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Ich nickte.

»Wenn Sie wollen, können Sie nämlich hier bleiben. Hat mein Papa gesagt.«

»Mr. Dupree ist Arzt«, sagte Fulton sanft. »Vermutlich muss er einen Hausbesuch machen.«

»Das stimmt«, erwiderte ich. »Das muss ich.«

Viele Menschen benahmen sich sehr schlecht an diesem Morgen, in ihren vermeintlich letzten Stunden. Es war, als sei das Flackern nur eine Probe für das bevorstehende Ende gewesen. Wir hatten die Vorhersagen gehört: brennende Wälder, sengende Hitze, verdampfende Meere. Die Frage war nur, ob es einen Tag, eine Woche oder einen Monat dauern würde.

Und so schlugen wir Fenster ein, nahmen das, was uns gefiel, nahmen jeden Plunder, den uns das Leben vorenthalten hatte. Männer versuchten Frauen zu vergewaltigen, wobei etliche von ihnen feststellen mussten, dass der Verlust aller Hemmungen in beide Richtungen funktionierte und das vermeintliche Opfer die Fähigkeit entwickelte, seinem Widersacher ins Auge zu stechen oder in die Hoden zu treten. Alte Rechnungen wurden mit der Waffe beglichen. Die Selbstmorde waren Legion. (Ich dachte an Molly. Wenn sie nicht schon seit dem ersten Flackern tot war, dann starb sie mit Sicherheit jetzt, starb vielleicht sogar voller Befriedigung über das Aufgehen ihres Plans. Zum ersten Mal überkam mich das Bedürfnis, um sie zu weinen.)

Doch es gab auch Inseln des Anstands und Handlungen von heroischer Selbstlosigkeit. Die Interstate 10 an der Grenze nach Arizona war eine solche Insel.

Während des Flackerns war eine Abteilung der Nationalgarde an der Brücke über den Colorado River stationiert gewesen. Die Soldaten waren jedoch kurz nach dem Ende des Flackerns verschwunden, zurückbeordert vielleicht oder einfach auf ungenehmigtem Urlaub, unterwegs nach Hause, und ohne sie hätte die Brücke zu einem unpassierbaren Nadelöhr werden können.

Wurde sie aber nicht. Ein Dutzend Zivilisten, Freiwillige mit Taschenlampen oder Signalleuchten aus ihrer Notfallausrüstung, hatte die Aufgabe übernommen, den Verkehr zu regeln. Und sogar die ewig Eiligen — die Leute, die bis Sonnenaufgang noch eine weite Strecke zurücklegen wollten oder mussten, nach New Mexico, Texas oder sogar Louisiana, falls ihnen der Motor nicht vorher wegschmolz —, sogar sie schienen zu begreifen, dass das notwendig war, dass jeder Versuch, sich vorzudrängeln, aussichtslos war und es keine Alternative dazu gab, sich in Geduld zu üben. Ich weiß nicht, wie lange diese Stimmung anhielt oder was sie hatte entstehen lassen. Vielleicht war es menschliche Solidarität, vielleicht war es aber einfach auch das Wetter: ungeachtet des aus Osten auf uns zurollenden Verhängnisses war es eine pervers schöne Nacht. Verstreute Sterne in einem klaren, kühlen Himmel; eine anregende Brise, die den Auspuffgestank fortwehte und so sanft durchs Autofenster strich wie die Hand einer sorgenden Mutter.

Ich erwog, mich in einem der örtlichen Krankenhäuser zu melden, meine Dienste als Arzt zur Verfügung zu stellen — im Palo Verde in Blythe, das ich einmal im Rahmen einer Konsultation besucht hatte, oder vielleicht im La Paz Regional in Parker. Aber welchem Zweck sollte das dienen? Es gab keine Heilung für das, was uns erwartete. Es gab allenfalls Linderung, Morphium, Heroin — also Mollys Strategie, aber nur, wenn die Arzneischränke nicht schon geplündert waren.

Und was Fulton zu Jody gesagt hatte, traf im Wesentlichen zu: Ich hatte einen Hausbesuch zu machen.

Eine Suche. Mit mittlerweile quichottischen Zügen. Was immer es war, das Diane zu schaffen machte, ich würde auch das nicht in Ordnung bringen können. Warum also die Reise überhaupt zu Ende bringen? Natürlich, es war eine Möglichkeit, sich vor dem Ende der Welt zu beschäftigen — tätige Hände zittern nicht, ein tätiger Verstand gerät nicht in Panik. Aber das war keine Erklärung für die Dringlichkeit, das existenzielle Bedürfnis, sie zu sehen, das mich während des Flackerns auf die Straße getrieben hatte und das jetzt eher noch stärker geworden war.

