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»Was zum Teufel ist eigentlich los mit dir heute Abend?« Bevor er antworten konnte, klingelte mein Handy. Es war Diane, die vom Haus aus anrief. »Wo seid ihr hin? Holly ist ziemlich sauer. Sie einfach so stehen zu lassen. Ziemlich unhöflich, Tyler.«

»Da muss doch noch jemand anders sein, den sie zutexten kann.«

»Sie ist einfach unsicher. Sie kennt hier kaum jemanden.« »Tut mir Leid, aber inwiefern ist das mein Problem?« »Ich dachte nur, mit euch beiden könnte es passen.« Ich blinzelte. »Es könnte mit uns passen?« Wie sollte man das interpretieren, wenn nicht… »Soll das heißen, du wolltest uns verkuppeln?«

Sie zögerte ein, zwei lange Sekunden. »Ach, komm, Tyler, reg dich nicht auf.«

Seit fünf Jahren tauchte Diane mal mehr, mal weniger scharf auf meiner Bildfläche auf. Es hatte Zeiten gegeben — vor allem, nachdem Jason auf die Uni gegangen war —, in denen ich mir wie ihr bester Freund vorgekommen war. Sie rief an, wir redeten, wir shoppten oder sahen uns Filme an. Wir waren Freunde. Kumpel. Sofern es irgendeine sexuelle Spannung gab, schien sie ganz auf meiner Seite zu liegen, und ich war sorgfältig darauf bedacht, sie zu verbergen, weil selbst diese Teilintimität fragil war — das wusste ich, ohne dass man es mir sagen musste. Was immer Diane bei mir suchte, es hatte nichts mit irgend gearteter Leidenschaft zu tun.

E. D. hätte natürlich kein Verhältnis zwischen mir und Diane geduldet, es sei denn, es war kindlicher Natur, fand unter Aufsicht statt und barg keine Gefahr, unerwartete Wendungen zu nehmen. Aber auch Diane schien die Distanz zwischen uns ganz gut in den Kram zu passen, und so sah ich sie manchmal monatelang fast gar nicht, allenfalls, dass ich ihr von ferne zuwinkte, wenn sie auf den Rice-Bus wartete (solange sie noch auf die Academy ging). Während dieser Phasen rief sie nicht an, und wenn ich mal, was selten genug vorkam, die Kühnheit besaß, bei ihr durchzuklingeln, war sie nicht zum Reden aufgelegt.

Während dieser Zeit ging ich gelegentlich mit Mädchen von meiner Schule aus, schüchternen Mädchen zumeist, die eigentlich (oft genug explizit) lieber von Jungen mit höherem Popularitätsgrad ausgeführt worden wären, sich aber mehr oder weniger damit abgefunden hatten, ein gesellschaftliches Leben zweiter Wahl zu führen. Keine dieser Verbindungen war von Dauer. Als ich siebzehn war, verlor ich meine Unschuld an ein hübsches, verblüffend großes Mädchen namens Elaine Bowland; ich versuchte mir einzureden, dass ich in sie verliebt sei, aber nach acht oder neun Wochen gingen wir mit einer Mischung aus Bedauern und Erleichterung wieder auseinander.

Nach jeder dieser Episoden rief Diane ganz unerwartet an, und wir redeten; ich erwähnte dann Elaine Bowland oder Toni Hickock oder Sarah Burstein, und Diane kam irgendwie nie so recht dazu, mir zu erzählen, wie sie die Pause in unserer Beziehung verbracht hatte, aber das machte nichts, denn schon bald waren wir wieder in unserer Blase gelandet, frei schwebend zwischen Romanze und Heuchelei, Kindheit und Reife.

Ich bemühte mich, nicht mehr zu erwarten. Doch ich konnte nicht aufhören, mit ihr zusammen sein zu wollen. Und mir schien, dass auch sie meine Gesellschaft suchte; schließlich kam sie immer wieder auf mich zurück. Ich hatte gesehen, wie sie sich entspannte, wenn ich da war, ihr spontanes Lächeln, wenn ich den Raum betrat, als wolle sie sagen: Oh, gut, Tyler ist da. Wenn Tyler da ist, kann nichts passieren.

»Tyler?«

Ich fragte mich, was sie Holly erzählt hatte. Tyler ist echt nett, aber er läuft mir schon seit Jahren ständig nach. Ihr beide würdet toll zusammenpassen…

»Tyler?« Sie klang bekümmert. »Tyler, wenn du nicht reden möchtest…«

»Nein, möchte ich eigentlich nicht.«

»Dann gib mir bitte Jason.«

Ich reichte ihm das Handy. Jason hörte eine Weile zu, dann sagte er: »Wir sind hier auf dem Hügel. Nein. Nein. Komm doch auch raus. So kalt ist es auch wieder nicht. Nein.«

Ich wollte sie nicht sehen, ich schickte mich an, wegzugehen. Jason warf mir das Handy zu und sagte: »Sei kein Arsch, Tyler. Ich muss mit dir und Diane reden.«

»Worüber?«

»Über die Zukunft.«

Das war eine ärgerlich kryptische Bemerkung. »Dir ist vielleicht nicht kalt, mir schon.« Saumäßig kalt.

