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»Er hat sich nicht nach ihr erkundigt?«

»Nein, nicht nach Diane. Eines allerdings war merkwürdig: Er hat mich gebeten, dafür zu sorgen, dass Jason… dass Jasons Leichnam konserviert wird. Er hat eine Menge Fragen dazu gestellt. Ich habe ihm gesagt, ich hätte Vorbereitungen getroffen, es werde eine Beerdigung geben und ich würde ihn verständigen. Aber dabei wollte er es nicht belassen. Er will, dass eine Autopsie vorgenommen wird. Ich habe mich stur gestellt. Warum sollte er eine Autopsie wollen, Tyler?«

»Ich weiß es nicht.«

Aber ich machte mich daran, es herauszufinden. Ich ging in Jasons Zimmer, wo inzwischen die Laken von seinem Bett gezogen worden waren. Ich öffnete das Fenster, setzte mich in den Sessel neben der Kommode und sah mir an, was er hinterlassen hatte.

Jason hatte mich gebeten, seine Erkenntnisse über die Natur der Hypothetischen und ihre Manipulation der Erde aufzuzeichnen, jeweils eine Kopie dieser Aufzeichnung in etwa ein Dutzend wattierte, bereits adressierte und frankierte Umschläge zu stecken und diese zu verschicken, sobald die Post ihren Dienst wieder aufgenommen hatte. Zweifellos hatte er, als er wenige Tage vor Ende des Spins im Großen Haus eintraf, nicht damit gerechnet, einen solch atemberaubenden Monolog zu produzieren. Irgendetwas anderes hatte ihn verfolgt.

Ich ging die Umschläge durch. Sie waren, in Jasons Handschrift, an Personen adressiert, deren Namen ich nicht kannte. Nein, den Namen auf einem der Umschläge erkannte ich. Es war mein Name.

Lieber Tyler,

ich weiß, ich habe dir in der Vergangenheit manch unzumutbare Last auferlegt. Und nun bin ich, wie ich fürchte, im Begriff, dir eine weitere aufzuerlegen — und diesmal steht erheblich mehr auf dem Spiel. Es tut mir Leid, falls dies allzu abrupt wirkt, aber ich bin in Eile, aus Gründen, die sich dir bald erschließen werden.

Die jüngsten Himmelserscheinungen, die die Medien als »Flackern« bezeichnen, haben bei der Regierung Lomax die Alarmglocken läuten lassen. Das Gleiche gilt für einige andere Ereignisse, die weniger öffentliche Aufmerksamkeit erregt haben. Nur ein Beispieclass="underline" Nach dem Tod von Wun Ngo Wen sind Gewebeproben seiner Organe im Zentrum für Tierkrankheiten auf Plum Island untersucht worden, derselben Einrichtung, in der er nach seiner Ankunft auf der Erde in Quarantäne gehalten wurde. So subtil die marsianische Biotechnologie sein mag — die moderne Forensik ist hartnäckig. Dabei ist deutlich geworden, dass Wuns Physiologie, insbesondere sein Nervensystem, auf weitaus radikalere Weise verändert worden war, als die in seinen Archiven beschriebene Prozedur des »Vierten Alters« vorsieht. Aus diesem und anderen Gründen haben Lomax und seine Leute E. D. aus seinem unfreiwilligen Ruhestand geholt und sind jetzt geneigt, seinen Vermutungen über Wuns Motive Gehör zu schenken. E. D. hat die Gelegenheit genutzt, neuen Anspruch auf Perihelion zu erheben, und er verliert keine Zeit, um aus der Paranoia im Weißen Haus Kapital zu schlagen.

Für welches Vorgehen hat sich die Administration entschieden? Für das plumpe. Lomax (oder sein Beraterstab) hat den Plan gefasst, eine Razzia bei Perihelion durchzuführen und alles zu beschlagnahmen, was uns aus Wuns Besitz zur Verfügung stand, ebenso wie unsere sämtlichen Aufzeichnungen und Arbeitsnotizen.

Noch sieht E. D. den Zusammenhang zwischen meiner Genesung von der AMS und Wuns Pharmazeutika nicht, oder er behält seine Erkenntnis für sich. Jedenfalls möchte ich das glauben. Denn sollte ich in die Hände der Sicherheitsdienste fallen, würden sie als Erstes eine Blutanalyse durchführen und mich dann zu einem wissenschafllichen Studienobjekt machen, vermutlich in Wuns alter Zelle auf Plum Island. Und ich glaube nicht, dass E. D. es dazu wirklich kommen lassen will. So sehr er es mir auch verübeln mag, dass ich ihm Perihelion »gestohlen« und mit Wun Ngo Wen gemeinsame Sache gemacht habe — er ist immer noch mein Vater.

