Ein fernes Krachen ertönte, und ein Feuerball stieg ein paar Meter hoch in den Himmel.
Jala sah es im Rückspiegel. »Mein Gott, wie idiotisch! Da muss jemand auf ein Ölfass gefeuert haben. Die Docks…«
Sirenen heulten über das Wasser, während wir den Kai entlang fuhren. Die Menschenmenge war inzwischen in Panik geraten. Jetzt konnte ich die Polizisten sehen, die in einer Linie durch das Tor drängten. Einige von ihnen trugen schwere Waffen und Masken mit schwarzen Schnauzen. Ein Feuerwehrwagen rollte aus einem Schuppen und fuhr kreischend auf das Tor zu.
Wir fuhren über eine Reihe von Rampen und hielten dort, wo der Pier sich auf einer Höhe mit dem Hauptdeck der Capetown Maru befand, ein alter, unter Billigflagge fahrender Frachter, weiß und rostorange gestrichen. Eine stählerne Gangway war zwischen Hauptdeck und Pier ausgelegt worden, und die ersten Minang hatten sie bereits bestiegen.
Jala sprang aus dem Auto, und als ich Diane auf den Kai bugsiert hatte — auf ihren eigenen Füßen, an mich gelehnt, die Jutebahre hatten wir zurückgelassen —, war er bereits in eine hitzige, auf Englisch geführte Diskussion mit einem Mann am Ende der Gangway verwickelt: der Kapitän oder Steuermann des Schiffes vielleicht, jedenfalls jemand, der mit entsprechender Autorität ausgestattet war, ein untersetzter Mann mit einem Sikh-Turban und zusammengebissenen Zähnen.
»Es war schon vor Monaten vereinbart«, sagte Jala.
»… aber dieses Wetter…«
»… bei jedem Wetter…«
»… ohne Genehmigung der Hafenbehörde…«
»… ja, aber es ist keine Hafenbehörde da… Sehen Sie!«
Es sollte eine rhetorische Geste sein. Doch Jalas ausladende Handbewegung richtete sich gerade in dem Moment auf die Benzin- und Gasbunker nahe des Haupttors, als einer der großen Behälter explodierte.
Ich sah es nicht. Die Erschütterung drückte mich in den Beton, und ich fühlte die Hitze im Nacken. Der Krach war gewaltig. Ich rollte mich auf den Rücken, das Dröhnen noch in den Ohren. Das Avigas, dachte ich. Oder was immer hier gelagert wurde. Benzol. Kerosin. Heizöl oder sogar rohes Palmöl. Das Feuer musste sich ausgebreitet haben, oder die schlecht ausgebildeten Polizisten hatten in die falsche Richtung geschossen. Ich drehte den Kopf und fand Diane neben mir, mehr verwirrt als ängstlich. Ich dachte: Ich kann den Regen gar nicht hören. Aber da war ein anderes, erschreckenderes Geräusch: das Klirren herabstürzender Metallsplitter. Brennend schlugen sie auf den Pier und das Deck der Capetown Maru.
»Kopf einziehen«, rief Jala mit gurgelnder Stimme, wie unter Wasser. »Alle Mann runter mit den Köpfen!«
Ich versuchte Diane mit meinem Körper abzudecken. Brennendes Metall fiel etliche Sekunden lang wie Hagel um uns herum zu Boden oder klatschte in das dunkle Wasser hinter dem Schiff. Dann hörte es plötzlich auf. Nur noch der Regen fiel, sanft wie Flüstern.
Wir rappelten uns hoch. Jala war schon wieder dabei, Leute auf die Gangway zu schieben, wobei er ängstliche Blicke zurück auf die Flammen warf. »Das muss nicht der Letzte gewesen sein! Kommt an Bord, los, los!« Er lotste die Dorfbewohner an der Capetown-Mannschaft vorbei, die damit beschäftigt war, Brände an Deck zu löschen und die Leinen zu werfen.
Rauch trieb auf uns zu, verdeckte die Sicht auf das Geschehen an Land. Ich zog Diane mit mir. Sie zuckte bei jedem Schritt zusammen, und Blut aus ihrer Wunde sickerte in den Verband. Wir waren die Letzten auf der Gangway. Einige Matrosen schickten sich schon an, die Metallkonstruktion hinter uns einzuziehen, die Hände an den Winden, die Augen auf die Feuersäulen im Hafen gerichtet.
Die Maschinen der Capetown Maru dröhnten unter Deck. Jala sah mich und lief herbei, um Dianes anderen Arm zu nehmen. Diane registrierte seine Anwesenheit. »Sind wir sicher?«, fragte sie.
