Выбрать главу

»Schnell.« keuchte ich. »Lauf.«

Wir schoben und drängten uns blind durch die Menge, ohne daß uns jemand auch nur die geringste Beachtung schenkte, bis wir fern von Lichtern und Menschen eine ruhige Toreinfahrt fanden.

Ich brachte nur einzelne Worte heraus, unterbrochen von heftigem Schluchzen, als ich in Achmeds schützender Umarmung dastand. Er fragte mehrmals: »Was ist passiert?« bevor er mir den Schakal entwand und sah, daß er mit Blut bedeckt war. »Der dicke Mann.«, stieß ich hervor. »Er hatte eine Pistole.«

»Sprich nicht.« Wir beeilten uns, die Gegend um den Basar herum zu verlassen, und hasteten auf unserer Flucht durch einsame, dunkle Straßen. Wir eilten durch enge Gassen, über glitschiges Kopfsteinpflaster und durch menschenleere Seitenstraßen. Achmed schien die Gegend wie seine Westentasche zu kennen und führte mich, ohne zu zögern, weg von Lichtern und Leuten, behielt dabei jedoch stets die Richtung bei, in der das Hotel lag.

Als wir uns schließlich dem New Winter Palace näherten und uns wieder unter Fußgängern befanden, nahm er mich beiseite und sah mich an. Mein Gesicht war kreidebleich, und an meiner Bluse klebte Blut.

»Möchtest du jetzt gleich in dein Zimmer hinaufgehen?« fragte er. »Ja.«

»In der Eingangshalle werden Leute sein.«

»Das ist mir egal. Ich will hinaufgehen. Jetzt gleich.« Wir liefen durch den Garten und rannten die Stufen zum Haupteingang hinauf, wo der Türsteher glücklicherweise mit einem Taxi beschäftigt war und uns nicht bemerkte. Wir stießen selbst die Glastür auf und eilten durch die Lobby zu den Aufzügen. Wir hatten Glück, daß sich gerade, als wir ankamen, einer davon öffnete und sich unmittelbar hinter uns wieder schloß. Achmed und ich fuhren allein im Aufzug nach oben.

Sobald wir uns in meinem Zimmer befanden, sackte ich auf einem der beiden Betten zusammen, denn ich fühlte mich schrecklich schwach. Nachdem Achmed die Vorhänge zugezogen und die Tür zweimal abgeschlossen hatte, setzte er sich neben mich und öffnete seine Hand, um den Schakal zu betrachten. Blut war von seinem Schaft auf seine Finger getropft.

»Kannst du mir jetzt erzählen, was passiert ist?«

»Ja.« Ich holte tief Luft und berichtete ihm alles, was sich in Khouris Laden zugetragen hatte, und ließ auch nicht unerwähnt, daß ich gleich zu Anfang den Eindruck gehabt hatte, in eine Falle gegangen zu sein, und daß sich hinter dem Vorhang etwas geregt hatte.

»So.«, sagte er, nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten. »Der dicke Mann, dieser Schweitzer, muß also schon dort gewesen sein, bevor du das Geschäft betreten hast. Das würde bedeuten, daß er entweder wußte, daß du dorthin kommen würdest, oder daß er mit Mr. Khouri eigene Geschäfte tätigte.«

»Woher sollte er gewußt haben, daß ich dorthin gehen würde?«

»Vielleicht von den anderen Händlern, die ihn benachrichtigt haben könnten, daß du von Geschäft zu Geschäft gingst. Daraus wird er logisch gefolgert haben, daß du möglicherweise auch Khouri aufsuchen würdest - einen bekannten Antiquitätenhändler.« Ich dachte einen Moment darüber nach. Dann schauderte ich. »Ich habe richtig zugestochen!« Die Erinnerung an das Gefühl, das ich gehabt hatte, als der Schakal sich in die fleischige Schulter des Dicken bohrte, ließ sich einfach nicht abschütteln.

Wortlos stand Achmed auf und ging ins Bad. Ich hörte das Rauschen von fließendem Wasser. Als er einen Moment später wieder herauskam und sich neben mich aufs Bett setzte, waren sowohl seine Hände als auch der Schakal sauber.

Dann schaute ich auf meine eigenen Hände - rot von Blut. »Das ist es nicht, was mich stört, Achmed. Ich bin von meiner Arbeit weiß Gott an Blut gewöhnt. Aber das hier ist anders.«

»Ich weiß«, erwiderte er sanft.

»Ich meine. Ich habe tatsächlich auf ihn eingestochen.« Wieder durchfuhr mich ein Schauer. Achmed legte seinen Arm um meine Schulter und zog mich zu sich heran.