Vorbei an Blythe, vorbei an dem beunruhigenden Streifen abgedunkelter Geschäfte, vorbei an den belagerten Tankstellen — und endlich lag die Straße offen vor mir. Der dunkle Himmel, das Funkeln der Sterne.

Und das Läuten des Handys. Ich wühlte in meiner Tasche, bremste ab, während ein Laster von hinten an mir vorbeirauschte.

»Tyler.« Simons Stimme.

Bevor er weiterreden konnte, sagte ich: »Gib mir deine Nummer, bevor wir wieder unterbrochen werden. Damit ich euch erreichen kann.«

»Das darf ich nicht. Ich…«

»Von wo rufst du an?«

»Ein Handy. Wir benutzen es nur für lokale Gespräche. Im Moment hab ich es, aber Aaron trägt es auch manchmal bei sich, also…«

»Ich würde nur anrufen, wenn es absolut notwendig ist.«

»Okay, ist vermutlich auch egal.« Er gab mir die Nummer. »Hast du den Himmel gesehen, Tyler? Klar, du bist ja wach. Es ist die letzte Nacht auf Erden, nicht wahr?«

Ich dachte: Warum fragst du mich das? Simon lebte seit drei Jahrzehnten in der letzten Nacht auf Erden. Man hätte annehmen sollen, dass er es besser wüsste als ich. »Was ist mit Diane, Simon?«

»Ich möchte mich für den letzten Anruf entschuldigen. Angesichts… angesichts dessen, was jetzt kommt.«

»Wie geht es ihr?«

»Das meine ich ja. Es kommt nicht mehr darauf an.«

»Ist sie tot?«

Lange Pause. Er klang gekränkt, als er sich wieder meldete. »Nein, sie ist nicht tot.«

»Schwebt sie in der Luft und wartet auf die Entrückung oder was?«

»Es ist nicht nötig, meinen Glauben zu beleidigen.« Meinen Glauben, nicht unseren Glauben.

»Dann braucht sie vielleicht ärztliche Behandlung. Ist sie noch krank, Simon?«

»Ja, aber…«

»Auf welche Art? Was sind die Symptome?«

»Nur noch eine Stunde, dann geht die Sonne auf, Tyler. Du weißt ja, was das bedeutet.«

»Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet. Und ich sitze gerade im Auto, ich kann vor Sonnenaufgang auf der Ranch sein.«

»Oh. Nein, das ist nicht gut. Nein, ich…«

»Warum nicht? Wenn es das Ende der Welt ist, warum soll ich dann nicht da sein?«

»Du verstehst nicht. Was jetzt geschieht, ist nicht nur das Ende der Welt. Es ist die Geburt einer neuen Welt.«

»Wie krank ist sie? Kann ich mit ihr sprechen?«

Simons Stimme begann zu zittern. Ein Mann am Rande des Zusammenbruchs. Wir befanden uns alle an diesem Rand. »Sie kann nur flüstern. Sie bekommt keine Luft. Sie ist schwach, hat stark abgenommen.«

»Wie lange geht das schon?«

»Ich weiß nicht. Ich meine, es fing allmählich an…«

»Wann wurde es offensichtlich, dass sie krank ist?«

»Vor ein paar Wochen. Oder vielleicht auch, äh, vor ein paar Monaten.«

»Ist sie irgendwie ärztlich behandelt worden?« Pause. »Simon?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Es schien nicht notwendig.«

»Es schien nicht notwendig?«

»Pastor Dan wollte es nicht.«

Ich dachte: Und hast du Pastor Dan gesagt, dass er sich ganz gewaltig ins Knie ficken kann? »Ich hoffe, dass er sich inzwischen anders besonnen hat.«

»Nein.«

»Dann brauch ich deine Hilfe, um zu ihr zu kommen.«

»Tu das nicht, Tyler. Das nützt niemandem etwas.«

Ich war bereits dabei, nach der Abfahrt Ausschau zu halten, an die ich mich zwar nur undeutlich erinnerte, die ich aber auf der Karte markiert hatte. Eine namenlose Wüstenstraße, vom Highway runter in Richtung einer ausgetrockneten Cienaga. »Hat sie nach mir gefragt?« Stille. »Simon? Hat sie nach mir gefragt?«

»Ja.«

»Sag ihr, dass ich auf dem Weg zu ihr bin.«

»Nein, Tyler… Auf der Ranch gehen gerade ein paar problematische Dinge vor sich. Du kannst hier nicht einfach reinspazieren.«

Problematische Dinge? »Ich dachte, es würde eine neue Welt geboren.«