»Nicht, bevor wir aus dem Hafen raus sind.«
Auf dem grüngrauen Wasser ertönten Hörner und Pfeifen. Jegliches Schiff, dem das möglich war, setzte sich jetzt in Bewegung. Jala blickte zum Kai zurück und erstarrte. »Ihr Gepäck.«
Es war auf einen der kleinen Transporter geladen worden. Zwei ramponierte Hartschalenkoffer voller Papiere, Pharmazeutika und digitaler Speichermedien. Sie lagen noch da, einsam und verlassen.
»Fahrt die Gangway wieder aus«, rief Jala den Matrosen zu.
Sie blinzelten ihn an, waren sich nicht sicher, ob er hier irgendetwas zu bestimmen hatte. Der Erste Offizier war schon zur Brücke gegangen. Jala warf sich in die Brust und reif etwas Heftiges in einer Sprache, die ich nicht kannte. Die Matrosen zuckten mit den Achseln und ließen die Gangway auf den Kai zurückrasseln.
Die Schiffsmotoren liefen warm, gaben einen satten Ton von sich.
Ich rannte über die Gangway, das gewellte Aluminium dröhnte unter meinen Füßen. Ich schnappte mir die Koffer, warf einen letzten Blick zurück: Etwa ein Dutzend uniformierter New Reformasi kam auf die Capetown Maru zugelaufen. »Legt ab«, rief Jala, als kommandiere er das Schiff. »Schnell, legt ab!« Die Gangway wurde eingezogen. Ich warf das Gepäck an Bord und sprang hinterher. Erreichte das Deck, bevor sich das Schiff in Bewegung setzte.
Dann explodierte ein weiterer Avigas-Tank, und wir wurden von der Erschütterung zu Boden geworfen.
Von Träumen umzingelt
Die nächtlichen Schlachten zwischen Straßenpiraten und kalifornischer Polizei machten das Reisen zu einer ohnehin beschwerlichen Angelegenheit. Durch das Flackern jedoch wurde alles noch schlimmer. Offizielle Stellen warnten dringend vor jedem nicht unbedingt nötigen Reiseverkehr während der Flackerphasen, aber das hielt die Leute nicht von dem Versuch ab, Familie oder Freunde zu erreichen, und in manchen Fällen auch nicht davon, einfach ins Auto zu steigen und zu fahren, bis ihnen das Benzin oder die Lebenszeit ausging. Ich packte in aller Eile einige Koffer, in die ich alles hineinstopfte, was ich nicht zurücklassen wollte, einschließlich des Archivmaterials, das mir Jason gegeben hatte.
An diesem Abend staute sich der Verkehr auf dem Alvarado Freeway, und auch auf der I-8 ging es kaum schneller voran. Ich hatte jede Menge Zeit, über die Absurdität meines Vorhabens nachzudenken. Hals über Kopf loszufahren, um die Frau eines anderen Mannes zu retten, eine Frau, die mir einmal mehr bedeutet hatte, als gut für mich war. Wenn ich die Augen schloss und mir Diane Lawton vorzustellen versuchte, dann bekam ich kein zusammenhängendes Bild mehr zusammen, nur eine verwischte Montage einzelner Momente und Gesten. Diane, wie sie sich mit einer Hand die Haare zurückstreicht und sich ins Fell von St. Augustine, ihrem Hund, vergräbt. Diane, wie sie für ihren Bruder ein Internetlink in den Geräteschuppen schmuggelt, wo die auseinander gebauten Teile eines Rasenmähers auf dem Boden liegen. Diane im Schatten einer Weide, wie sie viktorianische Lyrik liest und über eine Textstelle lächelt, die ich nicht verstanden habe: Wo der Sommer reift zu jeder Stunde oder Das Kind hat nicht mal wahrgenommen…
Ich war an El Centro vorbei, als das Radio »erhebliche« Polizeiaktivitäten westlich von Yuma meldete und der Verkehr sich an der Staatsgrenze auf mindestens fünf Kilometern staute. Ich beschloss, keine lange Verzögerung zu riskieren, und bog auf eine kleinere Verbindungsstraße mit der Absicht, die I-10 anzusteuern, die die Staatsgrenze in der Nähe von Blythe querte.
Die Straße war weniger voll, aber immer noch recht belebt. Das Flackern ließ die Welt irgendwie auf den Kopf gestellt erscheinen, oben dunkler als unten. Gelegentlich zuckte eine besonders dicke Lichtader vom nördlichen zum südlichen Horizont, als würde sich in der Spinmembran ein Riss auftun, als würden sich Bruchstücke des dahinter liegenden Universums hindurchbrennen.
Ich dachte an das Telefon in meiner Tasche, Dianes Telefon, die Nummer, die Simon angerufen hatte. Es hatte keine Rückrufnummer angezeigt, und die Ranch — falls sie sich überhaupt noch auf der Ranch aufhielten — war nicht im Telefonverzeichnis registriert. Ich wollte, dass es noch einmal klingelte. Wollte es — und hatte doch auch Angst davor.