»Du hast nur versucht, dein eigenes Leben zu retten«, beschwichtigte er mich. »Und ich fühle mich für das, was passiert ist, verantwortlich.«

»Es ist überhaupt nicht deine Schuld. Ich habe ja gewußt, worauf ich mich einließ. Und ich glaube, ich würde es wieder tun. Ich weiß nicht. Aber es gab keinen anderen Ausweg. Von Anfang an mußte ich mich mit der Gefahr auseinandersetzen. Heute abend war das nicht anders. Ich denke, Adele hätte dasselbe für mich getan.« Ich stieß einen Seufzer aus und schüttelte den Kopf. »Großer Gott! Ein Elfenbeinschakal gegen eine Pistole. Ich muß nicht bei Trost gewesen sein!«

»Aber es hat doch geklappt, oder nicht?«

»Ja. das hat es.« Ich sah im Geiste die Pistole, nur Zentimeter von meinem Herz entfernt, sah die fetten Finger, die sie hielten, und versuchte, meine Gedanken in genau diesem Augenblick nachzuvollziehen. Doch es gelang mir nicht, weil es keine gab. Ich hatte spontan gehandelt - ein Überlebensinstinkt hatte die Führung übernommen. »Und was, wenn ich nicht so schnell gewesen wäre?«

»Darüber sollst du nicht nachgrübeln.«

»Und wenn ich nicht zugestochen hätte, hätte er die Pistole vielleicht nicht losgelassen. Er hätte möglicherweise sofort die Fassung wiedererlangt und mich erschossen.« Ich nahm Achmed den Schakal aus der Hand und betrachtete ihn. »Sieht harmlos aus, nicht wahr? Und doch ist er die Ursache für ausnahmslos alles, was sich in diesen letzten. was, schon elf Tage? - ereignet hat. Er hat mich auf die andere Seite der Erde gebracht. Seinetwegen wurde ich fast umgebracht. Und er hat mir auch das Leben gerettet.«

Ich drehte ihn langsam zwischen meinen Fingern hin und her. Achmed hielt mich eng umschlungen. Dann dachte ich: Er hat auch mich verändert und ist dafür verantwortlich, daß ich jetzt hier sitze. »Zumindest«, meinte Achmed mit leiser Stimme, »haben wir erreicht, was wir wollten. Wir wissen jetzt, daß tatsächlich Paul Jelks hinter allem steckt, und ich kann morgen ganz offiziell zu seinem Camp hinausfahren.«

Ich hob den Kopf und blickte in seine Augen. Mein Herzschlag beschleunigte sich; nicht wegen meines Kampfes -denn der schien seltsamerweise plötzlich weit zurückzuliegen -, sondern wegen Achmeds Nähe, der Wärme seines Körpers an meinem, dem festen Griff, mit dem er mich an sich drückte. Als er sich hinunterbeugte und mich küßte, schien mir das ganz natürlich. Seine Lippen berührten meine wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, gingen aber sofort zu etwas anderem über. Der Drang, der sich in seinem Kuß ausdrückte, erschreckte mich nicht, denn ich erwiderte ihn mit meinem eigenen Verlangen. In diesem leidenschaftlichen Moment schien es mir, als ob ich mein ganzes Leben nur dafür gelebt hatte.

Als er sich von mir wieder wegneigte und seine Umarmung lockerte, sah ich ein merkwürdiges Leuchten in seinen Augen, einen sonderbaren Ausdruck, der mit der Leidenschaft des Kusses nicht übereinstimmte. Dann sagte er in einem eigenartig distanzierten Ton: »Jetzt werden mich keine Zweifel mehr plagen, wenn ich an ihn herantrete. Ich werde ihm selbstbewußt entgegentreten, denn ich weiß, daß ich richtig liege. Ich muß Ihnen dafür danken, Miss Harris.«

»Ja, natürlich.«

Ich löste mich aus seinem Arm und erhob mich. Jetzt schwankte ich nicht mehr. Ich fühlte mich stark. Was mir eine Stunde zuvor widerfahren war, hätte ebensogut vor einem Jahr passiert sein können, so wenig war von seiner Wirkung zurückgeblieben. Nun beschäftigte mich etwas anderes. Ich ging ins Bad, wusch mir Hände und Gesicht und kam zurück ins Zimmer, wo ich mich auf dem Bett gegenüber von Achmed niederließ. Ich sah ihm direkt in die Augen. »Warum hast du mich gerade Miss Harris genannt?« Er starrte mich an und gab keine Antwort. »Vorher war ich Lydia.«

»Ja, ich weiß.« Seine Augen hielten meinem Blick weiterhin stand. Ich spürte, daß mein Herz wieder zu klopfen anfing, aber diesmal aus einem anderen Grund.

Wieder kam mir Dr. Kellerman in den Sinn, und ich dachte an die zärtliche, sanfte Zuneigung, die mich mit ihm verband. Es war eine Mischung aus Hingabe und Bedürfnis; es ging sehr tief und war schon lange Zeit dagewesen. Aber dieses andere -dieses glühende, spannungsgeladene Verlangen, das ich für Achmed Raschid empfand -, das war eine erregende Liebe voller Leidenschaften. »Miss Harris. Lydia«, begann er und schien zum erstenmal unsicher zu sein. »Ich habe nie zuvor eine Amerikanerin gekannt. Wir kommen aus verschiedenen Welten, du und ich. Deine Religion ist nicht die meine. Deine politischen Überzeugungen sind nicht die meinen. Unsere Sitten sind unendlich verschieden. Wir«, er streckte seine Hände aus, »sind unendlich verschieden.«