»Es geht hier um Wichtigeres als die Probleme, die du mit meiner Schwester haben magst.« Er wirkte auf fast komische Weise ernst. »Und ich weiß, was sie dir bedeutet.«

»Sie bedeutet mir gar nichts.«

»Das wäre nicht einmal dann wahr, wenn ihr nur Freunde wärt.«

»Wir sind nur Freunde.« Ich hatte eigentlich noch nie mit ihm über Diane gesprochen; das war ein Thema, das wir bei unseren Gesprächen mühsam umschifften. »Frag sie doch selbst.«

»Du bist sauer, weil sie dich dieser Holly vorgestellt hat.«

»Ich möchte das nicht diskutieren.«

»Aber sie wollte damit doch nur ein frommes Werk tun. Dianes neue Masche. Sie hat all diese Bücher gelesen.«

»Was für Bücher?«

»Apokalyptische Theologie. Meistens irgendwelche Bestseller. Du weißt schon: C. R. Ratel, ›Beten in der Finsternis‹, die Absage an das weltliche Ich. Du musst mehr Nachmittagsfernsehen gucken, Tyler. Sie wollte dich nicht kränken. Das war als Geste gedacht.«

»Und dadurch wird es besser?« Ich machte einige weitere Schritte von ihm weg, in Richtung Haus, und fragte mich, wie ich ohne Auto nach Hause kommen wollte.

»Tyler.« Irgendetwas in seiner Stimme veranlasste mich, stehen zu bleiben. »Tyler. Hör zu. Du hast mich gefragt, was mit mir los ist.« Er seufzte. »E. D. hat mir etwas über das Oktober-Ereignis erzählt. Es ist noch nicht für die Öffentlichkeit freigegeben. Ich habe ihm versprochen, dass ich nicht darüber rede, aber ich werde dieses Versprechen brechen. Ich werde es brechen, weil es nur drei Leute auf der Welt gibt, die ich als Familie empfinde. Einer davon ist mein Vater, die anderen beiden seid ihr, du und Diane. Also könntest du vielleicht noch ein paar Sekunden Geduld mit mir haben?«

Ich sah Diane, die den Hang hinaufgestapft kam, damit beschäftigt, sich in ihren Parka zu zwängen, einen Arm drin, einen Arm draußen.

Ich sah Jason, sah seinen entschieden unglücklichen Blick im trüben Lampenlicht. Es machte mir Angst, und ungeachtet meiner Gefühle erklärte ich mich bereit, ihn anzuhören.

Jason flüsterte Diane etwas zu, als sie uns erreichte. Sie blickte ihn mit großen Augen an, dann trat sie etwas zurück, hielt etwa gleichen Abstand zu uns beiden. Jason begann zu sprechen, sanft, methodisch, fast beschwichtigend, berichtete von einem Albtraum, als handle es sich um eine Gutenachtgeschichte.

Er hatte das alles natürlich von E. D. gehört.

Für E. D. war es gut gelaufen nach dem Oktober-Ereignis. Kaum waren die Satelliten ausgefallen, stellte Lawton Industries auch schon Pläne für eine sofort installierbare, praktische Ersatztechnologie vor: Höhenaerostaten, technisch avancierte Ballons, die auf unbestimmte Zeit in der Stratosphäre schweben konnten. Fünf Jahre später trugen E. D.s Aerostaten Telekom-Nutzlasten und Leitungsverstärker, ermöglichten Multipoint-Stimmen- und Daten-Übertragungen, bewerkstelligten fast alles (außer GPS und Astronomie), was konventionelle Satelliten auch gekonnt hätten. E. D.s Macht und Einfluss waren schnell gewachsen. Erst vor kurzem hatte er eine Raumfahrt-Lobbygruppe, die Perihelion-Stiftung, gegründet, und er hatte die Regierung bei einer Reihe von Projekten beraten, die nicht in der Öffentlichkeit verhandelt wurden. In diesem Fall ging es um das ARV-Programm — Automated Reentry Vehicle, also automatisierte Wiedereintrittsfahrzeuge — der NASA.

Die NASA hatte ihre ARV-Sonden in den letzten Jahren immer weiter verfeinert, um den Oktoberschild zu untersuchen. Konnte man ihn durchdringen? Konnten nützliche Daten von außerhalb gewonnen werden?