Aber keine Sorge. Auch wenn E. D. wieder mitmischt im Weißen Haus — ich habe ebenfalls Verbündete. Keine mit großer Macht ausgestatteten Menschen — wenn auch einige von ihnen durchaus so manches Gewicht auf die Waagschale werfen können —, sondern intelligente, anständige Leute, die gewillt sind, das Schicksal der Menschheit in einem etwas weiteren Rahmen zu begreifen. Dank ihrer wurde ich rechtzeitig vor dem Zugriff auf Perihelion gewarnt. Ich bin den Häschern durch die Finger geschlüpft. Jetzt bin auf der Flucht.

Du, Tyler, stehst lediglich unter dem Verdacht der Beihilfe — obwohl auch du in die gleiche Situation geraten könntest wie ich. Es tut mir Leid. Ich weiß, ich trage Verantwortung dafür, dass du dich in dieser Lage befindest. Eines Tages werde ich dich persönlich um Verzeihung bitten. Vorläufig aber kann ich nicht mehr anbieten als einen guten Rat.

Die Datenträger, die ich dir bei deinem Abschied von Perihelion übergeben habe, enthalten streng geheime Auszüge aus Wun Ngo Wens Archiven. Kann sein, dass du sie verbrannt, vergraben oder in den Pazifik geworfen hast. Egal. Lange Jahre in der Raumfahrtplanung haben mich die Vorzüge der Redundanz gelehrt. Ich habe Wuns Informationen an Dutzende von Personen in diesem Land und in aller Welt versandt. Noch ist davon nichts ins Internet gestellt worden — so verantwortungslos ist keiner —, aber sie kursieren. Dies ist ohne Zweifel eine zutiefst unpatriotische, kriminelle Handlung. Falls ich gefasst werde, wird man mich wegen Hochverrat anklagen.

Ich bin aber nicht der Auffassung, dass Informationen dieser Art (sie enthalten etwa Beschreibungen menschlicher Modifikationen, die unter anderem —, und ich sollte es wissen — schwere Krankheiten heilen können) unter Verschluss gehalten werden sollten, selbst wenn ihre Freigabe Probleme aufwirft. Lomax und sein handzahmer Kongress sind da anderer Meinung. Also verbreite ich die letzten Fragmente der Archive und mache mich aus dem Staub. Tauche unter. Du wirst vielleicht das Gleiche tun wollen. Vielleicht wirst du es sogar müssen. Jeder, der zur alten Perihelion-Truppe gehörte, jeder, der mir nahe stand, kann sich früher oder später des besonderen Interesses der Bundesbehörden sicher sein.

Oder du willst — im Gegenteil — bei der nächsten FBI-Dienststelle vorsprechen und den Inhalt dieses Umschlags übergeben. Falls du das für das Beste, für das Richtige, hältst, folge deinem Gewissen — ich nehme es dir nicht übel, will allerdings auch nicht für das Ergebnis garantieren. Meine Erfahrungen mit der Regierung Lomax legen die Vermutung nahe, dass die Wahrheit in diesem Fall eher nicht befreiend sein wird.

Wie auch immer, ich bedaure, dich in diese schwierige Lage gebracht zu haben. Es ist nicht fair. Es ist zu viel verlangt von einem Freund, und ich war stets stolz darauf, dich meinen Freund nennen zu dürfen.

Vielleicht hatte E. D. in einem Punkt Recht: Unsere Generation hat sich dreißig Jahre lang abgemüht, das wiederzuerlangen, was der Spin uns in jener Oktobernacht gestohlen hat. Aber es gelingt uns nicht. Es gibt in diesem Universum nichts, an dem wir uns festhalten können, und es nützt auch nichts, es dennoch zu versuchen. Wenn ich eines gelernt habe aus meiner »Viertheit«, dann das. Wir sind so vergänglich wie Regentropfen. Wir fallen alle, und ein jeder landet irgendwo.

Fall du, wie du magst, Tyler. Mach von den beigefügten Dokumenten Gebrauch, wenn es erforderlich ist. Sie waren teuer, aber sie sind absolut verlässlich. (Es ist gut, Freunde in hohen Ämtern zu haben!)