlug mir bis zum Hals.
»Ich denke nicht, Fräulein. Seien Sie bitte friedlich. Wir wollen doch keinen Ärger.«
In diesem Augenblick beschloß ich, keine Zeit mehr mit Überlegen zu verschwenden. Wenn Schweitzer mich überrumpeln konnte, dann konnte ich mit ihm das gleiche tun. Ohne lange darüber nachzudenken, was ich tat, ließ ich meine linke Hand plötzlich unter seinen Arm schnellen und schmetterte ihn hoch, während ich mit meiner Rechten blindlings losschlug. Der Hieb mit dem Schakal hatte gesessen. Die Pistole flog durch die Luft, und Schweitzer faßte sich verblüfft an seine verletzte Schulter.
Dann drehte ich mich blitzschnell um und rannte was das Zeug hielt Richtung Ausgang. Ich stolperte über Tische, stieß Statuen beiseite und bahnte mir wie rasend einen Weg durch das wirre Durcheinander, bis ich die Tür erreichte. Ich riß sie auf, stürzte Hals über Kopf in die Menge und rannte, ohne nach links und rechts zu schauen, weiter, bis ich Achmed Raschids Arme um mich fühlte und seinen Körper an meinem spürte. »Lydia!«